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FORSCHUNG/544: 70 Jahre Biologischer Pflanzenschutz in Darmstadt - Wie alles begann und sich entwickelte (idw)


Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen - 02.11.2018

70 Jahre Biologischer Pflanzenschutz in Darmstadt: Wie alles begann und sich entwickelte

Deutschlandweit einzigartiges Fachinstitut des Bundes unter dem Dach des Julius Kühn-Instituts (JKI) feiert Jubiläum


Schuld ist der Kartoffelkäfer, dessen Einschleppung nach Europa im 19. Jahrhundert und die erheblichen Bemühungen bereits vor dem 2. Weltkrieg, seine Ausbreitung zu verhindern (Stichwort: Kartoffelkäfer-Abwehrdienst) (1). 1948 wurde aufgrund eines Vorschlags der damaligen Biologischen Zentralanstalt (heute Julius Kühn-Institut) und der Zustimmung des Wirtschaftsrat in Darmstadt das "Institut für Kartoffelkäfer-Forschung und -Bekämpfung" gegründet. Bereits 4 Jahre später regte der Deutsche Bundestag eine Umbenennung in "Institut für Kartoffelkäfer-Forschung und biologische Schädlingsbekämpfung" an. Das Forschungsprogramm besagte, dass biologische Verfahren zur Bekämpfung schädlicher Insekten und Milben entwickelt werden sollten. Geleitet von Dr. Drees und wenigen Mitarbeitern wurde im kriegszerstörten Darmstadt das Fundament der biologischen Pflanzenschutzforschung in Deutschland gelegt.


Abb.: © JKI-Archiv

Postkarte mit Bild des 1. festen Standortes in der Oetinger-Villa in Darmstadt un den damals fünf Wissenschaftlern, Aufnahme: Ende 1950er Jahre
Abb.: © JKI-Archiv

In den 1950er Jahren erfolgte der weitere Aufbau des Instituts in der Oetinger Villa in Darmstadt und die thematische Ausweitung der Forschungsarbeiten. Die Wissenschaftler betraten damals in den meisten Bereichen unerforschte Gebiete und leisteten mit enormen Elan Pionierarbeit. So gelang ihnen 1954 der erste erfolgreiche Freilandversuch in Europa, bei dem Insektenviren zur Bekämpfung der Roten Kiefernbuschhornblattwespe eingesetzt wurden.


Abb.: © JKI-Archiv

Besuch des Landwirtschaftsministers Lübke am Institut f. biologische Schädlingsbekämpfung am 16.3.1958
Abb.: © JKI-Archiv

Prof. Dr. Jost Franz, der an natürlichen Feinden von Forstschädlingen forschte und zu jener Zeit international ungewöhnlich gut vernetzt war, leitete das Institut von 1953 bis 1980, ganze 27 Jahre lang. Unter seiner Ägide erfolgte 1955 die Umbenennung in "Institut für biologische Schädlingsbekämpfung". Seit dieser Zeit, also lange vor der Ökobewegung, erforscht und untersucht das Institut ausschließlich biologische Verfahren und ist bis heute das einzige staatliche Fachinstitut in Deutschland mit dieser Spezialausrichtung. Mit dem Umzug Ende 1971 an den derzeitigen Standort in der Darmstädter Heinrichstraße vergrößerte sich das Institut auch personell und konnte so die Forschung intensivieren und sich gleichzeitig stärker der Umsetzung der Methoden in die Praxis zuwenden. Jetzt arbeiteten neun Wissenschaftler und 18 technische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor allem an der Diagnose von Insektenkrankheiten, der Massenzucht von nützlichen Gegenspielern und der Erforschung von Bakterien-, Pilz- und Viruskrankheiten zur biologischen Bekämpfung von Schaderregern.

1972 publizierten der Institutsleiter Prof. Franz und der Wissenschaftler Dr. Krieg erstmals im deutschsprachigen Raum ein Buch zu allen bekannten Facetten der Biologischen Schädlingsbekämpfung. Zwei weitere Auflagen folgten sowie 1989 ein Lehrbuch zum Thema.

Mit dem neuen Leiter Prof. Dr. Fred Klingauf (1980-1988) erweiterten sich die Forschungen auch auf die Wirkung von Pflanzeninhaltsstoffen auf Schadorganismen. Von 1988 bis zu seinem Ruhestand im Jahr 2001 leitete Klingauf dann als Präsident die Geschicke der gesamten Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) von Braunschweig aus. Seinen Platz als Institutsleiter in Darmstadt nahm Dr. Jürg Huber ein. Da es am Institut inzwischen auch um die biologische Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten geht, trägt es seit 1991 den jetzigen Namen "Institut für Biologischen Pflanzenschutz". Allerdings wurde 2008 aus der "Mutter"organisation BBA nach einer vom Bundeslandwirtschaftsministerium durchgeführten Reorganisation das heutige Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen.

Seit dem Jahr 2010 leitet Prof. Dr. Johannes Jehle das Darmstädter Institut. In seine Amtszeit fällt erneut eine große Veränderung: Ein großer Neubau am JKI-Standort Dossenheim (bei Heidelberg) läutet das Ende der Darmstädter Ära des Fachinstituts ein. Voraussichtlich ab 2021 werden die für Deutschland einmaligen Forschungsarbeiten in neuen Räumen weitergeführt und so dem biologischen Pflanzenschutz neue Möglichkeiten eröffnet.

Viele am Institut erforschte und entwickelte Verfahren sind inzwischen unverzichtbar in der Pflanzenschutzpraxis.


(1) Die spannende Geschichte des Käfers und das jahrzehntelange enorme Bemühen der Aufklärung der Bevölkerung und der Bekämpfung sind dargestellt in: "Mitteilungen aus der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft, Heft 341, Berlin 1998: 100 Jahre Pflanzenschutzforschung - Der Kartoffelkäfer in Deutschland". Die Geschichte des Instituts von 1948-1998 mit zahlreichen Beispielen aus seiner erfolgreichen Arbeit findet sich in "Mitteilungen aus der Biologischen Bundesanstalt für Land-und Forstwirtschaft, Heft 344, Seite 65-79, Berlin 1998. Beide zum Download verfügbar.


Weitere Informationen finden Sie unter
https://www.julius-kuehn.de/bi/70-jahre-biologischer-pflanzenschutz/
https://ojs.openagrar.de/index.php/MittBBA/issue/archive?issuesPage=3#issues
- Download Heft 341 und 344 zur Geschichte

Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/de/news705218
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution248

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen - 02.11.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2018

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