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WALD/138: Waldpolitik - Biodiversität und Klimaschutz in der Warteschleife (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2010
2010 Entscheidungsjahr für die Biologische Vielfalt

Waldpolitik in Deutschland - Aktenzeichen ungelöst
Biodiversität und Klimaschutz in der Warteschleife

Von László Maráz


In der deutschen Waldpolitik bewegt sich zurzeit so gut wie nichts, wenn man von einigen Versuchen zur Steigerung und Förderung des Holzverbrauchs absieht. Im Gegenteil: Seit Jahren blockieren verschiedene Akteure Lösungsansätze selbst bei Problemen, die ihnen selbst zu schaffen machen.

Nun soll immerhin das Bundeswaldgesetz novelliert, und dabei etwa Kurzumtriebsplantagen (zum Beispiel Anbauflächen für Weiden oder Pappeln) künftig vom Waldbegriff ausgenommen werden. Eine Umwandlung von Wald in Schnellwuchsplantagen wäre genehmigungspflichtig, dafür könnte ein Landwirt seinen Pappelacker jederzeit wieder für den Anbau von Feldfrüchten nutzen. Auch soll eine bessere Regelung zur Verkehrssicherungspflicht zugunsten der Waldbesitzer gefunden werden. Deren Risiko, für einen Unfall etwa durch herabfallende Äste oder einen umstürzenden morschen Baum haften zu müssen, sollte in der Tat verringert werden. Dies könnte auch dazu führen, dass unsere Wälder und Forsten weniger stark "gesäubert" werden und käme damit den Erhalt wichtiger und seltener Biotope für Insekten und Pilze zugute.


Gute Fachliche Praxis - abgelehnt

Vor anderen wichtigen Entscheidungen will sich der Gesetzgeber weiterhin drücken. Eine verbindliche und bundeseinheitliche Definition der Guten Fachlichen Praxis wird von den Parlamentariern abgelehnt. Wieder einmal weigert sich ein Wirtschaftszweig, fachliche Qualitätskriterien für sein Handeln zu akzeptieren. Gewiss, eine solche Regelung würde Mindestanforderungen von den Waldbesitzern fordern, an die sich alle halten müssen. Aber damit könnte man der Öffentlichkeit nicht nur nachweisen, dass und wie man auch seiner gesellschaftlichen Verantwortung gerecht wird. Eine Regelung zur Guten Fachlichen Praxis, die zum Beispiel einen Mindeststandard für den Erhalt alter Bäume in jedem Wald festschreibt, würde auch eine Belohnung von Mehrleistungen ermöglichen. Wer mehr alte Bäume schützt und damit auf Einkommen aus dem Holzverkauf verzichtet, dem soll die Gesellschaft einen angemessenen finanziellen Ausgleich geben.


Biologische Vielfalt durch Nachhaltige Nutzung?

Doch die Verbände der Forst- und Holzwirtschaft waren noch nie besonders aufgeschlossen gegenüber Innovationen in Richtung Nachhaltigkeit. So beschwört der Deutsche Forstwirtschaftsrat gebetsmühlenhaft die hervorragenden Leistungen seiner Mitglieder beim Schutz der Biologischen Vielfalt, wehrt sich aber seit Jahren mit Zähnen und Klauen gegen die Schaffung zusätzlicher Schutzgebiete im Wald. Die Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt, die vom Kabinett im November 2007 verabschiedet wurde, hat bisher in punkto Schutzgebiete im Wald praktisch nichts bewegt. Die Bundesländer als Eigentümer des Staatswaldes sind nicht verpflichtet, die Strategie umzusetzen und denken auch nicht daran. Selbst der Bund versäumt es, bundeseigene Waldflächen ins Nationale Naturerbe zu überführen. Einem Antrag der grünen Bundestagsabgeordneten Cornelia Behm, diese Flächen unter Schutz zu stellen, werden nur geringe Chancen eingeräumt.

So unterliegen immer noch weniger als ein Prozent der deutschen Wälder absolutem Schutz und bleiben von forstlichen Eingriffen verschont. Sogar im Nationalpark Bayerischer Wald werden - unter dem Vorwand der Borkenkäferbekämpfung - riesige Mengen Holz eingeschlagen. Natur Natur sein lassen, das darf im deutschen Wald nicht sein. Verhindert werden soll offenbar, dass die Menschen sehen, dass sich Wälder ohne forstliche Eingriffe viel besser entwickeln und zu stabileren, artenreicheren Lebensgemeinschaften heranwachsen. Auch in den Bergwäldern des Bayerischen Alpenraumes werden immer noch Steilhänge mit Straßen erschlossen, um von Borkenkäfern befallene Bäume zu fällen und abzutransportieren. Dabei erledigen die Borkenkäfer nur ihre Aufgabe im natürlichen System, dessen Teil sie sind: Geschwächte, kranke Bäume werden entfernt, andere Baumarten füllen die Lücken im Waldbestand. Eigentlich dürften die Förster den Borkenkäfer nicht als Feind betrachten. Ganz im Gegenteil: Dieser Bioindikator liefert wertvolle Hinweise darauf, welche der vielen naturfernen Fichtenplantagen gezielt und zügig abgewickelt und umgebaut werden müssten, damit die Waldbesitzer möglichst geringe wirtschaftliche Schäden erleiden.


Waldpolitik in Deutschland - ein endloses Hickhack

Seit Ende 2008 versucht das BMELV nun, eine Waldstrategie 2020 zu erarbeiten. Dieser zunächst als Gesamtstrategie Wald geplante Prozess wurde nach Protesten der Umweltverbände, die eine Abstimmung mit anderen Ressorts und Strategien (v.a. Biodiversitätsstrategie) einforderten, zu einer hausinternen Strategie zurückgestuft. Bis heute existiert nach Auskunft des BMELV kein schriftlicher Entwurf dazu. Das 3. Symposium der Waldstrategie soll am 12. und 13. April stattfinden, doch der Titel lässt nichts Gutes erwarten: "Mehr Holz im Einklang mit der Gesellschaft".

Das ist auch das Motto, unter dem die Spitzenverbände der Forst- und Holzwirtschaft seit Jahren gegen den Naturschutz argumentieren. So betonen der Bundesverband Säge- und Holzindustrie Deutschland und die Arbeitsgemeinschaft Rohholzverbraucher zum Tag des Artenschutzes Anfang März in einem Positionspapier die segensreiche Rolle, die eine intensive Holznutzung für den Artenschutz, den Klimaschutz und die Schaffung von Arbeitsplätzen habe. Auch der Deutsche Forstwirtschaftsrat ist sich nicht zu schade, die Schutzzonen, die in FSC-zertifizierten Forstbetrieben erhalten werden, quasi als Klimakiller zu bezeichnen. Demnach seien diese sogenannten Referenzflächen, die forstlich unbewirtschaftet bleiben, für die Biotopfunktionen, die Erholungsfunktion und die Klimaschutzfunktion nicht geeignet, so der Bundestagsabgeordnete und DFWR-Präsident Georg Schirmbeck.


Verkehrte Welt

Wurde die Biologische Vielfalt von Förstern und Holzfällern erfunden? Wissenschaftlich besteht kein Zweifel daran, dass reife Urwälder die besten Speicher für Kohlenstoff sind, während in bewirtschafteten Forsten weniger als die Hälfte dessen gespeichert wird, was von Natur aus möglich wäre. Fakt ist: Würde Deutschland endlich auf fünf Prozent der Waldfläche Schutzgebiete einrichten, würden diese über mehrere Jahrhunderte jährlich große Kohlenstoffmengen einlagern. Erst nach langer Zeit nähern sich solche Wälder einem Gleichgewichtszustand an und nehmen weniger Kohlenstoff auf. Die viel zitierten Holzprodukte aber, die mit vermehrtem Holzeinschlag dem Klimaschutz dienen sollen, gibt es gar nicht. Denn es werden in Deutschland etwa genau so viele Häuser abgerissen und Möbel entsorgt, wie neu gebaut oder verbraucht werden. Bei Brennholz und Papier sind die Kreisläufe noch kürzer. Niemand hortet immer mehr Papier oder alte Möbel. Den Holzproduktespeicher gibt es zwar, aber die jährlichen Veränderungen dürften vernachlässigbar sein.


Forderungen an einen Waldpolitikdialog

Weder das zuständige BMELV, noch andere Institutionen und Verbände sind derzeit in der Lage, einen breiten gesellschaftlichen Dialog zu organisieren und moderieren, bei dem sich die verschiedenen Akteure zu gemeinsamen Aktionen verständigen. Das Nationale Waldprogramm existiert nur noch im Webauftritt des BMELV. Dabei waren dort vielversprechende Handlungsempfehlungen im Konsens verabschiedet worden. Doch da nur die Umweltverbände deren Umsetzung einfordern wollten, scheiterte der Prozess. Auch die Waldstrategie 2020 des BMELV bietet zurzeit keinen vielversprechenden Ansatz, die vielen Probleme, die zweifellos anstehen, anzugehen. Die Forderungen, die einige Umweltverbände unter Federführung der AG Wald des Forums Umwelt & Entwicklung an Ministerin Ilse Aigner gerichtet hatten, wurden bis heute nicht aufgegriffen.

Dabei gäbe es genug zu tun: Für den Aktionsplan Erneuerbare Energien (und auch den Biomasseaktionsplan und den Aktionsplan Stoffliche Nutzung) fehlt es an Leitplanken im Bezug auf ökologisch nachhaltige Waldholz-Potenziale. Wieviel Totholz bzw. Biotopholz wird zur Sicherung der Biodiversität und der Bodenfruchtbarkeit benötigt und steht als Biomasse nicht zur Verfügung? Wo macht es noch Sinn, weitere Biomassekraftwerke zu errichten? Welche Kriterien müssten für Kurzumtriebsplantagen gelten? Wie bedeutend sind die Ursachen für "vermiedenen Holzzuwachs" (v.a. überhöhte Schalenwildbestände, Immissionsschäden, naturferne Forstwirtschaft, Subventionen für andere Baustoffe, Konkurrenz durch Billigimporte) im Vergleich zu den befürchteten Produktionseinbußen durch Unterschutzstellung von mindestens 5% der Waldfläche, und wie könnten erstere abgestellt werden? Wieviel Kohlenstoff wird in Holzprodukten wirklich gespeichert und wie viel könnte durch gesteigerte Holzverwendung hinzukommen? Wie viel mehr Kohlenstoffspeicherung könnten Waldschutzgebiete bringen? Welche Waldflächen sind heute schon gesetzlich geschützt und können sich natürlich entwickeln? Wie könnten die Importe illegaler Raubbauhölzer wirksam verhindert werden? Welche Maßnahmen könnten das fortdauernde Problem der Immissionsschäden lösen? Mit welchen Maßnahmen können unsere Wälder am besten auf den Klimawandel vorbereitet werden? Und wie könnte eine gesetzlich verankerte und definierte Gute Fachliche Praxis aussehen, die zum einen Mindest-Kriterien im Rahmen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums vorschreibt und zugleich als Richtschnur für die Honorierung von Gemeinwohlleistungen dient? Alles unbeantwortete Fragen. Hinzu kommt, dass eine Bilanzierung der Gemeinwohlleistungen der Wälder bis heute nicht geplant ist.

Es gibt viel zu tun - doch wer packt es endlich an?

Der Autor ist Koordinator der Plattform nachhaltige Biomasse und Koordinator der AG Wald im Forum Umwelt und Entwicklung.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2010, S. 20-21
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juni 2010