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WALD/106: Der Run auf die Wälder - Hohe Erwartungen in REDD (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2009
Themen & AGs

Der Run auf die Wälder
Hohe Erwartungen in REDD

Von Wolfgang Kuhlmann


Wenn mit dem Kohlenstoff in Wäldern gute Geschäfte gemacht werden können, drohen die Rechte der traditionellen Bewohner auf der Strecke zu bleiben.

Die Idee scheint einfach und überzeugend: Wo weniger Wald abgeholzt wird, werden zusätzliche Klimabelastungen vermieden. Denn der in den Bäumen gespeicherte Kohlenstoff gelangt nicht als CO2 in die Atmosphäre.

Seit diese Idee unter dem Stichwort REDD (Reducing Emissions from Deforestation and Degradation) Eingang in die internationalen Klimaverhandlungen gefunden hat, sind Wälder nicht nur auf der politischen Agenda weit nach vorne gerutscht. Dass Wälder in einem Kyoto-Folgeabkommen eine Rolle spielen werden, scheint sicher. Ob sie auch Teil des Kohlenstoffhandels werden und wenn ja, wie, ist eine der kontroversesten Fragen, die auf nächsten Klimakonferenz im Dezember in Kopenhagen diskutiert werden.

Während die Zahl der kritischen Stimmen zunimmt, die angesichts der Erfahrungen mit der Finanzmarktkrise den marktorientierten Ansatz von REDD grundsätzlich ablehnen, hat allein die Möglichkeit vielerorts hohe Erwartungen geweckt: Die einen sehen darin eine Chance, sich möglichst billig von lästigen Reduktionsverpflichtungen im eigenen Land freikaufen zu können, andere erwarten großzügige Zuwendungen für halbherzige Pläne, die Entwaldungsraten in ihren Ländern zu verringern. Und diejenigen, deren Wälder bislang weitgehend intakt geblieben sind, setzen alles daran, zu zeigen, dass das in Zukunft nicht so bleiben muss. In der Hoffnung auf möglichst hohe Summen werden dabei größtmöglich Entwaldungsszenarien beschworen.


Neues Geschäftsfeld für Spekulanten?

Firmen wie Eco-Securities, die bislang Waldprojekte für den freiwilligen Kohlenstoffhandel entwickeln, erwarten ein Anwachsen des Marktes für REDD-Zertifikate auf bis zu 45 Milliarden US-Dollar pro Jahr, sollten Wälder Teil des offiziellen Emissionshandels werden. Diese Goldgräberstimmung bringt zunehmend fragwürdigere Spieler auf den Plan. Zu den "carbon cowboys", wie sie in der englischsprachigen Presse genannt werden, gehört auch Kirk William Roberts. Bevor er in den Kohlenstoffhandel einstieg, leitete der Australier ein philippinisches Hahnenkampf-Syndikat. Bei Treffen mit Dorfoberhäuptern in entlegenen Regionen Papua Neuguineas machte seine Firma "Nupan PNG" weitreichende Versprechungen über Erträge, die zu erwarten wären, wenn sie ihm ihre Wälder für REDD-Projekte zur Verfügung stellen würden. Gemeinsam mit Theo Yasause, dem ehemaligen Direktor von Papua Neuguineas Ofof Climate Change, versuchte Roberts, CO2-Zertifikate im Wert von mehreren Millionen Dollar auf dem freiwilligen Markt zu verkaufen - und das, obwohl es in Papua Neuguinea bisher keine gesetzlichen Regelungen für den Kohlenstoffhandel gibt. Yasause ist mittlerweile entlassenen und das Office of Climate Change wird von der Regierung überprüft.


REDD und Rechte

Die Leidtragenden dieser Entwicklung werden diejenigen sein, die traditionell in den Wäldern leben und auf sie angewiesen sind. Indigene Völker und lokale Gemeinschaften können froh sein, wenn sie ein kleines Stück vom Kuchen abbekommen. Im schlimmsten Fall droht ihnen Umsiedlung oder Vertreibung, denn schon in der Vergangenheit wurden Bewohner von Schutzgebieten als Störer angesehen und aus den Parks hinausgeworfen.

Dies zeigt auch das Beispiel von Indonesien, wo der Aufbau eines nationalen REDD-Marktes am weitesten fortgeschritten ist. Im Mai wurden REDD-Richtlinien erlassen, die es dem Staat freistellen, für alle Wälder des Landes Konzessionen zu vergeben. Darin werden auch Vorschläge zur Aufteilung der Erträge aus REDD-Zertifikaten gemacht: In vom Staat ausgewiesenen "protected forests" etwa sollen 50 Prozent der Erträge an die verschiedenen Regierungsstellen gehen, 30 Prozent sind für die Projektentwickler vorgesehen und nur 20 Prozent erhalten lokale Gemeinschaften.

Neun indonesische NGOs und das englische Forest Peoples Programme lehnen die nationalen Pläne ab. In einer gemeinsamen Stellungnahme weisen sie darauf hin, dass REDD-Konzessionen und -Aktivitäten zu weiteren und irreparablen Schäden für lokale Gemeinschaften führen, wenn sie nicht mit effektiven Maßnahmen zur Sicherung ihrer Rechte verbunden sind. Diese Bedenken werden auch vom UN-Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung (CERD) geteilt. Bereits im März bemängelte der Ausschuss, dass der Entwurf der indonesischen REDD-Richtlinien indigenen Völkern keinerlei Landrechte in Wäldern zugestehe.

Diese Beispiele machen deutlich, wie wichtig es ist, dass alle weiteren Vereinbarungen zu REDD rechtlich bindende Verpflichtungen zur Wahrung der Rechte indigener Völker und lokaler Gemeinschaften enthalten. Die Beschlüsse von Kopenhagen müssen sicherstellen, dass die Entwicklung und Umsetzung nationaler REDD-Programme oder sub-nationaler Projekte nur auf der Basis einer freien, vorherigen und informierten Zustimmung der davon betroffenen indigenen Völker erfolgen darf. Keinesfalls darf dabei Zustimmung (consent) durch unverbindliche Beratung (consultation) ersetzt werden, wie es in den Textvorschlägen einiger Vertragsstaaten versucht wird. Eine Zustimmungspt würde ja bedeuten, dass ein Projekt auch scheitern könnte und so ist es kein Wunder, dass die Projektentwickler ihre Pflichten auf Beratung und Information beschränken wollen.

Dies gilt sowohl für die Verhandlungen innerhalb der Klima-Rahmenkonvention als auch außerhalb. Denn die derzeit zu beobachtende Verlagerung der konkreten Ausgestaltung von REDD-Umsetzungsplänen in Programme der Weltbank (Forest Carbon Partnership Facility) oder UN-Organisationen (FAO, UNEP und UNDP in UNREDD) überlässt der Klimakonvention allenfalls noch eine Richtlinienkompetenz.

Der Autor ist Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz (ARA).

Das Positionspapier der AG Wald zum Thema finden Sie unter www.forumue.de


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2009, S. 29
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. November 2009