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ENERGIE/071: Biotreibstoffe im Gegenwind (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt und Entwicklung - Rundbrief 4/2009
Schwerpunkt Welternährung

Biotreibstoffe im Gegenwind
Licht, aber auch viel Schatten in Sachen Bioenergie

Von László Maráz


Mit der Regierungsübernahme der schwarz-gelben Koalition gerät die Biotreibstoffbranche wider Erwarten auf schlingernden Kurs. Man könnte zwar glauben, eine weniger strenge Auslegung etwa der Nachhaltigkeitskriterien würde die Zertifizierung von Biokraftstoffen und Biomasse zur Stromerzeugung erleichtern. Doch bei höheren Geschwindigkeiten wurde schon mancher aus der Fahrbahn getragen. Immerhin: Der kürzlich verabschiedete Standard des Roundtable on Sustainable Biofuels (RSB) könnte in diesem Sinne zu mehr Verkehrssicherheit beitragen.


Im Entwurf des "Leitfadens zur Herstellung von nachhaltiger Biomasse" wurde offenbar auf Drängen des Landwirtschaftministeriums die Beweislast beim Schutz sensibler Ökosysteme umgekehrt. Dies steht im Widerspruch zu den Vorgaben der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU. Bliebe der Entwurf unverändert, könnte sogar auf Grünlandflächen Biomasse angebaut und als nachhaltig zertifiziert werden, die zwischen dem Stichtag 1. Januar 2008 und dem nun kurz bevorstehenden Erlass der Verwaltungsvorschrift umgeackert wurden. Man könne ja, so die Begründung, nachträglich nicht mehr feststellen, ob das Grünland artenreich und damit besonders schützenswert gewesen sei. Nur wenn jemand das Gegenteil beweisen könne, sei das Zertifikat zu verweigern. Mehrere Umweltverbände und die Plattform "Nachhaltige Biomasse" fordern in ihren Stellungnahmen, es dabei zu belassen, dass nach dem 1.1.2008 kein Grünlandumbruch für den Biomasseanbau erfolgen darf.

Die Bundesregierung, allen voran das Bundeslandwirtschaftsministerium, steht vor der Frage: Will sie das angeschlagene Image von Bioenergieträgern durch einen fahrlässigen Umgang mit den Regeln weiter verschlechtern? Oder sollte sie nicht doch besser durch sorgfältiges Arbeiten vermeiden, dass es zu Missständen kommt, die in der Folge auch negative Folgen für vorbildlich wirtschaftende Betriebe haben? Eine lockere, flexible Auslegung von Zertifizierungskriterien könnte auch die Arbeit der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) erschweren, die für die Zulassung und Überprüfung der Zertifizierer verantwortlich ist.


Steuern auf Biokraftstoffe werden nicht abgesenkt

Die Befürworter von Biokraftstoffen hatten sich vom Regierungswechsel mehr versprochen. Nachdem es im Koalitionsvertrag noch geheißen hatte, "Die Höhe der Steuerbegünstigungen soll spätestens 2013 nach spezifischen CO2-Reduktionspotenzialen ausgelegt werden", ist die Belebung des Marktes für reinen Biosprit nun in weite Ferne gerückt. Denn die verlangte Senkung der Steuern auf Biodiesel und reines Pflanzenöl wurde von der CDU im Wachstumsbeschleunigungsgesetz blockiert. Stattdessen wurden in den vom Bundestag beschlossenen Regelungen die Steuersätze bei 18 Cent von 2010 bis 2012 eingefroren. Die Sätze werden zwar auch nicht wie bisher geplant jährlich angehoben, doch das reicht nicht aus, um den Markt für reinen Biosprit wieder zu beleben, der im Zuge vergangener Steuererhöhungen und des Anstiegs der Rohstoffpreise weitgehend zusammengebrochen war. Die Anhebung der Besteuerung hatte in den vergangenen zwei Jahren für eine Pleitewelle unter den Produzenten gesorgt.

Zwar kann es durchaus von Vorteil sein, wenn ein großer Anteil der für die Erreichung der Biokraftstoffquote benötigten Agrartreibstoffe im Inland erzeugt wird. Das würde die Notwendigkeit für Importe etwa von Palm- oder Sojaöl und Ethanol aus Zuckerrohr verringern, bei deren Erzeugung ökologischen und sozialen Aspekten allzu häufig unter die Räder kommen. Auch eine Stärkung kleiner und mittelständischer Betriebe ist eine gute Sache und wird von NGOs ja auch in Entwicklungsländern gefordert. Auf der anderen Seite aber müssen sich auch Biodieselerzeuger auf dem Markt bewähren und die Steuerzahler sind auf Dauer nicht bereit, bestimmte Branchen zu subventionieren, wenn diese im Gegenzug nicht mit entsprechenden Leistungen für das Gemeinwohl aufwarten.


Rückschlag für Biokraftstoffe der "Zweiten Generation"

Auch bei den Biotreibstoffen der sogenannten "Zweiten Generation" gab es schlechte Nachrichten. Erst vor wenigen Wochen stieg der Mineralölkonzern Shell beim Biokraftstoff-Unternehmen Choren Industries im sächsischen Freiberg aus und verkaufte seine Anteile an die anderen Gesellschafter. Die Firma, ein Konsortium vor allem von Hamburger Unternehmern sowie der Daimler AG und der Volkswagen AG, ist einer der führenden Entwickler von Biokraftstoffen der zweiten Generation und will diese zur Marktreife entwickeln. Choren erzeugt aus Zellulose mittels thermochemischer Verfahren schwefelfreien Flüssigkraftstoff. Doch der Prozess ist vergleichsweise energieaufwändig und vor 2020 werden dem Verfahren nur geringe Marktchancen eingeräumt. Zwar soll es dabei nicht zur Konkurrenz mit der Nahrungsmittelproduktion kommen, wie Befürworter sagen. Doch eine energetische Verwendung der Rohstoffe wie Holzabfälle oder Stroh auf direktem Wege (Verbrennung) ist das wesentlich effizientere und kostengünstigere Verfahren. Auto fahren kann man damit allerdings nicht. Abgesehen davon, dass auch das "Restholz" aus dem Wald und "Getreidestroh" vom Acker nicht in den erhofften Mengen zur Verfügung stehen dürften.


Subventionsabbau bei Biokraftstoffen?

In einer für das Bundesfinanzministerium erstellten Studie [1] empfiehlt das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), bei der Anhebung der Beimischungsquoten zu pausieren und jedem Druck nach höheren Zielsetzungen standzuhalten, bis nachgewiesen ist, dass und in welchem Ausmaß Biokraftstoffe tatsächlich Treibhausgas-Emissionen reduzieren können. Biokraftstoffe seien nicht die einzige Möglichkeit, die Abhängigkeit von Öl zu verringern und gleichzeitig THG-Emissionen zu reduzieren. Höhere Energieeffizienz, gefördert durch Steuermaßnahmen, sowie die bereits kräftig angestiegenen Ölpreise seien nahe liegende Möglichkeiten.

Die Studie war noch unter dem ehemaligen Finanzminister Peer Steinbrück in Auftrag gegeben worden und sollte Möglichkeiten für die Streichung von Steuervergünstigungen aufzeigen. Bei den Steuervergünstigungen für Biokraft- und Bioheizstoffe wurde für das Jahr 2008 ein Subventionsvolumen von 670 Millionen Euro festgestellt.

Doch selbst mit strikteren Maßnahmenstandards sei der Nutzen von Biokraftstoffen erster Generation hinsichtlich der Reduzierung von Treibhausgasen (THG) äußerst fraglich. Der Anstieg der Biokraftstoffnachfrage im Straßenverkehr habe weltweit zu höheren Lebensmittelpreisen geführt und somit den Vorteil der Nutzung von Biomasse - dem Rohprodukt für Biokraftstoffe - in der Kraft- und Wärmeerzeugung gesenkt, also gerade dort, wo das Potenzial für die Reduzierung von THG-Emissionen viel größer ist.


Deutsche Biogasanlagen ersetzen ein Atomkraftwerk

Es gab aber auch gute Nachrichten. So wartete die Biogasbranche kürzlich mit beeindruckenden Zahlen auf. Demnach übertrifft die Leistung der deutschen Biogasanlagen inzwischen selbst den größten der 17 deutschen Kernreaktoren. Laut aktueller Erhebung des Fachverbandes Biogas e.V. sind derzeit in Deutschland 4.344 Biogasanlagen mit einer elektrischen Gesamtleistung von 1.597 Megawatt in Betrieb. Zum Vergleich: Brokdorf, der leistungsstärkste Kernreaktor in Deutschland, besitzt eine elektrische Bruttoleistung von 1.480 MW. Der Vergleich sei in diesem Fall auch zulässig, da Biogas ebenso wie Kernkraft eine "rund-um-die-Uhr-Versorgung", die sogenannte Regelenergie liefere. Bis Ende 2009 prognostizierte der Fachverband Biogas für Deutschland einen Anlagenbestand von rund 4.500 und eine Gesamtleistung von über 1.650 Megawatt.

Biogas gilt als eine der umweltfreundlichsten Quellen für Erneuerbare Energien. Viele Anlagen werden mit dem Abfallprodukt Gülle betrieben, das Potenzial gilt als bei weitem noch nicht ausgereizt. Das hohe Gülleaufkommen ist allerdings ein Ergebnis der intensiven Tierhaltung. Der Überschuss kommt zustande, weil durch die massiven Futtermittelimporte so viele Nährstoffe importiert werden, dass unsere Äcker diese Mengen nicht aufnehmen können. Landauf, landab gibt es bereits Probleme mit Nitrat im Grundwasser und auch die Emissionen an Ammoniak haben negative Auswirkungen und gelten neben den Stickoxidemissionen des Straßenverkehrs als wichtigste Quelle der Säurebelastung, die das Waldsterben verschlimmert. Die Verwendung der Gülle in Biogasanlagen könnte auch solche Probleme etwas entschärfen, zumal der klimaschädliche hohe Fleischkonsum in unserem Land innerhalb kurzer Zeit auf ein umwelt- und gesundheitsverträgliches Niveau reduziert wird.


Roundtable on Sustainable Biofuels verabschiedet ersten Standard

In der Diskussion um Zertifizierungsstandards hat nun der Roundtable on Sustainable Biofuels (RSB) die "Version One" seines Standards verabschiedet [2]. Darin finden sich die Prinzipien und Kriterien, Indikatoren und Definitionen, das Zertifizierungssystem und alle damit zusammenhängenden Standards. Sollte der Standard von der EU anerkannt werden, wäre der Weg frei, um auf eine Vereinheitlichung weltweit anspruchsvoller Zertifizierungsstandards hinzuarbeiten. Das System soll nun in die Versuchsphase gehen. Für das Zertifizierungssystem ISCC der Meó GmbH [3] wird es im Januar ernst. Für den 26.1.2010 ist die Gründungsversammlung geplant. Das Projekt wird gefördert durch eine Zuwendung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz / Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V.


Der Autor ist Koordinator der Plattform "Nachhaltige Biomasse" und Koordinator der AG Wald im Forum Umwelt und Entwicklung.


Anmerkungen
[1] http://www.zew.de/de/topthemen/meldung_show.php?LFDNR=1339&KATEGORIE=TOP
[2] http://cgse.epfl .ch/page84341.html
[3] http://www.iscc-project.org/aktuelles


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2009, S. 12-13
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Februar 2010