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MELDUNG/021: NABU begrüßt ministeriellen Erlassentwurf für ein Umbruchverbot (NABU SH)


NABU Landesverband Schleswig-Holstein - 6. April 2011

Dauergrünland erhalten!

NABU begrüßt ministeriellen Erlassentwurf für ein Umbruchverbot


Neumünster, 6. April 2011: Das Landwirtschaftsministerium in Kiel hat am 3. März 2011 den Entwurf eines Erlasses herausgegeben, der in einer an den Brutbeständen von Wiesenvögeln orientierten Gebietskulisse den Umbruch von Dauergrünland in Schleswig-Holstein verbieten soll. Hintergrund sind dramatische Rückgänge von Uferschnepfen, aber auch Kiebitzen und anderen Grünland bewohnenden Arten, die nach EU-Recht ein sofortiges Handeln der Landesregierung notwendig machen, will sie die verpflichtenden Erhaltungsziele für diese Arten noch erreichen.

In Schleswig-Holstein ist zuletzt der Grünlandanteil deutlich gesunken. Seit 2003 sind mehr als 10% dieses wertvollen Lebensraums unter den Pflug gekommen. Trotz der im Jahr 2008 in Kraft gesetzten Dauergrünland-Erhaltungsverordnung wurden weitere 6.700 ha umgebrochen, da die in der Verordnung enthaltenen cross-compliance-Sanktionen bedingt durch hohe Pachtpreiszahlungen nicht greifen. Auf Eiderstedt, einem Grünland-Schwerpunkt in Schleswig- Holstein, sind wegen des Umbruchs seit 2001 die Bestände von Wiesenvögeln außerhalb von Schutzgebieten um bis zu 74% eingebrochen. Im Ostküstenbereich droht die Uferschnepfe in Kürze gänzlich auszusterben. Der NABU begrüßt das - wenn auch verspätete - Einschreiten der Landesregierung als letzte Chance, gegen das Artensterben unsere Wiesenvögel als Teil unseres Naturerbes einzuwirken.

Bauernverband und Großbetriebe opponieren derzeit im Hintergrund über die allbekannten politischen Kanäle heftig gegen den Erlass. Die von ihnen vertretenen, industriell wirtschaftenden Landwirte befürchten, nicht mehr auf potentielle zusätzliche Flächen u.a. für den Anbau von Energiemais für Agrogas-Anlagen zugreifen zu können. Am heutigen Mittwoch (6. April 2011) wird der Erlassentwurf Thema im Landwirtschaftsausschuss des Landtages sein.


NABU weist Kritik zurück

Der NABU weist die Kritik des Bauernverbandes am vorgelegten Grünlanderlass des Landwirtschaftsministeriums scharf zurück. Die geforderte Ausweitung des freiwilligen Vertragsnaturschutzes bietet keine geeignete Sicherheit, Dauergrünland zu erhalten: Das Land müsste, um eine hinreichende Attraktivität der Verträge sicherzustellen, Finanzmittel des Naturschutzes gegen Pachtpreise für den Maisanbau von teils weit über 1.000 Euro / Jahr und ha stellen. Zusätzlich erhalten Landwirte noch Zahlungen für den Anbau von nachwachsenden Rohstoffen (Nawaro-Bonus), wodurch insgesamt Einnahmen von mehr als 2.000 Euro zustande kommen können, denen finanziell aus Naturschutzmitteln nichts in der Höhe Vergleichbares entgegenzusetzen ist.

"Seit mehr als sechs Jahren hat der Bauernverband die Möglichkeit, nachzuweisen, dass seine Absage an Ordnungsrecht und die politisch motivierte Forderung nach reiner "Freiwilligkeit" für den Naturschutz positive Effekte bringen", so NABU-Landesvorsitzender Hermann Schultz. Die letzten beiden Landesregierungen haben in dieser Erwartung u.a. viele der bewährten Standards im Naturschutzrecht abgebaut und diesen Kahlschlag u.a. damit begründet, dass die Interessenvertreter der industriellen Landwirtschaft eine Offensive für den Schutz der Kulturlandschaft beginnen würden, wenn die als angeblich "überbordend" empfundenen Auflagen und Einschränkungen entfallen würden.

Desaströse Bilanz Die Umweltbilanz fällt jedoch verheerend aus: In den letzten Jahren hat der massive Abbau von Standards im Naturschutzrecht drastische Verschlechterungen für den Erhalt des schleswig-holsteinischen Naturerbes gebracht. Frühere Allerweltsarten der Kulturlandschaft wie Kiebitz, Sumpdotterblume und Feldlerche verzeichnen teils verheerende Bestandseinbrüche, die nun das Ministerium in Kiel - sonst Belangen der Landwirtschaft stets zugänglich - auf Grund von bindenden EU- Vorgaben zum Handeln zwingen. Der andauernde, massive Grünlandumbruch für den Maisanbau bedroht dabei nicht nur die dort lebenden Tier- und Pflanzenarten. Er gefährdet auch das Klima. So setzt Grünland nach dem Umbruch mind. 10 t CO2-Äquivalent pro Jahr frei. Gleichzeitig bedroht ist aber auch unser Grundwasser, da durch massive Güllefrachten aus Agrogas-Anlagen ein gesteigerter Eintrag von Nährstoffen in die Böden erfolgt. Umgebrochenes Grünland entlässt zudem für die Dauer von mindestens fünf Jahren jährlich rd. 500 kg Stickstoff ins Grundwasser.

Das Versagen des Bauernverbandes Der Bauernverband versagt darin, eigene zielführende Lösungsvorschläge für die Umwelt-Krise in der konventionellen Landwirtschaft zu benennen. Er macht es sich einfach: Der eigene Beitrag zum Klimawandel, Artenrückgang und schlechter Erhaltungszustand vieler Naturelemente werden - obwohl auch für Laien augenscheinlich - bis heute schlicht geleugnet. Agrogas- Boom und steigender Maisanbau, die mit den drastisch steigenden Pachtpreisen auch traditionell wirtschaftende Landwirte mehr und mehr aus dem Markt drängen, sind für den Bauernverband kein Thema. Der Riss, der in diesen Zukunftsfragen durch die ländliche Bevölkerung geht, wird ignoriert.

Weitreichende Konzepte, Angebote, Informationen und der Wille zum Umsteuern seitens des Bauernverbandes? Fehlanzeige! Kein Wunder, dass immer mehr Landwirte ihrer alten Ständeorganisation den Rücken kehren und der Bauernverband in vielen Regionen - gerade dort, wo noch Grünland bewirtschaftet wird - gesellschaftlich kaum noch eine Rolle spielt.

Der Bauernverband ist demgegenüber massiver Förderer des Grünlandumbruchs und der Entwicklung hin zu einer industriellen Landwirtschaft. Die Lobbyorganisation der Großbetriebe wehrt sich auf der politischen Ebene deshalb vehement dagegen, Zahlungen der EU an wirkungsvolle Umweltauflagen zu binden.

EU-Agrarsubventionen werden derzeit überwiegend nach Flächengröße der Betriebe verteilt, ohne Rücksicht auf gesellschaftlich gewünschte und erforderliche Leistungen. Konkurrenten um absehbar geringer werdende EU-Fördermittel wie die Stiftung Naturschutz werden massiv bedrängt, der Ökolandbau als éNicht-Landwirtschaftæ diffamiert. Die Nutzung der Fördermittel durch Dritte empfindet der Verband als ungerechtfertigte Inanspruchnahme von öffentlichen Mitteln, die eigentlich seinen Mitgliedern zustehen, ohne jedoch die diesbezüglichen Auflagen, die eine Subventionierung der Landwirtschaft erst gesellschaftlich rechtfertigen würden, zu akzeptieren. Jährlich fließen rund 340 Millionen Euro Direktzahlungen an Landwirte in Schleswig-Holstein, für die die Gesellschaft ihren Anspruch auf eine Gegenleistung erhebt.

Der NABU fordert vor diesem Hintergrund den Bauernverband zu einem kritischen Diskussionsprozess über den weiteren Weg auf. Für eine beratende Begleitung steht der NABU gerne zur Verfügung.


NABU-Aktion "Stunde der Gartenvögel" - www.gartenvoegel-sh.de


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Quelle:
Presseinformation, 6. April 2011
Herausgeber: Naturschutzbund Deutschland e.V.
NABU Schleswig-Holstein
Färberstr. 51, 24534 Neumünster
Tel.: 04321/53734, Fax: 04321/59 81
E-mail: info@NABU-SH.de
Internet: www.NABU-SH.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. April 2011