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GENTECHNIK/735: Forum Bioethik - Klone im Stall? (Deutscher Ethikrat)


Deutscher Ethikrat

Infobrief - No 3, November 2009 Informationen und Nachrichten aus dem Deutschen Ethikrat

Forum Bioethik: Klone im Stall?


Seit die Debatte um "Klonfleisch" im Sommer Schlagzeilen machte, gibt es auch in Deutschland Diskussionen über die Klonierung von Nutztieren in der Landwirtschaft. Mit diesem Thema befasste sich der Deutsche Ethikrat am 21. Oktober 2009 im Rahmen seiner vierten öffentlichen Abendveranstaltung.


Etwa 200 Gäste waren gekommen, um die Vorträge des Tiermediziners Heiner Niemann und der Ethikerinnen Eve-Marie Engels und Hille Haker zu verfolgen und sich an der anschließenden Podiumsdiskussion mit Verbraucher- und Verbandsvertretern zu beteiligen.

In den USA findet man seit 2008 Lebensmittel von Nachkommen geklonter Tiere im Kühlregal. In Europa ist das nicht der Fall, denn die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hält solche Produkte für gesundheitlich unbedenklich (siehe Infokasten, S. 5). Der Vorschlag der EU-Kommission, die Einfuhr des Fleisches von Nachkommen geklonter Tiere der europäischen Novel-Food-Verordnung zu unterstellen, die bereits seit 1997 den Umgang mit "neuartigen Lebensmitteln" regelt, zielt nur auf die Überprüfung der Gesundheitsaspekte des Klonfleischs für den Menschen ab. Es gibt jedoch neben solchen Sicherheitsbedenken auch andere, vor allem ethische Vorbehalte gegenüber der Nutztierklonierung, sagte die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Christiane Woopen, zur Eröffnung der Veranstaltung.

Im Fokus des Forums sollten Aspekte des Tierschutzes, der Tiergesundheit sowie grundlegende ethische sowie auch rechtliche und wirtschaftliche Fragen stehen.


Die Methode

Zum Auftakt der Veranstaltung führte Heiner Niemann vom Institut für Nutztiergenetik am Friedrich-Löffler-Institut in Neustadt in den aktuellen Stand der Forschung, die Technik und die Anwendungsperspektiven der Säugetierklonierung ein. Niemann erläuterte die Methode des somatischen Zellkerntransfers, mit der 1997 zum ersten Mal erfolgreich ein erwachsenes Säugetier, das Schaf Dolly, geklont worden war. Durch die Übertragung einer Körperzelle eines erwachsenen Tieres in eine entkernte Eizelle, deren eigenes Erbmaterial zuvor entfernt worden ist, entstand ein entwicklungsfähiger Embryo: Der Zellkern der erwachsenen Zelle wird durch die Botenstoffe in der entkernten Eizelle derart umprogrammiert, dass er wieder alle Zelltypen des Körpers bilden und das komplette entwicklungsbiologische Programm durchlaufen kann. Seit Dolly sind zahlreiche Säugetiere verschiedener Arten geklont worden. Niemanns Schätzung zufolge ist das Klonen bisher weltweit bei knapp 4000 Rindern, 400 Schafen und 600 Ziegen sowie bei 800 Schweinen gelungen.

Allerdings ist die Effizienz des Klonierungsprozesses nach wie vor gering. Die größten Erfolge sind bei Rindern zu verzeichnen und selbst hier überleben nur 15 bis 20 Prozent der geklonten Embryonen. Das größte Problem stellt die hohe Fehlgeburts- und Neugeborenensterblichkeitsrate dar, die Niemann vor allem auf die fehlerhafte Interaktion zwischen der entkernten Eizelle und der Spenderzelle sowie auf genetische Schäden an der Spenderzelle zurückführt. Weitere Probleme seien die überdurchschnittliche Größe mancher Klontiere, die Kaiserschnitte nötig machen, sowie eventuell vorzeitige Alterungsprozesse. Zwischen überlebenden Klonen und konventionell gezeugten Tieren könne man bisher jedoch keine gesundheitlichen Unterschiede feststellen, so Niemann.

Er sprach sich für das Klonen von Nutztieren aus, nicht nur aufgrund der Möglichkeit, mithilfe dieser Technik besonders hochwertige Zuchttiere zu erhalten, sondern auch, weil die Technik die Herstellung transgener Tiere erleichtere, indem nützliche artfremde Gene in Zellkulturen eingeschleust und aus diesen Zellen dann Embryonen geklont werden. Hiermit könne man künftig beispielsweise als Spender für die Xenotransplantation geeignete Tiere klonen oder die Produktion von bestimmten Nährstoffen oder Medikamenten im Fleisch oder in der Milch ermöglichen.


Der Tierschutz

Eve-Marie Engels, Inhaberin des Lehrstuhls für Ethik in den biowissenschaften an der Universität Tübingen, zeichnete ein deutlich kritischeres Bild. Sie lehnt das Klonen von Säugetieren ab, weil es sich dabei um eine unnatürliche Fortpflanzungsmethode handele, die vor allem durch die hohe Sterblichkeit, Fehlgeburten und Kaiserschnitte großes zusätzliches Leid für hochempfindsame Tiere mit sich bringe, und zwar sowohl für die Klontiere selbst als auch für die Leihmütter. Laut Engels gibt es neben der Pflicht zur indirekten moralischen Berücksichtigung von Tieren, weil sie für uns nützlich sind, auch eine Pflicht zur direkten moralischen Berücksichtigung, die sich auf die Würde der Kreatur gründet. Allen Lebewesen stehe eine Schutzwürdigkeit um ihrer selbst willen zu, die mit steigender Empfindungsfähigkeit des Tieres immer stärker werde. Dieser Gedanke finde seinen Niederschlag auch im Tierschutzgesetz: Niemand dürfe einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen (siehe Infokasten, S. 5).

Die wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Interessen, die hinter dem forcierten Klonen von Nutztieren stehen, seien ihrer Ansicht nach kein solcher vernünftiger Grund, da die konventionelle Tierzucht und Biotechnik genügend Alternativen biete, die gleichen Ziele zu erreichen, sagte Engels. Zudem könne die routinemäßige Nutztierklonierung zu einer Verrohung unserer Einstellung gegenüber Tieren führen. Weitere negative Konsequenzen seien in den Bereichen des Verbraucherschutzes und der wirtschaftlichen Gerechtigkeit zu befürchten.


Die europäische Perspektive

Hille Haker, Professorin für Moraltheologie und Sozialethik an der Universität Frankfurt (Main) und Mitglied der Europäischen Gruppe für Ethik in Wissenschaft und neuen Technologien bei der EU-Kommission (EGE), griff insbesondere diese wirtschaftlichen und verbraucherbezogenen Aspekte auf, indem sie die europäische Perspektive beleuchtete und die Stellungnahme der EGE zur Nutztierklonierung vorstellte (siehe Infokasten, S. 5).

Da sich die Nutztiergewinnung aus Klontieren international immer weiter verbreite und die Welthandelsorganisation vorgebe, dass einzelne Länder nur dann Importverbote aussprechen können, wenn Gesundheits- oder Umweltrisiken nachgewiesen werden könnten, habe sich die Debatte in Europa bisher vorwiegend auf die Sicherheitsaspekte des "Klonfleisches" beschränkt.

Die EGE sei jedoch auch zu dem Schluss gekommen, dass Nutztierklonierung derzeit ethisch nicht gerechtfertig sei, zum einen aus den genannten tierethischen Erwägungen heraus, zum anderen, weil Klone aufgrund ihrer fehlenden genetischen Vielfalt noch anfälliger gegenüber Seuchen seien als durch konventionelle Zucht produzierte Tiere. Mit dem Klonen würden zudem - zumindest ohne klare Kennzeichnung - Verbraucherrechte beschnitten. Außerdem sehe man die Gefahr einer steigenden Zahl von Patentierungen durch Klonfirmen und einer damit verbundenen Monopolbildung, wodurch die wirtschaftlichen Abhängigkeiten gerade in armen Ländern verschärft und die globale Gerechtigkeit weiter unterhöhlt werden könnten.

Diese Bereiche müssten bei einem geplanten Import von Produkten, die aus Nachfahren von geklonten Tieren gewonnen würden, berücksichtigt werden. Es sei sinnvoll, auf allen Ebenen weiter zu forschen, sagte Haker. In der ethischen Abwägung sei für sie persönlich letztlich entscheidend, dass Bürgerrechte Priorität vor Handelsrechten hätten, regionale Landwirtschaft vor globaler Landwirtschaft und dass das Vorsorgeprinzip gebiete, vor der Vermarktung des "Klonfleischs" eine angemessene Risikoforschung zu betreiben.


Die Diskussion

Im anschließenden, von Ethikratsmitglied Frank Emmrich moderierten Podiumsgespräch diskutierten die Referenten gemeinsam mit Stefan Etgeton vom Verbraucherzentrale Bundesverband und Dettmar Frese von der Firma Masterrind in Verden über diese Abwägungsfragen. Etgeton teilte die Skepsis der beiden Ethikerinnen und bezweifelte zudem, dass die von Niemann in Aussicht gestellten Verbesserungen in der Fleischqualität durch den Einsatz von Klontechnik wirklich eintreten werden. Frese hingegen argumentierte, dass Klonen vor allem in der Ressourcensicherung gerechtfertigt sei, wenn es dem Erhalt von außergewöhnlich guten Zuchttieren diene, und gerade dies könne man durch den Erhalt von Geschwistern oder Nachkommen solcher Tiere - selbst wenn sie als Embryonen eingefroren werden - nie so präzise erreichen.

Aus dem Publikum gab es Nachfragen zur genaueren Bewertung der zu erwartenden Vor- und Nachteile. Ein Teilnehmer wollte wissen, wie viel größer das Tierleiden in der Klonproduktion im Vergleich zur konventionellen Massentierhaltung überhaupt sein könne. Engels verwies insbesondere auf das zusätzliche Leid während und kurz nach der Schwangerschaft. Auf die Fortschritte in der Technik angesprochen, antworteten Niemann und Frese, dass der Verbrauch an Embryonen und die Fälle von unnatürlich großen Feten bereits gesunken seien und sich dieser Trend vermutlich fortsetzen werde. Eine der Fragen nach den ethischen Aspekten einer nachhaltigen Landwirtschaft beantwortete Haker: "Wichtig ist die Einordnung in die Sozialtheorie, die sich um Gerechtigkeitsaspekte Sorgen macht: Stelle ich mich auf die Züchterseite oder auf die Seite derjenigen, die hungern?" (Sc)

Info

Quelle

EFSA-Gutachten "Lebensmittelsicherheit, Tiergesundheit und Tierschutz und Auswirkungen auf die Umwelt von mittels somatischem Zellkerntransfer geklonten Tieren und deren Nachkommen und aus solchen Tieren gewonnenen Erzeugnissen": http://www.efsa.europa.eu/EFSA/efsa_locale- 1178620753824_1211902019540.htm

Tierschutzgesetz: http://bundesrecht.juris.de/tierschg/

EGE-Stellungnahme
"Ethical aspects of animal cloning for food
supply":
http://ec.europa.eu/european_group_
ethics/activities/docs/opinion23_en.pdf

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
Fotos obere Reihe, v. l. n. r.: Der Referent und die Referentinnen des Abends: Prof. Dr. Heiner Niemann, Prof. Dr. Eve- Marie Engels und Prof. Dr. Hille Haker; Fotos untere Reihe: Dr. Stefan Etgeton, Prof. Dr. Frank Emmrich und Dr. Dettmar Frese diskutierten auf dem Podium mit den Referenten und dem Publikum


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Quelle:
Deutscher Ethikrat
Infobrief No 3, November 2009, Seite 4-5
Herausgeber: Geschäftsstelle des Deutschen Ethikrates
Sitz: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
Jägerstr. 22/23, 10117 Berlin
Telefon: 030/203 70-242, Telefax: 030/203 70-252
E-Mail: kontakt@ethikrat.org
Internet: www.ethikrat.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Mai 2010