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POLITIK/363: BUND & Bund Naturschutz fordern, Agrarreform muss Bayern, Bauern und Umwelt helfen (BN)


Bund Naturschutz in Bayern e.V. - München, 7. September 2010 / Kategorie: Landwirtschaft

BUND und Bund Naturschutz fordern: Agrarreform muss Bayern, Bauern und Umwelt helfen


BUND und Bund Naturschutz fordern von der bayerischen Staatsregierung endlich eigene Konzepte in die Diskussion der zukünftigen Agrarpolitik einzubringen und zentralen Positionen der Zukunftskommission Landwirtschaft dabei Rechnung zu tragen.

Bei der Präsentation der Vorstellungen des BUND und des Bundes Naturschutz zur "Agrarpolitik nach 2013" wies Hubert Weiger, Vorsitzender beider Verbände, darauf hin, dass Landwirtschaftsminister Brunner zwar noch im April 2009 erklärt habe, dass der, der Einfluss nehmen wolle, früh seine Vorstellungen einbringen müsse. "Seitdem vernimmt man aber aus dem Landwirtschaftsministerium diesbezüglich nur noch Schweigen oder allenfalls die Forderung nach einem "weiter so". Über 250 Pressemitteilungen habe Brunners Presseabteilung seitdem herausgegeben, doch eine Vorstellung, wie die zukünftige Agrarpolitik und die EU-Förderung aussehen sollte, sei darunter nicht zu finden.

Bayern habe in der aktuellen Diskussion weder eigene Ideen entwickelt, geschweige denn solche auf Bundes- oder Europaebene eingebracht. Brunners Aussagen beschränken sich auf das Motto "gebt gleich viel Geld bei weniger Auflagen". Damit sei aber weder den bayrischen Bauern geholfen, noch würde man damit den gesellschaftlichen Herausforderungen gerecht, denen sich die Landwirtschaft zu stellen habe. Damit würde nur der Politik des deutschen und bayerischen Bauernverbandes Rechnung getragen und der Strukturwandel vorangetrieben.

"Dass sich ausgerechnet ein Landwirtschaftsminister aus den neuen Bundesländern, Minister Till Backhaus aus Mecklenburg-Vorpommern, am intensivsten für eine Neuausrichtung der Agrarpolitik einsetzt, ist ein Armutszeugnis, so Lutz Ribbe, Direktor von EuroNatur. Die bayerische Staatsregierung müsse ihn unterstützen, anstatt auf ein "Weiter wie bisher" zu beharren. Bei der Fortführung der bisherigen Politik ist das "Aus" der standortbezogen wirtschaftenden bäuerlichen Betriebe vorprogrammiert, wie die Entwicklung der an das Grünland gebundenen Milchwirtschaft befürchten lässt.

In Brüssel wird derzeit eine so genannte Mitteilung der EU Kommission vorbereitet, in der die Grundzüge einer neuen Agrarpolitik nach 2013 beschrieben werden. Deren Veröffentlichung ist laut Weiger für Anfang November geplant. Der Bund Naturschutz habe seine Vorstellungen direkt in Brüssel vorgetragen. Dabei habe er sich für "eine grundlegende Neustrukturierung der Agrarpolitik" ausgesprochen, von der Bayerns Bauern und Umwelt eindeutig profitieren würden.


Die Forderungen des BUND und BN zur Agrarpolitik nach 2013

Die Agrarpolitik müsse zunächst ihr Ziel klar benennen. Die Bauern als auch die gesamte Gesellschaft wollen wissen, wohin die Reise gehen soll und wofür zukünftig hohe Milliardenbeträge ausgegeben werden sollen. Die Rolle der Bauern dürfe sich nicht weiter darauf beschränken, nur möglichst billig erzeugte Rohstoffe an die Nahrungsmittel- oder Energiewirtschaft zu liefern. Als Leitbild der neuen Agrarpolitik fordert der Bund Naturschutz eine "multifunktionale, bäuerlich-ökologische Landwirtschaft". Darunter sei eine Lebensmittelerzeugung zu verstehen, die - flächendeckend betrieben - ökologisch intakte Kulturlandschaften prägt, Arbeitsplätze schafft und Tierschutzanliegen ebenso ernst nimmt wie die globalen Entwicklungsfragen und den Klimaschutz. Mit der jetzigen Agrarpolitik sei dies nicht gewährleistet.

BUND und BN stellten ein Bündel von agrarpolitischen Instrumenten vor, das weit über die derzeit so vehement diskutierte Frage der Geldverteilung hinaus geht. Denn nicht allein der Einsatz der europäischen Finanzmittel sei ausschlaggebend, um die Ziele zu erreichen. Auch die Ausgestaltung von Marktregeln und des Fachrechts sowie die internationale Zusammenarbeit und die Handelspolitik der EU seien zukünftig in den Dienst der aktuellen Herausforderungen zu stellen.

Die zentralen Änderungen an Europas Agrarpolitik, die der BUND und BN einfordern, lauten:

Alle Zahlungen der EU an Landwirte sind an konkrete gesellschaftliche Leistungen zu binden und somit zu qualifizieren. Die heutigen pauschalen Zahlungen versetzen stark rationalisierte Betriebe in die Lage, unterhalb ihrer Erzeugungskosten anzubieten, während sie den Großteil der multifunktionalen, bäuerlich-ökologischen Betriebe in Bayern noch nicht einmal den Aufwand bzw. den Minderertrag der vielfältigen gesellschaftlichen Leistungen ausgleichen. Deshalb muss an die Stelle pauschaler Zahlungen die Honorierung gesellschaftlich gewünschter und nicht marktfähiger Leistungen treten.
Bauern, die weiter in den Genuss von Direktzahlungen kommen wollen, müssten deshalb zukünftig einige Auflagen erfüllen, die über die jetzigen gesetzlichen Standards hinaus gingen. So sei eine Mindest-Fruchtfolge festzuschreiben, um zukünftig - so Weiger - "Mais-Wüsten und andere Monokulturen" von einer Förderung auszuschließen. Ökologische Vorrangflächen müssten mindestens 10 Prozent der Betriebsfläche ausmachen; hierfür sollen allerdings Sonderzahlungen gewährt werden. Zudem solle ein vollständiges Verbot des Grünlandumbruchs in sensiblen Bereichen (z.B. Niedermoore, andere Flächen mit hohem Grundwasserstand, Überschwemmungszonen, Hanglagen) als weiteres Kriterium festgelegt werden.
Eine weitere Voraussetzung für die Gewährung von Direktzahlungen muss der Verzicht auf den Anbau von gentechnisch-veränderten Organismen (GVO) sein: Bayern muss frei von Agrogentechnik bleiben. Es darf keinen kommerzieller Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen und keine Freisetzungsversuche geben. Der vollständige Ausstieg aus der Verfütterung gentechnisch veränderter Pflanzen ist unumgänglich. Der regionale Eiweißfutteranbau muss vorangebracht werden ebenso wie die Transparenz durch verbesserte Bewerbung und Verbreitung der "Ohne Gentechnik"- Kennzeichnung.
Zielspezifischen Fördermaßnahmen, zu denen heute z.B. die Agrarumwelt-, Vertragsnaturschutz- oder Tierschutzmaßnahmen gehören, sollen zum Kern der Förderpolitik gemacht werden.
Regionale Wirtschaftskreisläufe müssen verstärkt ausgebaut werden. Dazu gehören die Förderung und der Ausbau regionaler, dezentraler Strukturen und der Schulterschluss von Bauern, Verbrauchern und Handwerk. Ebenso die Einbeziehung der regionalen Akteure und Gebietskörperschaften in eine eigenständige Wirtschaftsförderung im ländlichen Raum, unabhängig von den Metropolzentren.
Der Ökologische Landbau soll eine Sonderstellung einnehmen, denn er stellt das landwirtschaftliche Produktionssystem dar, das die in der landwirtschaftlichen Produktion eingesetzten Ressourcen am effektivsten, weil am nachhaltigsten nutzt. Erhalt der Biodiversität und einer vielfältigen Landschaft, Förderung der Bodenfruchtbarkeit und respektvoller Umgang mit Nutztieren, geringer Energieeinsatz, verminderte Produktion von Klimagasen und die Bereitstellung zusätzlicher Arbeitsplätze im ländlichen Raum gehören u.a. zu den Eckpfeilern des Ökologischen Landbaus; er ist deshalb stärker zu fördern.
Für naturbedingt benachteiligte Gebiete bzw. Flächen, deren Bewirtschaftung auch für den Naturschutz bedeutsam ist, muss ein qualifizierter Ausgleich gewährt werden. Ebenso ist für ordnungsrechtlich verpflichtende Anforderungen an Betriebe in örtlich klar abgegrenzten Gebieten, die sich etwa durch eine Ausweisung von Flächen zu einem Naturschutzgebiet oder als NATURA 2000-Gebiet oder als Großschutzgebiete (u.a. Naturparke und Biosphärenreservate) ergeben, ein Ausgleich zu zahlen.
Die Investitionsförderung ist auf solche Vorhaben zu begrenzen, mit denen besondere Standards in den Bereichen Tier-, Natur- und Umweltschutz erreicht werden.
Die artgerechte Tierhaltung muss durch eine Abkehr von einer Investitionsförderung in immer größere Ställe hin zu Stallbauten, die den Kriterien der in der EG- Ökoverordnung (VO 834/2007 ) festgelegten artgerechten Maßstäben entsprechen ebenso wie die artgerechte Fütterung gefördert werden.
Die Kennzeichnung der Produkte muss transparent gestaltet sein. Eine aussagekräftige Produktkennzeichnung ist ein wichtiger Baustein für die Wahlfreiheit der VerbraucherInnen. Herkunft und Qualität des Produktes müssen von außen ersichtlich sein, Verpackungen dürfen mit Bildern und Text den Verbraucher nicht täuschen.
Bayern muss von einer auf eine erdölbasierte Landwirtschaft abkehren hin zu einer auf Sonnenenergie basierenden Lebensmittelerzeugung. Klimaschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und muss deshalb stärker beachtet werden. Klimaschutz, Erhalt der Biodiversität und der ökologische Landbau müssen künftig im Mittelpunkt aller agrarpolitischen Fördermaßnahmen und Bildungsanstrengungen stehen

Download:
http://www.bund-naturschutz.de/uploads/media/PM-092-10-Agrarreform.pdf
http://www.bund-naturschutz.de/uploads/media/PM-092-10-Agrarreform-Anlage-BUND-Forderungen.pdf


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Quelle:
Presseinformation PM 092/10/LFGS/Landwirtschaft, 07.09.2010
Herausgeber:
Bund Naturschutz in Bayern e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. September 2010