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ERNÄHRUNG/091: Fischkonsum nimmt rapide zu - Naturschützer fordern nachhaltige Aquakultur (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. Juli 2010

Umwelt: Fischkonsum nimmt rapide zu - Naturschützer fordern nachhaltige Aquakultur

Von Matthew Berger


Washington, 27. Juli (IPS) - In diesem Jahr könnte die Welt erstmals mehr Fisch und andere Meeresfrüchte aus Farmen als aus Wildbeständen verzehren. Die Produktionstechniken haben große Fortschritte gemacht, die Nachfrage steigt und die wilden Fischbestände gehen weiter zurück. Umweltexperten dringen daher darauf, die Aquakultur nachhaltiger zu gestalten.

Die Meere sind überfischt, aber die Weltbevölkerung wächst und hat Hunger. Fischfarmen haben den zusätzlichen Bedarf bisher weitgehend decken können. Die Nachfrage dürfte jedoch deutlich weiter ansteigen: Die UN-Agrar- und Ernährungsorganisation (FAO) geht davon aus, dass bis 2030 zusätzliche 37 Millionen Tonnen Fisch aus Farmen benötigt werden.

Aquakultur ist der am schnellsten wachsende Bereich der Lebensmittelindustrie: Kamen 1950 noch eine Million Tonnen Fisch aus Aufzuchten, sind es heute mehr als fünf Mal so viel. Weltweit beläuft sich das Geschäft auf rund 80 Milliarden Dollar. Die zahlreichen Umweltprobleme, die daraus entstanden, wurden lange ignoriert.

"Bei einem derart rasanten Wachstum, zum größten Teil in den Entwicklungsländern, lässt sich oft eine Konzentration auf Expansion und technologischen Fortschritt beobachten", sagte Jose Villalon, Chef der Umweltorganisation WWF in den USA. "Umweltschutz, Nachhaltigkeit und die Minimierung der Auswirkungen auf die Natur und die Gesellschaft werden dagegen vernachlässigt."


Aus Drei mach Eins

Die negativen Auswirkungen sind bekannt. Für die Lachsfarmen müssen große Mengen Wildfische gefangen und zu Futter verarbeitet werden - bis zu drei Kilo für ein Kilo Lachs. Der Kot, die eingesetzten Antibiotika und die Zusatzstoffe, die das Fischfleisch rosa färben, belasten die Umwelt. Gelangen Farm-Lachse in Freiheit, können sie Wildbestände mit Krankheiten infizieren und genetisch beeinträchtigen.

Andere Spezies sind nicht ganz so problematisch, aber keinesfalls unbedenklich. Und immer noch wächst die Industrie schneller, als neue, nachhaltigere Produktionsmethoden entwickelt und strengere Auflagen in Kraft gesetzt werden.

Villalon, der selbst 26 Jahre Erfahrung als Krabbenfarmer hat, ist dennoch optimistisch. Zwar werde immer noch rund ein Drittel aller Wildfische gefangen, um Futter für Fischfarmen zu produzieren, doch brauche man inzwischen wesentlich weniger Futter für ein Kilo Lachs. Bei Krabben sehe es ähnlich aus, erklärte er.


Gütesiegel für Industriefisch

Der WWF arbeitet mit anderen Nichtregierungsorganisationen und der Industrie an Kriterien für nachhaltige Aquakultur. Auf Basis der erarbeiteten Standards soll ein Gütesiegel für die Industrie entwickelt werden. Die für verschiedene Spezies unterschiedlichen Maßstäbe stehen teilweise bereits fest.

Sieben klar messbare Bedingungen werden für die Erteilung des Siegels abgeprüft, es soll keine Grauzonen geben. "Entweder erfüllt man die Kriterien oder nicht", sagte Villalon.

Rückhalt erfahren die Umweltschützer auch aus der Politik. Gerade erst hat die kanadische Regierung für die Provinz British Columbia schärfere Richtlinien für Fischfarmen erlassen. Zuvor hatte ein Gericht festgestellt, dass Betriebe vor der Küste Auswirkungen auf den Pazifik haben und daher unter Bundesrecht fallen.

Auch in Washington sind Bemühungen im Gang, die Aquakultur nachhaltiger zu machen. Da die Vereinigten Staaten aber rund ein Fünftel ihrer konsumierten Meeresfrüchte importieren, ist ein internationaler Ansatz wichtig. Das 'Accredited Standards Committee' (ASC), das international die Industriestandards festlegt, wird sich voraussichtlich Mitte 2011 der Aufgabe stellen. (Ende/IPS/sv/2010)


Links:
http://www.ascworldwide.org/
http://www.worldwildlife.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52218

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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juli 2010