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VIELFALT/122: SAVE eNews 3/2012 - Sicherung der AgroBiodiversität (SAVE)


SAVE eNews 3/2012 - Mittwoch, 31. Oktober 2012

Ein vierteljährlicher Informationsdienst der europäischen SAVE Foundation (Safeguard for Agricultural Varieties in Europe)

Inhaltsübersicht:
- Arca-Deli® Award: Auszeichnung mit Prestige- und Vermarktungswert
- SAVE Netzwerk: Jahrestreffen 2012 in Urnäsch, Schweiz
- Rio+20: Ein Meilenstein für nachhaltige Landwirtschaft
- 30 Jahre ProSpecieRara
- In Memoriam Martin Schneider-Jacoby
- Kokopelli: Verkaufshürden für Saatgutvielfalt bleiben bestehen
- Kampagne für Saatgut Souveränität
- Kurznachrichten (4)
- Auszug der wichtigsten Veranstaltungen



Arca-Deli® Award - Auszeichnung mit Prestige- und
Vermarktungswert

Direktvermarkter ab Hof oder auf lokalen Märkten wissen wie wichtig es ist, die Kunden über die Besonderheiten ihrer Qualitätsprodukte zu informieren. Allerdings ist es oft schwierig, dies möglichst ohne lange Erklärungen zu tun. Um den Produzenten zu helfen, den Verbrauchern zu zeigen, was das besondere an Ihrem Produkt ist, hat SAVE Foundation den Arca-Deli® Award ins Leben gerufen. Der Arca-Deli® Award zeigt dem Kunden, dass der Produzent das kulturelle Erbe der lokalen Gemeinschaft unterstützt. Er zeigt auf, dass eine reale Person hinter der Qualität des Produktes steht. Der Konsument weiss, dass er mit dem Kauf einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung des lokalen kulturellen und genetischen Erbes leistet. Das Logo kann zur Kennzeichnung von Produkten und Leistungen und somit als Mittel zur Wertschöpfung genutzt werden.

Dies zeigte sich bei den kürzlich erfolgten Arca-Deli®-Auszeichnungen 2012 sehr eindrücklich: In Griechenland fand die Arca-Deli®-Auszeichnung für innovative Produkte aus Büffelmilch eine solche Resonanz, dass das griechische Ministerium für ländliche Entwicklung und Ernährung in einer Pressemitteilung darauf hinwies, die im Lande viel Beachtung fand. Die Büffelmilch-Produkte werden jetzt einen wesentlich grösseren Absatz finden und die Erhaltung der Büffel wird somit gefördert werden.

Die Arca-Deli®-Auszeichnung wird jährlich anlässlich der Jahrestagung des SAVE Netzwerkes für Produkte und Leistungen von lokal angepassten Nutztieren und Kulturpflanzen durchgeführt. Die Auszeichnung wird an Produkte und Dienstleistungen vergeben, die als empfehlenswertes Modell oder Beispiel guter Praxis dienen. Das Arca-Deli® Label kann zur Kennzeichnung der entsprechenden Produkte und Dienstleistungen genutzt werden und so als Mittel zur Wertschöpfung dienen. Besonders auf lokalen Märkten leistet diese Auszeichnung wertvolle Dienste und ermutigt auch andere Bauern und Produzenten, die Qualität der eigenen Produkte entsprechend anzupassen. Nischenprodukte lokal angepasster Rassen und Sorten werden so wettbewerbsfähiger und wirtschaftlicher.

Die Arca-Deli® Awards werden jeweils an der Jahrestagung der SAVE Foundation und des SAVE Netzwerkes geprüft und vorgestellt. Alle Mitglieder von "Varitey Savers" (http://variety-savers.net) und "Arca-Net" (www.arca-net.info) sind berechtigt, eine Eingabe für den Arca-Deli® Award zu tätigen. Eine Jury beurteilt die Eingaben nach einem vorgegebenen Schema und empfiehlt sie dem SAVE Stiftungsrat, der sie dann entsprechend akzeptiert. Die Gewinner erhalten eine Urkunde und dürfen das Arca-Deli® Logo auf dem entsprechenden Produkt verwenden.

Die Gewinner 2012

• Erste Arche Region Amt Neuhaus im UNESCO Biosphärenreservat Elbtalaue: 18 Höfe zeigen ein breites Spektrum an gefährdeten Nutztierrassen, bieten Qualitätsprodukte und diverse Veranstaltungen, handwerkliche Tätigkeiten, Möglichkeiten zum Verweilen und zum Essen. Die Arca Deli® Jury meint dazu: "Die Arche Region ist wahrscheinlich das erste Beispiel für ein lebendiges Netzwerk von Arche-Höfen in einer Region. Eine brilliante Idee". Siehe: http://tinyurl.com/8h7vax4

• Tagliatelle hergestellt mit Eiern des Deutschen Sperberhuhns: "Eine gute Verpackung, guter Geschmack!" bestätigt die Jury. Das Sperberhuhn ist die deutsche "gefährdete Rasse des Jahres 2012". Besonders ihre guten Eierlegeeigenschaften zeichnen diese Rasse aus. Es ist also angebracht, dass ein Produkt aus seinen Eiern auch ein Arca-Deli® Gewinner im Jahr 2012 ist. Für weitere Informationen über die Rasse:
http://www.g-e-h.de/geh/index.php/gefaehrdete-nutztierrasse-des-jahres

• Suppenpulver und Kuchen aus der Milch des Wasserbüffels: Diese Produkte wurden von einer Farm im Kerkini See Nationalpark, Präfektur Serres im Nordwesten Griechenlands, eingereicht. Seit Generationen hat die Familie Giantsidis in dieser Region Büffel gehalten. Im Nationalpark Kerkini sind die Büffel ein wichtiger Teil des biologischen Gleichgewichtes und eine gefährdete Nutztierrasse. Die Büffel und die gekürten Produkte mit ihren Rezepten sind ein Teil des kulturellen Erbes der Region. "Alte Rezepte wurden innovativ durch moderne und sichere Trocknungsmethoden ergänzt - gute Verpackung, guter Geschmack. Ein exzellenter wohlschmeckender Kuchen!" urteilt die Jury. Video zur Herstellung des Suppenpulvers auf YouTube:
http://www.youtube.com/watch?v=qsMNc4tCl_8 &feature=youtu.be

• Ausserordentliche Schweine! 100.000.- durch Crowdfunding für die Aufzucht einer alten Schweinerasse und Verbesserung des Tierschutzes. Ein innovatives Projekt, das die Erhaltung des Alten mit modernen Methoden kombiniert! Ein "Gefällt mir" auf der Facebook-Seite ist angebracht. (https://www.facebook.com/BuitengewoneVarkens?fref=pb). weitere Informationen:
http://www.buitengewonevarkens.nl/

• Büro-Set aus Filz vom Alpinen Steinschaf: Laptop cover, Notizblockhülle und Stiftemäppchen aus Filz. "Der Verkauf von Wolle ist oft ein Problem in Europa. Wegen der schlechten Marktpreise wird sie manchmal einfach weggeworfen. Dies ist eine sehr gute Lösung für besondere Woll-Produkte", urteilt die Jury. Jedes Element ist mit einem Bild vom Alpinen Steinschaf gekennzeichnet. Ein qualitativ hochwertiges Produkt, das sicherlich eine Anregung für Gespräche über alte Rassen im Alltag anregt!
http://www.alpines-steinschaf.de/wolle/4-4-6.php


Jahrestreffen von SAVE Foundation und SAVE Netzwerk
13.-15. September 2012 in Urnäsch, Schweiz

2012 wurde das Jahrestreffen der SAVE Foundation und des SAVE Netzwerkes durch das SAVE Projektbüro in St. Gallen organisiert. Das in diesem Rahmen durchgeführte 6. Seminar zur Agrobiodiversität widmete sich dem Thema "Der wirtschaftliche Wert alter Rassen und Sorten". Experten aus 16 europäischen Ländern diskutierten über Möglich-keiten und Wege, wie alte traditionelle Nutztierrassen und Kulturpflanzen wieder in Wert gesetzt werden können.

Am Seminar wurden Themen präsentiert und diskutiert wie die Vermarktung von biologischem Weidelamm in Dänemark, Produktmarketing und ländliche Entwicklung in Polen und die Inwertsetzung der alten Sorten durch ihren besonderen kulturellen Wert am Beispiel eines Tessiner Obsterhaltungsprojektes. Neue Seiten alter Sorten wurden durch Forschungsergebnisse zu ihren Inhaltsstoffen und Gesundheitswert dargestellt und nicht zuletzt wurden Fallstricke und Chancen bei der Vermarktung in der Schweiz vorgestellt. Besonders die Zusammenarbeit der drei Säulen in der Erhaltungsarbeit Staat - Wissenschaft - Privatsektor in der Erhaltungsarbeit der Schweiz fanden reges Interesse. In einer Präsentation des Bundesamtes für Landwirtschaft zu den Erhaltungsstrategien des Bundes wurde deutlich gemacht, wie eng Staat und Private heute in der Schweiz zusammenarbeiten. Viele Aspekte dieser Zusammenarbeit können als Modell für andere Länder fungieren. Die Rolle der Landwirtschaft und ihr kulturelles Erbe wurde nicht nur in Präsentationen durch Kantons- und Gemeindevertreter hervorgehoben, sondern auch direkt erlebbar gemacht am traditionellen Urnäscher Alpabzug. Alle Präsentationen des Seminars sind auf der SAVE Webseite (in englischer Sprache) unter
http://www.save-foundation.net/Conferences/Urnaesch.htm abrufbar.

Das Konzept eines Arche-Hofes wurde am Beispiel des Arche-Hofes Mühlstatt in der Praxis vorgestellt. Den Besuchern wurde vor Augen geführt, wie wichtig eine Diversifizierung eines eher kleineren Hofes mit alten Rassen und Sorten ist: Direktvermarktung, Frührungen und Kurse mit Erwachsenen und Schulklassen sind Teil des Konzeptes dieses Arche-Hofes. Ganz nebenbei konnte anschaulich dargestellt werden, wie positiv sich die Haltung kleiner, leichter Rassen wie das Grauvieh auf Grasnarbe und Vegetation im Berggebiet auswirkt, denn der Einfluss konventioneller Viehhaltung auf einem Nachbarhang unterschied sich deutlich von dem des Arche-Hofes.

Im Obstgarten Höri von Fructus, konnten einmalige und kuriose Beispiele alter Obstsorten direkt am Baum gezeigt wurden: So kleine Birnen, dass sieben auf einmal gegessen werden ("Sept-en-gueule"), der "Stern-Api", die älteste Apfelsorte in der Schweiz und bereits bei den Römern bekannt. Bei der Apfelsorte "Faibella" weisen die Blüten keine Kronblätter auf. Die Früchte enthalten auch keine Kerne. Die Appenzeller Ziegenprodukte AG überzeugte durch ihr modernes Konzept, mit dem die Milch der seltenen Appenzeller Ziegen erfolgreich vermarktet und damit eine Rasse wieder an wirtschaftlichem Wert gewinnt.

Während der gesamten Veranstaltung wurden den Teilnehmern diverse lokaltypische Produkte und solche aus alten Rassen und Sorten offeriert: Von der Appenzeller Siedwurst über "Slow-Food"-Spezialitäten und Appenzeller Ziegenprodukte bis zum Rheintaler Ribelmais. Beim Ribelmais gab es sogar eine Weltneuheit zu verkosten: Die Rheintaler Tortilla-Chips, die erst nach der SAVE-Jahrestagung erstmals in einer Versuchsphase auf den Markt gekommen sind.

Neben diesen Präsentationen, Diskussionen und Exkursionen wurde der Arca-Deli Award 2012 verliehen (siehe oben) und die obligatorischen Sitzungen der SAVE Gremien fanden statt. Im Jahre 2013 wird das SAVE Netzwerk 20 Jahre alt. Es wurde beschlossen, dass SAVE aus diesem Anlass die Kampagne "20 for 20" durchführen wird. Ferner wird in den nächsten eNews die Geschichte, die Partner und die Projekte des SAVE Netzwerkes näher beleuchtet. Lassen Sie sich überraschen! Die Veranstaltung fand mit freundlicher Unterstützung des Bundesamtes für Landwirtschaft, des Landwirtschaftsamtes Appenzell Ausserrhoden, der Gemeinde Urnäsch, des St.Gallen-Bodensee Tourismus, ProSpecieRara und Fructus sowie der Goba Mineralquelle Gontenbad statt.

Ein herzliches Dankeschön vom Stiftungsrat und den Mitarbeitern von SAVE Foundation allen Sponsoren, die dieses Seminar möglich gemacht haben.


Rio+20 - Ein Meilenstein für nachhaltige Landwirtschaft

Die dritte Konferenz der Vereinten Nationen zur nachhaltigen Entwicklung (UNCSD) auch bekannt unter dem Titel "Rio 2012", "Rio+20" oder Erdgipfel 2012" in Brasilien zielte darauf ab, die wirtschftlichen und umweltplitischen Ziele der Weltgemeinschaft besser abzustimmen. Das vorläufige Ergebnis der Konferenz war ein nicht bindendes, 49-seitiges Dokument unter dem Titel "The Future We Want". Die 192 anwesenden Staats- und Regierungschefs erneuerten ihr politisches Engagement für eine nachhaltige Entwicklung und erklärten ihr Eintreten für die Förderung einer nachhaltigen Zukunft. Sie erklärten ferner, dass Landwirtschaft und die Lebensmittelkette ("from Farm to Fork") die zentralen Elemente seien, um den Hunger zu bekämpfen und unseren Planeten für künftige Generationen zu bewahren.

Dabei enthielt der ursprüngliche Entwurf nicht einmal ein Kapitel über nachhaltige Landwirtschaft. Durch das Engagement mehrerer NGOs für eine nachhaltige Landwirtschaft, konnte dieses Ansinnen die Angriffe verschiedener Interessengruppen überstehen. Eine "Welt ohne Hunger, die "Zero-Hunger-Challenge", ist die Vision von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon. Er betont die Schlüsselrolle einer nachhaltigen Landwirtschaft im Kampf gegen den Hunger. Ban Ki-moon forderte, dass alle Nahrungssysteme nachhaltig zu gestalten sind und den Kleinbauern bessere Rahmenbedingungen einzuräumen sind, um ihre Produktivität und Einkommen zu steigern. Kleinbäuerliche Produktion hat sich zur Generierung der besten Leistungen für die Umwelt und die Ernährungssicherheit bewährt. Das Kapitel "Ernährungssicherheit, Ernährung und nachhaltige Landwirtschaft" der Erklärung erwähnt in Artikel 111 eindeutig auch die genetischen Ressourcen der Tier- und Pflanzenwelt:

"Wir bekräftigen die Notwendigkeit, eine nachhaltige Landwirtschaft zu fördern, zu verbessern und zu unterstützen, einschließlich Nutzpflanzen, Nutztiere, Forstwirtschaft, Fischerei und Aquakultur, die die Ernährungssicherheit verbessern, Hunger beseitigen und ökonomisch sinnvoll sind, bei gleichzeitiger Schonung von Boden, Wasser, pflanzlichen- und tiergenetischen Ressourcen, Biodiversität und Ökosystemen und die Verbesserung der Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel und Naturkatastrophen. Wir erkennen auch die Notwendigkeit an, die natürlichen ökologischen Prozesse zu erhalten, die die Nahrungsmittelproduktion unterstützen."

Wir NGOs sollten weiter an der Erhaltung der Agrobiodiversität arbeiten. Denn dadurch erreichen wir letztlich vertrauenswürdige, klare Nahrungsketten und einen Mehrwert für die Agrobiodiversität.

Weitere Informationen unter: http://www.un.org/en/sustainablefuture/


30 Jahre ProSpecieRara

Im Jahre 1982 wurde die schweizerische Stiftung ProSpecieRara durch Hans-Peter Grünenfelder gegründet, um gefährdete Nutztierrassen und Kulturpflanzen vor dem Aussterben zu bewahren. Spiegelschafe, Wollschweine, Rote Gartenmelde, Gelbmöstler Birnen und viele andere beleben seither wieder Felder, Höfe und Wiesen. Mit der Unterzeichnung der Artenschutzkonvention von Rio 1992 verpflichtete sich die Schweiz, sämtliche Ressourcen bei Tieren und Pflanzen zu erhalten. ProSpecieRara arbeitet heute eng mit den aus ihr entstandenen Zuchtvereinen und aktiven Züchtern und Anbauern zusammen. Zuchttiere, Obstbäume und Gemüse werden von über 2600 Privatpersonen und Institutionen betreut und gezüchtet. Der Beginn war seinerzeit in St.Gallen mit ausschliesslich ehrenamtlichen Mitarbeitern. Heute sind in der Geschäftsstelle, die kürzlich ihren Sitz nach Basel verlegt hat, 14 Angestellte beschäftigt. Ausserdem gibt es in der Süd- und in der Westschweiz jeweils ein ProSpecieRara-Zentrum mit je zwei Mitarbeitern. Heute werden 26 Nutztierrassen erhalten. Auf der Pflanzenseite werden 1100 Sorten aktiv erhalten. In gut 120 ProSpecieRara Obstgärten der Schweiz werden ca. 1800 Obstsorten und -varietäten erhalten. Doch immer noch findet ProSpecieRara neue Arbeit, wie z.B. bei der Inwertsetzung und Vermarktung, bei den Beeren und bei den Zierpflanzen. Wir gratulieren unserem engagierten Partner der ersten Stunde und freuen uns auf eine weitere fruchtbare Zusammenarbeit.


In Memoriam

Am 15. August 2012 ist Dr. Martin Schneider-Jacoby nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 56 Jahren verstorben. Er war seit 25 Jahren Projektleiter bei EuroNatur und setzte sich in diesem Rahmen besonders für die Balkanregion ein. Martin Schneider-Jacoby war einer der ersten Naturschutzfachleute, die den Wert der autochthonen Nutztierrassen für den Naturschutz erkannte. So war er es auch, der die Zusammenarbeit zwischen SAVE und EuroNatur forcierte. Bei der Rettung der Turopolje Schweine in Kroatien, einem der ersten SAVE Projekte, stand er SAVE ebenso engagiert zur Seite wie im ELBARN Projekt als Koordinator der südosteuropäischen Aktivitäten. Wir verlieren in Martin Schneider-Jacoby einen geschätzten Projektpartner und Freund.


Kokopelli - Verkaufshürden für Saatgutvielfalt bleiben bestehen

Wie bereits in den SAVE eNews 1/2012 berichtet, sind in einem Prozess des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) die französische Erhalterorganisation Kokopelli versus Graines Baumax SAS die Saatgutverkehrsgesetz-Regelungen infrage gestellt worden (Kokopelli wurde angeklagt, nicht zugelassene Sorten zu verkaufen). Entgegen der üblichen Praxis wurde im Urteil des EuGH vom 12. Juli 2012 den Anträgen der Generalanwältin Kokott leider nicht Folge geleistet. Es wurde im Gegenteil bestätigt, dass nur zugelassene Sorten verkauft werden dürfen. Gemäss der seit 2009 geltenden Saatgutrichtlinie müssen Bauern, die Saatgut seltener Sorten verkaufen möchten, eine Zulassung beantragen und sich mit anderen abstimmen, damit die zulässige Gesamtmenge auf dem Markt nicht überschritten wird. Die Kosten für die Zulassung und der dazugehörende Verwaltungsaufwand ist für kleine Sortenerhalter kaum zu tragen. Ein rechtliches Risiko besteht also auch weiterhin: im Sommer 2012 wurden die Besitzer der Farm Neslinko in Lettland wegen Verkaufs von Saatgut auf einer Gartenclub-Veranstaltung ordnungsrechtlich belangt. Die Ziele der "Erhaltungssorten-Richtlinie" sind auf die Erhaltung der biologischen Vielfalt ausgerichtet, ihre konkreten Regelungen und deren Folgen für die Erhalter sprechen aber eine andere Sprache. So werden noch einige Auseinandersetzungen hinsichtlich der derzeitigen Reform des EU Saatgutrechtes zu erwarten sein.

Weitere Informationen:
Kokopelli: http://kokopelli-semences.fr; Dr. Susanne Gura: www.kulturpflanzen-nutztiervielfalt.de; Urteil des EuGH: http://curia.europa.eu/juris/documents.jsf?num=C-59/11; Pressemitteilung des EuGH: http://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2012-07/cp120097de.pdf;


Kampagne für Saatgut Souveränität

Am Welternährungstag, dem 16. Oktober, protestierten Saatgut-NGOs und ihre Sympathisanten in vielen europäischen Ländern gegen das Vorgehen der Saatgutindustrie und gegen die Saatgutpolitik der EU. Die G8 Staaten haben sich im Rahmen der "Neuen Allianz für Ernährungssicherung" darauf geeinigt, "lizenziertes Saatgut in Afrika zu fördern" und "frei zugängliches, traditionelles Saatgut zu unterbinden". Die europaweite "Kampagne für Saatgutsouveränität", Teil der weltweiten Kampagne für "Seed Freedom" von Vandana Shiva, Trägerin des Alternativen Nobelpreises, protestiert gegen derartige Politikstrategien und in Europa besonders gegen weitere Verschärfungen im EU-Saatgutrecht. In vielen Städten und Regionen Europas fanden Proteste statt: In Brüssel, Belgien, wurde eine Demonstration gegen das Jahrestreffen der "European Seed Association", des Lobbyverbandes der Saatgut-Industrie durchgeführt. Diese Organisation bekennt ganz offen, Einfluss auf das neue EU Saatgutrecht nehmen zu wollen. In Luxemburg fand vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein Saatgut-Tauschtreffen statt als Protest gegen das Urteil des EuGH im Rechtsstreit zwischen Graines Baumax und Kokopelli (s. Bericht oben).

In Wien, Österreich, fand eine Demonstration vor dem Europäischen Patentamt statt, um gegen die Vergabe von Patenten auf Tiere und Pflanzen zu protestieren. In Mainz, Deutschland, wurde ein Aktionstag durchgeführt. In Griechenland haben in vielen Regionen bereits am vorangehenden Wochenende Veranstaltungen des Saatgut-Netzwerkes "Peliti" stattgefunden. In Spanien wurden in 16 Regionen Aktionen und Proteste im Rahmen der gesamtstaatlichen "Woche der landwirtschaftlichen Biodiversität" zum Thema Saatgut durchgeführt. In Portugal wurden Vertretern der EU traditionelle Gerstensamen zusammen mit der "Seed Freedem Erklärung" überreicht und den Menschen auf der Strasse kleine Tüten mit Saatgut abgegeben.

Weitere Informationen: http://www.seed-sovereignty.org/16-10-2012.html


Kurznachrichten

SAVE Activity Report 2012
Der SAVE Activity Report 2012 für die Periode Sommer 2011 - Sommer 2012 ist nun verfügbar. Darin sind die Programme und Projekte, Aktivitäten und Aktuelles aufgeführt und beschrieben: Das SAVE Networking europäisch und regional und themenspezifisch sowie Grundlagen- und Modell Projekte werden ausführlich dargestellt. Download unter:
http://www.save-foundation.net/docu/reports/SAVE_activity_2012.pdf

Pop Rep - vom Populationspedigree zum Report
POPREP ist ein Software-Paket, das auf der Grundlage von Stammbäumen eine Reihe von Statistiken, berechnet und so dem Management von Tierpopulationen dient. PopRep hilft, den aktuellen Status einer gegebenen Population in einer Reihe von Bedingungen darzustellen. Nach der Datenberechnung werden umfassende Berichte verfasst, die zur weiteren Populationsplanung sehr hilfreich sein können.
Weblink: http://poprep.tzv.fal.de

Eselrassen in Europa: Datenbank im Internet
Im Rahmen des Projektes "In-Wert-Setzung der Eselrassen in Europa" (siehe SAVE eNews 2/2012) konnte die erste Version einer Datenbank aufgeschaltet werden. In der Datenbank sind die bisher gesammelten Informationen zu den Eselrassen in Europa in ihrem Nutzen enthalten. Die Datenbank wird kontiniuierlich ergänzt. Gerne nehmen wir Ihre Anregungen und Kritik entgegen. Weblink: http://www.agrobiodiversity.net/regional Topic networks Donkeys.

Conservation Science
"Conservation Science" ist ein durch Fachleute überprüftes, frei zugängliches Journal, das vor allem auf die Verbreitung von aktuellem Wissen über globale, regionale und nationale Naturschutzprobleme und die Möglichkeiten, diese zu bewältigen abzielt. Es fördert interdisziplinäre Forschung mit Auswirkungen auf die Erhaltung von natürlichen Produkten und Dienstleistungen.
Siehe: http://www.thenaturefoundation.org


Veranstaltungen (Auszug):
  1. 6.-9. November: "N.I. Vavilov's Ideen für eine Neue Welt" III. Internationale Vavilov Konferenz in St.Petersburg, Russland. s.filimonenko@vir.nw.ru, Web: www.vir.nw.ru/test/
  2. 9.-11. November: "Wie Saatgut zu schützen ist", Internationales Meeting europäischer Saatgut-NGOs in Wien, Österreich. iga.niznik@arche-noah.at, Web: www.arche-noah.at
  3. 14.-15. November: Quo Vadis, Farmland Biodiversität? Baltische Regionalkonferenz in Tartu, Estland. Kontakt: conference@pmk.agri.ee, Web: http://pmk.agri.ee/pkt/index.php?valik=25&keel=1&template=mak_sisu.html
  4. 16. November: Round-Table Diskussion "Erhaltung seltener Obstsorten in Siebenbürgen"; in Malmkrog, Rumänien. Kontakt: office@save-foundation.net
  5. 21.-23. Nov: 3. Internationales Symposium zu Heilpflanzen, ihrem Anbau und Aspekten ihren Nutzens. In Petra, Jordanien. Kontakt: Maa973@yahoo.com, Web: http://3ismp.bau.edu.jo/spo.html
  6. 28. Nov - 29. Dez.: 4. Internationales Forum zu Lebensmittel und Ernährung; in Mailand, Italien. Web: www.barillacfn.com/en/forum/forum-2012/
  7. 29. Nov - 1. Dez.: Workshop "Wildlebende Populationen in Europa", Übersicht über die aktuelle Situation und Aufbau eines Netzwerkes für das Management wilder und halbwilder Populationen; in Sevilla, Spanien. Kontakt: waltraud.kugler@save-foundation.net, Web: www.save-foundation.net
  8. 30. November: No Patents on Seeds! Demonstration am 30. November in München, Deutschland. info@no-patents-on-seeds.org, Web: www.no-patents-on-seeds.org/en
  9. 30. Nov. - 2. Dez.: 7. Symposium Kulturpflanzen- und Nutztiervielfalt, Witzenhausen, Deutschland. Kontakt: gura@dinse.net, Web: http://kulturpflanzen-nutztiervielfalt.org/

→ Weitere Daten siehe:
http://www.save-foundation.net/deutsch/aktuell.htm

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Sie können die SAVE eNews auch von folgender URL als PDF herunterladen:
http://www.save-foundation.net/deutsch/PDF/news/SAVE_eNews_12_1de.pdf

Den Inhalt des Newsletters finden Sie zudem auf der Aktualitätenseite unseres Webauftrittes:
http://www.save-foundation.net/deutsch/aktuell.htm

Arche-Netzwerk: http://www.arca-net.info
ELBARN Net: http://www.elbarn.net
Agrobiodiversity.Net: http://www.agrobiodiversity.net
SAVE Website: http://www.save-foundation.net

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Quelle:
SAVE eNews 3/2012, 31.10.2012
Elektronischer Infodienst der SAVE Foundation
Herausgeber:
SAVE Foundation, Netzwerkbüro
Joseph-Belli-Weg 5, D-78467 Konstanz
Tel.: +49-7531/802 73 74, Fax: +49-7531/819 98 07
Joseph-Belli-Weg 5, D-78467 Konstanz, Deutschland
E-Mail: office@save-foundation.net
Internet: http://www.save-foundation.net


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. November 2012