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GEFAHR/046: Gift vom Acker (ROBIN WOOD magazin)


ROBIN WOOD magazin - Nr. 114/3.2012

Gift vom Acker

von Christiane Weitzel, Schwedt



In Argentinien, in den USA und wie hier auf dem Bild in Brasilien werden gentechnisch veränderte Sojabohnen mit dramatisch hohen Mengen an Pestiztiden gespritzt, die als Hauptwirkstoff Glyphosat enthalten. Anschließend lassen sich Rückstände dieses Gifts im Pflanzengewebe nachweisen. Jahr für Jahr werden Millionen Tonnen Soja als Futtermittel in die EU exportiert. Jetzt soll auch in der EU der Anbau von Gen-Soja genehmigt werden.

Raps und Mais auf dem Acker, so weit das Auge reicht, hat Hochkonjunktur in Deutschland. Die konventionelle Landwirtschaft gefährdet dramatisch die Artenvielfalt. Damit kein anderes Pflänzchen in diesen Monokulturen hochkommen kann, wird massiv zur Giftspritze gegriffen. Verseuchte Gewässer und Pestizide im Urin sind das Ergebnis.

Die "gute fachliche Praxis" in der bundesdeutschen Landwirtschaft lässt zu, das massenhaft so genannte Pflanzenschutzmittel auf die Äcker gespritzt werden. Es sind Giftstoffe (Pestizide), sie dienen der Vernichtung von Unkraut (Herbizide) oder schützen vor Fraßinsekten (Insektizide). Gleichzeitig schädigen sie zahlreiche andere Lebewesen auf den Feldern. Die Artenvielfalt schrumpft und der Boden verliert seine Fähigkeit, organische Substanzen abzubauen und das Wasser zu reinigen. Ein Teil der giftigen Stoffe landet irgendwann in unserem Trinkwasser - oder, wenn die Pflanzen sie aufnehmen, in unserer Nahrung. Besonders gefährdet sind die BäuerInnen, die regelmäßig mit den giftigen Stoffen hantieren. Aber auch wer in der Nähe von pestizidbehandelten Feldern lebt, bekommt mit dem Wind die Giftfracht ab. Und nicht nur die Nachbarn, auch alle anderen, die weit entfernt wohnen, sind durch Schadstoffe in Nahrungsmitteln gefährdet. Zwar finden regelmäßig Kontrollen unserer Lebensmittel statt, aber die Fülle der Wirkstoffe, die Vielfalt unserer Lebensmittel und deren unterschiedliche Produktionsorte sind zu groß, um einen sicheren Schutz zu gewährleisten. Da zudem an den Kontrollen gespart wird, kommt es immer wieder zu erhöhten Pestizidrückständen und Grenzwertüberschreitungen in unseren Lebensmitteln. Auch über den Umweg des Tierfutters können Pestizide in unsere Nahrung gelangen. In Amerika werden besonders Sojabohnen mit dramatisch hohen Mengen des Unkrautvernichtungsmittels Roundup gespritzt. Da Unkräuter im Laufe der Jahre resistent werden, muss immer mehr und immer öfter gespritzt werden. Die Soja-Pflanzen sind genetisch so verändert, dass sie gegen Roundup, mit dem Wirkstoff Glyphosat, unempfindlich sind. Jetzt ist es aber so weit, dass sich - entgegen der Beteuerungen der Herstellen - Rückstände des Gifts im Pflanzengewebe nachweisen lassen. Allerdings ist der analytische Nachweis schwierig, denn Glyphosat hat eine ähnliche Struktur wie Aminosäuren, die ja natürlicherweise vorkommen.

Glyphosat galt lange als ungefährlich für Menschen und Tiere, da es in der Pflanze ein Enzym blockiert, das bei Tieren nicht vorkommt. Das erwies sich jedoch als großer Irrtum. Inzwischen weiß man, dass Glyphosat bei allen bisher untersuchten Tierarten und auch beim Menschen die Embryonalentwicklung stört und zu Missbildungen führt. Gelangt es durch Abschwemmen in ein Gewässer, sterben die sich dort entwickelnden Kaulquappen, Insektenlarven und anderen Kleintiere ab.


Kein Leben mehr im Boden

In der Bundesrepublik wird das Totalherbizid Roundup mittlerweile in der konventionellen Landwirtschaft fast flächendeckend eingesetzt. Jährlich kommen etwa 5.000 Tonnen auf die Äcker. Dazu kommen andere Pestizide, ebenfalls in riesigen Mengen. Welche Folgen das haben kann, zeigt ein Beispiel aus der Uckermark: In Stabeshöhe bei Boitzenburg erstattete im Juni 2011 eine empörte Bürgerin Anzeige gegen die fortschreitende Umweltverseuchung durch den exzessiven Anbau von Mais in Monokultur (1). Sybilla Keitel lebt in dem idyllischen Dörfchen und beobachtete, wie in den letzten Jahren die Artenvielfalt in ihrer Umgebung dramatisch schwand. Den Anfang dieser Entwicklung markiert für sie der Bau zahlreicher Biogasanlagen. Um sie zu "füttern", wurden auf den Äckern rund um ihr Dorf die lokalen Feldfrüchte Roggen, Weizen und Gerste durch riesige Mais- und Rapsäcker ersetzt und mit Herbiziden flächendeckend behandelt. Sybilla Keitel beklagt, dass alle Maisäcker jedes Jahr mit Roundup und andere Substanzen regelrecht totgespritzt würden. "In diesen Äckern ist kein Regenwurm und auch sonst kein Bodenlebewesen mehr zu finden!" Sie wandte sich mit dem Problem an die zuständigen Behörden - ohne Gehör zu finden. Da riss ihr der Geduldsfaden und sie ließ Wasserproben eines kleinen Teichs mitten in den Monokulturen von einem Berliner Labor untersuchen. Das alarmierende Ergebnis: In der Wasserprobe wurden bis auf einen Stoff alle Grenzwerte für Pestizide im Trinkwasser dramatisch überschritten. Der Wert für Glyphosat war mehr als doppelt so hoch, das ebenfalls giftige Abbauprodukt AMPA überschritt den Grenzwert um das 17-fache. Ein weiteres Herbizid, Terbuthylazin, lag in 120-facher und zwei weitere Herbizide in 60-facher Konzentration vor. Sogar das inzwischen verbotene Simazin wurde nachgewiesen.

Der Landwirt, der das betroffene Gebiet bewirtschaftet, hatte bis zur Beprobung vier Jahre in Folge Mais in Monokultur angebaut. Nach Bekanntwerden der dramatischen Belastung erhielt er von den Behörden lediglich die Auflage, um den kleinen Teich einen Grünstreifen von drei Metern Breite anzulegen, der von ihm nicht bearbeitet und gespritzt werden darf. Eine lächerliche Maßnahme angesichts der drohenden Gefahr durch die verharmlosend als Pflanzenschutzmittel bezeichneten Giftstoffe. Eine rechtliche Handhabe gegen diese Umweltsauerei gibt es kaum, sie wäre auch für eine einzelne Bürgerin wie Sybilla Keitel zu teuer. Das Problem ist eine mangelhafte Gesetzgebung.


Augen auf beim Brötchenkauf

Anfang Juli 2012 meldete das Umweltinstitut München, ein unabhängiges Institut zur Erforschung von Umweltbelastungen, dass jetzt im Sommer das frisch geerntete Getreide hohe Mengen an Pestiziden enthalten würde. Der Grund ist eine Gesetzeslücke für ein als Sikkation bezeichnetes Verfahren: Um das Getreide zum gewünschten Termin reif werden zu lassen und das Getreidefeld für die Ernte von allen Unkräutern zu befreien, spritzen die Landwirte nur wenige Tage vor der Ernte Mittel mit Glyphosat auf die Felder. Nach Angaben des Umweltinstituts würde eine Kontrolle des Getreides auf Giftrückstände so gut wie gar nicht stattfinden: Zwischen 2002 und 2010 wurden insgesamt nur 42 Proben untersucht. Das Umweltinstitut fordert Futtermittelhersteller, Mühlen und Bäcker auf, sich bei ihren Lieferanten für eine giftfreie Erzeugung einzusetzen. Die VerbraucherInnen sollten beim Einkauf verlangen, dass Brot und Brötchen nur aus Getreide stammen, das keine Vorernte-Spritzung erhalten hat. Noch sicherer ist es allerdings, wenn die KonsumentInnen auf ökologisch erzeugte Lebensmittel umsteigen, bei denen von vornherein auf den Einsatz synthetischer Giftstoffe verzichtet wird.

Monika Krüger von der Uni Leipzig erforscht eine sichere Methode zum Nachweis von Glyphosat. Auf der Suche nach einer Nullprobe wählte sie eine Berliner Bevölkerungsgruppe aus, die nachweislich keinen direkten Kontakt zur Landwirtschaft und Glyphosatpräparaten hatte. Von den Angestellten, JournalistInnen und AnwältInnen aus Berlin wurden im Dezember vergangenen Jahres Urinproben untersucht. Das Erschreckende: In allen Proben wurde Glyphosat nachgewiesen. Die Werte lagen um das 5- bis 20-fache über dem Grenzwert von Trinkwasser. Die Analysenergebnisse wurden inzwischen unabhängig mit einer zweiten Methode bestätigt. Anja Sobczak, Landwirtschaftsreferentin beim Münchener Umweltinstitut, ist überzeugt, dass die Kontamination nur durch Lebensmittel erfolgt sein kann. Offensichtlich reichert sich das Glyphosat in der Nahrungskette an und wird nicht so rasch abgebaut (2). Jetzt untersucht die Universität Leipzig die Glyphosatkonzentration im Urin von 100 weiteren Probanden. Diese führen gleichzeitig Protokoll über ihre Ernährung während der Untersuchung. Die Proben werden anschließend von zwei Laboren mit drei unterschiedlichen Methoden analysiert, um belastbare Ergebnisse zu erhalten. (3)

Es wird klar, dass die "gute fachliche Praxis" in der Landwirtschaft absolut ungenügend ist, um gesunde Lebensmittel zu produzieren und den Schutz von Mensch und Umwelt zu gewährleisten.

1) www.bund.net/themen_und_projekte/chemie/pestizide/gefahr_fuer_die_natur,
2) http://verseuchtefelder.wordpress.com
3) Unabhängige Bauernstimme, Nr. 353, März 2012, Glyphosat - unser täglich Gift? Jana Werner, Bionachrichten 3, Juni/Juli 2012

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Vom Winde verweht...
Pestizid-Abdrift kann uns alle betreffen. Über Abdrift gelangt der feine Sprühnebel auf Obst und Gemüse in Nachbarflächen, auf Spielflächen von Kindern und auf Anbauflächen angrenzender Bio-Betriebe. Immer wieder melden sich betroffene Menschen bei PAN Germany, dem Pestizid Aktions-Netzwerk in Hamburg, und berichten über gesundheitliche Beeinträchtigungen und über Schäden an ihren Pflanzen. Den Bundesbehörden fehlt es nach eigenen Angaben an verlässlich dokumentierten Fällen, den Betroffenen fehlt es an Hilfestellung und einer Anlaufstelle, der sie ihre Erlebnisse schildern können. Deshalb hat PAN einen einfachen Meldebogen online gestellt, mit dem Betroffene ihren Abdrift-Fall schildern können. PAN will diese Angaben dazu nutzen, um auf das Problem der Pestizid-Abdrift aufmerksam zu machen und Maßnahmen zum Schutz von Betroffenen und der Umwelt vor Pestizid-Abdrift auf politischer Ebene einzufordern.
http://www.pan-germany.org/download/PAN_Meldebogen_Pestizid-Abdrift.pdf

Giftiges Glyphosat auf dem Teller
Glyphosat ist der Hauptwirkstoff des weltweit am häufigsten eingesetzten Herbizids, bekannt unter dem Namen Roundup von Monsanto. Seit 1996 wird glyphosatresistente Gensoja in großen Mengen in Europa als Futtermittel eingesetzt. Über Eier, Milch und Fleisch gelangt Glyphosat auf unsere Teller, ebenso wie der in Glyphosat-Mischungen enthaltene Zusatzstoff POEA sowie das Abbauprodukt AMPA. Letztere sind giftiger als Glyphosat selbst. Studien belegen gravierende gesundheitliche Risiken schon bei geringsten Konzentrationen. Nachgewiesen ist die Schädigung der Embryonalentwicklung. Besonders besorgniserregend sind Hinweise auf eine hormonelle Wirkung. Auch Krebs, Zelltod, Fruchtbarkeitsstörungen, Schädigung des Erbguts, des Immunsystems, der Leber und des Nervensystems zählen zu den möglichen Folgen. Das Umweltinstitut München fordert den Verkauf glyphosathaltiger Pflanzengifte an Privatpersonen und den Einsatz dieser Gifte in der Landwirtschaft zu verbieten. Außerdem soll der Import genmanipulierter und anderer mit dem Gift behandelter Lebens- und Futtermittel sofort gestoppt werden. Das Sikkationsverfahren muss verboten werden. Über 40.000 besorgte Bürgerinnen und Bürger haben sich bereits an der Protestaktion des Umweltinstituts München e.V. beteiligt.
http://umweltinstitut.org/roundup_verbieten

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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 114/3.2012, Seite 12-18
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Oktober 2012