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FORSCHUNG/270: Savannen - Im Rhythmus der Vegetation (DFG)


forschung 2/2009 - Das Magazin der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Im Rhythmus der Vegetation

Von Kerstin Wiegand

In der Savanne lassen sich die farbenprächtigen südafrikanischen Sonnenuntergänge besonders gut beobachten. Foto: Katrin M. Meyer

In der Savanne lassen sich die farbenprächtigen südafrikanischen
Sonnenuntergänge besonders gut beobachten.
Foto: Katrin M. Meyer

Viele Savannen gelten als bedroht. Doch die riesigen Flächen, die ein Fünftel der Erde bedecken, haben ihre ganz eigene Dynamik: Die scheinbar unaufhaltsame Verbuschung ist häufig nur ein natürliches Durchgangsstadium


Savannen? Mit dem Begriff verbinden viele Menschen die Wiege der Menschheit oder auch die "Big Five": Elefant und Nashorn, Büffel, Löwe und Leopard. Doch der Alltag sieht für Savannenbewohner weniger romantisch aus. Die Menschen leben meist von Weidewirtschaft und das Wohlergehen ihrer Rinder, Ziegen und Schafe wird stark vom Rhythmus der wiederkehrenden Trockenperioden und Wetterextreme geprägt.

Als Weideland genutzte Savannen bieten insbesondere im südlichen und östlichen Afrika die Ernährungsgrundlage für eine wachsende Landbevölkerung. Diese Existenzbasis ist zunehmend gefährdet; viele Savannen sind von Verbuschung bedroht. Gerade für Rinder ist das ein Problem, weil sie fast ausschließlich Gräser (und Kräuter) fressen und Dornenbüsche meiden.


Trockensavannen werden von einer zyklischen Abfolge
zwischen gras- und baumdominierter Vegetation geprägt:
Flächen mit Gräsern, mit heranwachsenden Baumkeimlingen,
ausgreifenden Büschen und einzelnen Bäumen wechseln
einander ab. So entsteht ein Mosaik aus Patches.

Das Bild zeigt die kurzfristigen Folgen eines Feuerexperimentes in einem sandigen Gebiet auf den Pniel Estates. Foto: Kerstin Wiegand

Sowohl starke Beweidung als auch Feuer können einen extremen Rückgang
der Vegetation bewirken, mit dem tendenziellen Unterschied, dass
starke Beweidung einen langfristigen Einfluss hat. Das Bild zeigt die
kurzfristigen Folgen eines Feuerexperimentes in einem sandigen Gebiet
auf den Pniel Estates.
Foto: Kerstin Wiegand

Ein Keimling der Dornbuschsavannenart Acacia mellifera neben einigen vertrockneten Grashalmen. Foto: Kerstin Wiegand

Ein Keimling der Dornbuschsavannenart Acacia
mellifera neben einigen vertrockneten Grashalmen.
Foto: Kerstin Wiegand

In dieser Savanne nördlich von Kimberley, Südafrika findet man ausschließlich Kameldornakazien (Acacia erioloba), was auf den tiefgründigen Sandboden und das flache Relief zurückzuführen ist. Die Analyse von Luftbildern hat auch für dieses Gebiet die Patch-dynamics-Theorie bestätigt. Foto: Kerstin Wiegand

In dieser Savanne nördlich von Kimberley, Südafrika findet man
ausschließlich Kameldornakazien (Acacia erioloba), was auf den
tiefgründigen Sandboden und das flache Relief zurückzuführen ist.
Die Analyse von Luftbildern hat auch für dieses Gebiet die
Patch-dynamics-Theorie bestätigt.
Foto: Kerstin Wiegand

Bisher ist die Verbuschung vor allem mit Überweidung erklärt worden. Durch zu starke Beweidung werden die Gräser so stark abgefressen, dass sie sich nicht regenerieren können. Die Vermutung ist, dass die konkurrierenden Büsche und Bäume davon profitieren. Bei sehr starker Überweidung tritt außerdem "Vertritt" auf, der den Boden komprimiert. Solches ist in der Nähe von Wasserlöchern zu beobachten, die als Tränke für Weidevieh dienen. Eine übermäßig betriebene Weidewirtschaft liefert für die Verbuschung einen wichtigen Erklärungsansatz. Doch heißt dies im Umkehrschluss auch, dass Verbuschung auf jeden Fall auf Überweidung zurückzuführen ist?

Die Suche nach der Antwort führt zur viel grundlegenderen "Savannenfrage": Warum gibt es eigentlich Savannen? Immerhin bedecken diese 20 Prozent der Landfläche der Erde und mehr als die Hälfte Afrikas. Die Vegetation der Savannen besteht aus einer Mischform von Bäumen und Gräsern, also weder reinem Wald noch Grasland. Wie ist es möglich, dass zwei pflanzliche Lebensformen - Bäume und Büsche auf der einen Seite und Gräser auf der anderen - über sehr lange Zeiträume und auf solch riesigen Flächen koexistieren können? Dies ist biologisch nicht selbstverständlich. Denn Studien an Savannengräsern zeigen, dass sie die Keimung von Samen und das Heranwachsen von Baumsämlingen verhindern können. Andererseits scheinen Savannenbäume durch ihre starke Wasserkonkurrenz und durch Schattenbildung das Graswachstum deutlich zu unterdrücken.

Im Schutz großer Kameldornakazien (Acacia erioloba) wird häufig das Wachstum anderer Buscharten wie Grewia flawa, Tarchonanthus camphorathus und verschiedener Akazienarten begünstigt. Dies wirkt sich auch auf die Artenvielfalt der Tiere positiv aus. Foto: Kerstin Wiegand

Im Schutz großer Kameldornakazien (Acacia erioloba) wird häufig das
Wachstum anderer Buscharten wie Grewia flawa, Tarchonanthus
camphorathus und verschiedener Akazienarten begünstigt. Dies wirkt
sich auch auf die Artenvielfalt der Tiere positiv aus.
Foto: Kerstin Wiegand

So stellt sich die Frage, warum Savannen nicht ein geografisches Rand- und zeitliches Übergangsphänomen sind, das sich recht schnell entweder zum reinen Grasland oder zu Wald entwickelt. Der klassische Erklärungsversuch geht auf Beobachtungen des Geobotanikers und Ökophysiologen Heinrich Walter in Namibia zurück. Walter, der 1919 in Jena promovierte, unternahm schon in den dreißiger Jahren erste Forschungsreisen ins damalige Südwestafrika. 1939 veröffentlichte er eine erste Publikation, die seine Erklärungen zur Baum-Gras-Koexistenz beschrieb.

Sein Erklärungsansatz besagt, dass das Konkurrenzgleichgewicht von Baum- und Grasanteilen maßgeblich vom Niederschlag bestimmt wird. Je mehr Niederschlag, desto mehr Wasser kann in tiefere Bodenschichten eindringen. Diese werden ausschließlich von Baumwurzeln durchdrungen. Somit seien die flachwurzelnden Gräser in trockenen Savannen mit weniger als 250 Millimeter Jahresniederschlag gegenüber den Bäumen im Vorteil, aber in feuchteren Savannen mit mehr als 500 Millimeter Regen im Nachteil. Die dieser These zugrunde liegende Unterscheidung zwischen einer gras- und einer baumdominierten Bodenschicht konnte allerdings nur in einem Teil aller Savannen bestätigt werden. Deshalb kann diese "Zweischichtenhypothese" die Baum-Gras-Koexistenz sowie die Savannenvielfalt nicht generell erklären.

Die entscheidende Idee zu einem neuen Erklärungsversuch kam der Autorin bei Studien einer Trockensavanne in Namibia. Diese Savanne zeichnet sich durch lokale Vegetationsflächen (Englisch: patches) aus, die von Bäumen gleicher Größe dominiert werden. Die Savanne ist somit ein Flickenteppich aus Patches mit Verbuschung (extrem dicht gepackte und sehr kleine Büsche), Patches mit recht vielen kleinen Bäumen und Patches mit wenigen Bäumen und viel Gras. Ein solches Muster kann durch die "Patch-Dynamics-Theorie" für Trockensavannen erklärt werden.

Die Theorie besagt, dass Savannen aus einem Mosaik von Patches bestehen, in denen eine zyklische Abfolge zwischen Gras- und Baumdominanz räumlich ungleichzeitig abläuft. Die Dynamik wird von zwei Faktoren getrieben: räumlich und zeitlich sehr variablem Niederschlag und der Konkurrenz zwischen Bäumen. Ausreichender Niederschlag kann in grasdominierten Patches lokal günstige Bedingungen für die Verjüngung des Baumbestandes schaffen und somit örtliche Verbuschung verursachen. Über die Jahre wachsen die Bäume und konkurrieren gegeneinander, so dass sich die Verbuschung auflöst und sich wieder ein grasdominierter Patch mit wenigen sehr großen Bäumen bildet.

Foto: Kerstin Wiegand

Foto: Kerstin Wiegand

Die Patch-Dynamics-Theorie erklärt das Fleckenmuster der Savannenvegetation mit einem raumzeitlichen Mechanismus und verbindet es mit dem Phänomen von oft extrem lokal auftretenden Niederschlägen. Auf der Landschaftsebene wird von einem "Fließgleichgewicht" ausgegangen: die Vegetation in den einzelnen Patches verändert sich zwar, aber die Gesamtzahl der Patches eines Stadiums in der Landschaft bleibt in etwa konstant. Die angeführten Asymmetrien - Bäume unterdrücken Gräser und Gräser unterdrücken Baumkeimlinge - sind Bestandteil der Savannendynamik - und verbunden mit Kräften, die sich im Laufe eines Zyklus in ihrer Dominanz abwechseln. Hier spielt der Niederschlag eine entscheidende Rolle. Der südafrikanische Biologe David Ward konnte etwa durch Experimente zeigen, dass die Unterdrückung von Baumkeimlingen durch Gräser bei hohem Niederschlag extrem abgeschwächt wird.

Da Felduntersuchungen und -experimente immer nur kurzzeitige Einblicke geben können und das Studium eines vollständig durchlaufenen Patchzyklus die Lebensarbeitszeit eines Forschers überschreiten würde, ist die Patch-Dynamics-Theorie mit eigens entwickelten Simulationsmodellen überprüft worden. Unter anderem erstellte die damalige Jenaer Doktorandin Katrin M. Meyer gemeinsam mit David Ward für ein Untersuchungsgebiet in der Nähe von Kimberley, Südafrika, das Simulationsmodell SATCHMO. Das Modell bildet ab, wie Bäume und Gräser innerhalb eines Vegetationspatches im täglichen Kampf um Wasser konkurrieren, wachsen und sterben.

Auf dem Weg zur Felddatenaufnahme. Katrin Meyer (Doktorandin im Projekt, ganz rechts) und Cara Niewoudt (Universität Stellenbosch, ganz links) erhalten tatkräftige Unterstützung von Arbeiterinnen und Arbeitern aus dem Nachbardorf Pniel. Foto: Kerstin Wiegand

Auf dem Weg zur Felddatenaufnahme. Katrin Meyer (Doktorandin im
Projekt, ganz rechts) und Cara Niewoudt (Universität Stellenbosch,
ganz links) erhalten tatkräftige Unterstützung von Arbeiterinnen
und Arbeitern aus dem Nachbardorf Pniel.
Foto: Kerstin Wiegand

Die Frage stellte sich, ob dieses Modell auch zyklische Vegetationsabfolgen aufweisen würde? In der Tat bildeten sich solche Abfolgen mit einer Spanne von etwa 33 Jahren Dauer heraus. Es ist jedoch zu beachten, dass die Dauer der Zyklen stark von den lokalen Gegebenheiten, namentlich vom Niederschlag und von der Artenzusammensetzung, abhängt. Mit anderen Worten: die Existenz von Zyklen ist als allgemeines Phänomen in Savannen erfassbar, nicht aber ihre Dauer.

Auch für die Landschaftsebene war die Patch-Dynamics-Theorie hilfreich. Das unerwartete Ergebnis des von dem Doktoranden Aristides Moustakas entwickelten Savannenmodells: Zwischen den lokal ablaufenden Zyklen in den Patches stellt sich kein konstantes "Fliessgleichgewicht" ein, sondern lassen sich Zyklen mit einer Periode von - je nach Jahresniederschlag - 200 bis 300 Jahren beobachten. Weitere argumentative Unterstützung der Theorie leitet sich her aus der Analyse von Luftbildern einer Kameldornsavanne aus den Jahren 1940, 1964, 1984 und 2001. Unabhängig von der Autorin kam Frau Lindsey Gillson an der Universität Oxford durch paläontologische Untersuchungen zu dem Schluss, dass ostafrikanische Trockensavannen patch-dynamische Systeme sind.

Die Erklärungskraft der Patch-Dynamics-Theorie für Trockensavannen ist erheblich. Was kann sie nun zum Verständnis von Verbuschung beitragen? Verbuschung ist nicht unbedingt ein Phänomen, das durch Überweidung verursacht wird, sofern die Beweidung nicht extreme Ausmaße annimmt, wie in der direkten Umgebung vieler Wasserlöcher. Im Lichte der Patch-Dynamics-Theorie ist Verbuschung ein fester Bestandteil von Savannen. Sie ist demnach ein Übergangsstadium zwischen Grasdominanz und offener Savanne mit wenigen, großen Bäumen. Dieser Übergang kann weit über 30 Jahre dauern. Für Farmer mit einer Lebensarbeitszeit von kaum mehr als 30 Jahren erscheint das als ein permanentes Problem.

Die horizontalen Wurzelsysteme der Dornenbüsche reichen weit über die Krone hinaus wie hier bei Acacia mellifera. Auf den Pniel Estates nördlich von Kimberley, Südafrika, haben Ausgrabungen durch die örtlichen Arbeiter horizontale Wurzellängen von bis zu 15 m ergeben. Foto: Katrin M. Meyer

Die horizontalen Wurzelsysteme der
Dornenbüsche reichen weit über die Krone
hinaus wie hier bei Acacia mellifera.
Auf den Pniel Estates nördlich von
Kimberley, Südafrika, haben Ausgrabungen
durch die örtlichen Arbeiter horizontale
Wurzellängen von bis zu 15 m ergeben.
Foto: Katrin M. Meyer

Verbuschung als integraler Bestandteil von Savannen ist jedoch kein Freifahrtschein für ungezügelte Beweidung. Insbesondere in offenen, grasdominierten Savannenpatches sollten Farmer in regenreichen Jahren mit der Beweidung sehr zurückhaltend sein. Denn Baumkeimlinge benötigen viel Wasser; und wenn die Konkurrenz der Gräser durch Rinder oder Schafe minimiert wird, entstehen ideale Bedingungen um einen neuen Zyklus der Verbuschung zu starten.

Sicher: Die Natur ist letztendlich vielschichtiger als eine Patch-Dynamics-Theorie auf Patch- und Landschaftsebene. Dazu kommt, dass jede Savanne sich aus einer Reihe verschiedener Gras- und Baumarten zusammensetzt, die alle verschiedene ökologische Eigenschaften haben. Dennoch sprechen alle Zeichen dafür, dass ein Grundmuster zur Beschreibung der Dynamik von Savannen gefunden wurde. Dieses gilt es weiter zu beschreiben und zu erforschen.


Prof. Dr. Kerstin Wiegand ist Professorin für Ökosystemmodellierung and der Universität Göttingen. Zur Zeit der hier dargestellten Untersuchungen war sie Juniorprofessorin für Ökologie/Biomathematik an der Universität Jena.

Adresse: Abteilung Ökosystemmodellierung der Universität Göttingen, Büsgenweg 4, 37077 Göttingen

Die DFG hat die Studien zur Ökologie arider Savannen im Normalverfahren gefördert

http://www.uni-goettingen.de/EcoMod.html

Foto: Kerstin Wiegand

Foto: Kerstin Wiegand


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Quelle:
forschung 2/2009 - Das Magazin der Deutschen Forschungsgemeinschaft,
S. 8 - 12
mit freundlicher Genehmigung der Autorin
Herausgeber: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Kennedyallee 40, 53175 Bonn
Telefon: 0228/885-1, Fax: 0228/885-21 80
E-Mail: postmaster@dfg.de
Internet: www.dfg.de

"forschung" erscheint vierteljährlich.
Jahresbezugspreis 2009: 59,92 Euro (print),
66,64 Euro (online), 70,06 Euro für (print und online)
jeweils inklusive Versandkosten und MwST.


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Dezember 2009