Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → LANDWIRTSCHAFT

WALD/189: Wie viel Holz braucht der Wald? (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2013
Holzplantage oder Ökosystem? - Wälder unter Nachfragedruck

Wie viel Holz braucht der Wald?
Grenzen der Holznutzung aus ökologischer und waldbaulicher Sicht - Workshop der Verbände- und Dialogplattform Wald

Von László Maráz



Im Zuge der Debatte um Schutzgebiete, Erneuerbare Energien und ökologische Waldnutzung wird meist darum gestritten, wie viel Holz wir noch aus dem Wald holen können und wer den nachwachsenden Rohstoff verbrauchen darf. Dass Wälder wunderbar gedeihen, ohne dass man ihnen Holz entnimmt, gerät dabei nicht nur allzu schnell in Vergessenheit. Mit Begriffen wie Waldrestholz wird gar suggeriert, dass Holz eine Art Abfallprodukt sei und seine Entsorgung dem Wald nicht schaden könnte.


Unsere Wälder unterliegen heute vielfältigen Ansprüchen von Gesellschaft und Wirtschaft. Die steigende Bereitschaft, diese Ökosysteme für den Erhalt der biologischen Vielfalt zu schützen, konkurriert dabei mit dem zunehmenden Einsatz nachwachsender Rohstoffe. Mit der Begründung, den Verbrauch fossiler Rohstoffe zugunsten des Klimaschutzes zu begrenzen, wird der Nutzungsdruck auf den Wald gesteigert. Dem Holzeinschlag sind aber natürliche Grenzen gesetzt, die zu respektieren sind, wenn wir die Wälder nicht übernutzen oder unseren Holzbedarf durch verstärkte Holzimporte decken wollen.

Wo liegen Grenzen des Holzeinschlages?
Diese Frage ist nach wie vor ebenso umstritten wie ungeklärt. Niemand kennt genaue Grenzen, zumal diese je nach Standort und Bewirtschaftungskonzept sehr unterschiedlich ausfallen dürften. Entscheidend ist, welche Prioritäten die Gesellschaft verfolgt: wer vor allem viel Holz ernten will, wird anders handeln als jemand, dem Naturschutz besonders wichtig ist. Dennoch dürfte es selbst für engagierte Rohstoffnutzer ratsam sein, auch hinsichtlich der Stärke der Holznutzung Grenzen einzuhalten, damit die Leistungsfähigkeit des Waldes als Produktionsstätte erhalten bleibt. Dazu muss die Fruchtbarkeit und gesunde Struktur der Waldböden in ausreichendem Umfang gefördert werden.

Solche und andere Fragen bildeten den Kern des ersten Workshops der Dialogplattform Wald »Wie viel Holz braucht der Wald?«. Thema war dabei auch, welche Mengen und Qualitäten an Biotopholz für die waldtypische Biodiversität, aber auch für die Widerstandsfähigkeit gegenüber Klimastress notwendig sind. Auch solche scheinbar auf Naturschutzinteressen beschränkte Fragen sind für die Bewirtschaftung der Wälder nicht unerheblich, da gesunde Wälder leistungsfähiger sind. Ebenso galt es deutlich zu machen, dass auch Wirtschaftsinteressen wichtig sind, um Umwelt- und Naturschutzinteressen zu berücksichtigen: Denn der nachwachsende Rohstoff Holz hat aus ökologischer Sicht viele Vorzüge gegenüber den sonstigen, meist energie- und rohstoffintensiven Bau- und Werkstoffen.

Erkenntnisse des Wald-Workshops
Den durchaus fachkundigen Teilnehmern des ersten Workshops der Dialogplattform Wald wurden einige überraschende Erkenntnisse vermittelt. Begonnen hatte die Tagung mit einem Beitrag von Franziska Tucci vom Centre for Econics and Ecosystem Management (Eberswalde), die im Rahmen einer Kurzstudie den Akteuren einen Überblick über die wichtigsten Zusammenhänge und Probleme verschaffte, welche aus einer wachsenden Rohstoffnachfrage und der folgenden Nutzungsintensivierung entstehen könnten. Demnach hätten Aktionspläne für die verstärkte Nutzung von Biomasse für energetische und stoffliche Zwecke eine Steigerung der Holzernte zur Folge. Hieraus könnten sich etwa infolge hoher Nährstoffentzüge nachteilige Auswirkungen auf die Bodenfruchtbarkeit und die Biologische Vielfalt ergeben. Die Kurzstudie soll Ende des Jahres vorliegen.

Der Biologe Dr. Georg Möller veranschaulichte in seinem Referat Biotopholz für die Biologische Vielfalt die Bedeutung von Biotopholz für die waldtypischen Ökosystemfunktionen. Unter dem Motto: »Die Natur erzeugt keinen Müll: Es gibt nichts zu entrümpeln« nannte er typische Beispiele wertvoller Biotopholz-Vorkommen und stellte einige der inzwischen selten gewordenen Käfer- und Pilzarten vor. Er machte deutlich, wie wichtig der Schutz von Alt- und Tothölzern als Kernlebensräume der waldtypischen Biodiversität sei. Als Schwellenwerte für Biotopholz in Laubholz-Altbeständen gölten mindestens 10 lebende Habitatbäume pro Hektar und mindestens 40 Festmeter stehendes und liegendes, dickes Totholz pro Hektar erntereifen Altbestandes.

Prof. Pierre Ibisch von der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde stellte in seinem Vortrag »Wie viel Biomasse braucht das Waldklima?« neuere Forschungsergebnisse über Wirkungen erhöhter Biomassemengen (v.a. Totholz) auf die Ökosystemfunktionalität vor. Am Beispiel des Waldinnenklimas ließ sich anschaulich machen, wie Biotopholzreiche Wälder in der Lage seien, so erhebliche Mengen an Energie und Wasser zu speichern, dass Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen deutlich abgemildert würden und damit die Auswirkung von Hitze- oder Trockenperioden erst nach mehreren Wochen spürbar werde. Auch für Arten, die auf Feuchtigkeit angewiesen seien, stellten Biotophölzer gerade in solchen Zeiten wichtige Refugien dar. Anthropogene Störungen degradierten hingegen das Puffervermögen (= Verlust von energieaufnehmenden Strukturen) und führten zu erhöhtem Stress im Ökosystem.

Prof. Dr. Axel Göttlein vom Fachgebiet Waldernährung der TU München warnte eindringlich vor einer unkritischen Nutzung gerade der nährstoffreichen Biomassesortimente. Der Entzug und Verkauf von Rinde, Ästen, Zweigen und Nadeln bringe zwar Zusatzerlöse, fordere im Gegenzug aber ein Vielfaches an Nährstoffverlusten, so dass sich diese Form der Biomassenutzung mitunter sehr nachteilig auf das Bestandswachstum auswirke. Die meisten Wälder kämen ohnehin auf sauren und nährstoffarmen Standorten vor und verlören seit Jahrzehnten durch Einträge von Stickstoffverbindungen über die Auswaschung von Nitrat erhebliche Mengen an anderen Nährelementen wie Kalium und Magnesium und verarmten weiter. Inzwischen gäbe es bereits entsprechende Standortkartenwerke, an denen sich die Nutzung orientieren könne. Zu beobachten sei, dass viele Forstbetriebe mittlerweile die Biomassenutzung (v.a. Brennholz) deutlich reduzierten, um die Standortqualität zu sichern.

Ulrich Mergner stellte das Biotopbaum-Konzept des Forstbetrieb Ebrach und der BaySF vor. Im nördlichen Steigerwald verfolge man ein integratives Waldbewirtschaftungskonzept, bei welchem die Bewirtschaftung des Staatswaldes auf eine Optimierung des Gesamtnutzens aller Waldfunktionen abziele. Hierzu zähle eine Reihe von Schutzgebieten ohne holzwirtschaftliche Nutzung, in denen sich über viele Jahrzehnte eine eindrucksvolle biologische Vielfalt erhalten konnte. Wenngleich man hier im Gegensatz zur geforderten Ausweisung eines Nationalparks lediglich mittelgroße Flächen sich selbst überlassen wolle, würden auf der bewirtschafteten Fläche einige Anstrengungen unternommen, um wenigstens Trittsteinbiotope zu erhalten. Auch die Brennholznutzung werde begrenzt. Kritisch wirkten sich frühere Auslesedurchforstungen nach dem Konzept der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft auf die biologische Vielfalt aus, da vor allem die holztechnisch geringwertigen Bäume fehlten, die als Biotope für die Waldlebewesen besonders wertvoll seien.

Denny Ohnesorge von der Arbeitsgemeinschaft Rohholzverbraucher gelang es, den Teilnehmern die erheblichen Herausforderungen deutlich zu machen, denen sich die Holzverarbeitende Industrie vor dem Hintergrund des Rückgangs des Nadelholzanbaus und der Zunahme von Laubholz stellen muss. Zwar sei es technologisch durchaus möglich, Produkte, die bislang zu großem Anteil aus dem leichten und tragfähigen Nadelholz gefertigt würden, auch aus Buchen- oder anderen Laubhölzern herzustellen. Doch seien diese erheblich teurer und schwerer, und daher nicht marktfähig.

Konstruktive Diskussion
In der anschließenden Diskussion zeigte sich, dass sich die Akteure engagiert und mit einer großen Bereitschaft zum konstruktiven Austausch an diesem Dialogprozess beteiligen. Für viele Teilnehmer war es durchaus überraschend zu sehen, welche wichtigen Funktionen von Biomasse im Wald bislang weitgehend unerkannt und unberücksichtigt bleiben. Darunter fiel die Erkenntnis, dass Biotopholz nicht nur der biologischen Vielfalt dient, sondern massive Vorteile auch für die Wahrung anderer, wirtschaftlich relevanter Waldfunktionen hat. Diskutiert wurde auch über die dramatische Situation der Waldböden, die Probleme und Sorgen der Holzwirtschaft und Lösungsansätze wie einem effizienteren, sparsameren Umgang mit Energieholz.

Weitere Tagungen sind geplant
Weitere Tagungen werden im kommenden Jahr auch in anderen Regionen stattfinden. Geplant ist ferner, bei Exkursionen in Wald und holzverarbeitende Betriebe mehr Wissen und Problembewusstsein zu fördern. Damit soll nicht zuletzt die Chance eröffnet werden, zu den Anliegen, bei denen sich gemeinsame Interessen herausarbeiten lassen, auch gemeinsam Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Wichtig ist dabei, die Notwendigkeit für ökologische Leitplanken in den verschiedenen Strategien und Programmen zur verstärkten Biomassenutzung sichtbar zu machen. Zu diskutieren sind auch Maßnahmen zur Verringerung des Ressourcenverbrauchs, um den Druck auf die Wälder zu senken. Dies betrifft vor allem den Verbrauch an kurzlebigen Holzprodukten (zum Beispiel Papier, Verpackungen). Das Projekt will außerdem einen Beitrag leisten zur Vermeidung negativer Auswirkungen des Nutzungsdruckes auf die biologische Vielfalt und die Leistungsfähigkeit der Wälder, sowie zur Stärkung ihrer Funktion als CO2-Senke und ihrer Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel.


Autor László Maráz ist Koordinator der Plattform Wald des Forum Umwelt und Entwicklung.

Die Dialogplattform »Waldbiodiversität lebensraumtypisch erhalten, fördern, entwicklen und vernetzen« bringt verschiedene Akteure zusammen, um gemeinsam über Möglichkeiten zur Verringerung des Nutzungsdrucks auf Wälder zu diskutieren.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

*

Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2013, S. 6-7
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Februar 2014