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FORSCHUNG/372: Windräder haben im Wald nichts zu suchen (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 184 - Februar/März 2015
Die Berliner Umweltzeitung

Windräder haben im Wald nichts zu suchen
Deutsche Wildtier Stiftung veröffentlicht Studie zur Windenergie im Lebensraum Wald

Von Veit Ulrich


Die Windenergie gilt gemeinhin als sauber und umweltfreundlich. Im Gegensatz zu den fossilen Brennstoffen erzeugt sie kein klimaschädliches Kohlenstoffdioxid und keinen gefährlichen Müll wie die Atomkraft. Der größte Teil der Bevölkerung befürwortet die Windkraft, doch direkt vor dem eigenen Haus möchte fast niemand ein Windrad haben. Deswegen werden beim Bau neuer Windräder Mindestabstände zur Wohnbebauung vorgeschrieben. Da Deutschland sehr dicht besiedelt ist, gibt es hier nur wenig Flächen, die weit genug von Wohnsiedlungen entfernt sind und sich somit für Windkraftanlagen eignen. Oftmals sind diese Flächen bewaldet. Logischerweise werden die Wälder also in zunehmendem Maße von Windrädern erobert, zumal sich die Waldbesitzer durch Pachteinnahmen oder durch die eigenständige Betreibung der Anlagen ein hübsches Sümmchen hinzuverdienen können. Pro Anlage und Jahr sind Pachterträge von über 75.000 Euro üblich.

Der regelrechte Wildwuchs von Windenergieanlagen in den Wäldern ist noch relativ neu, weil die Windräder in der Vergangenheit noch zu klein und technisch noch nicht so ausgereift waren, als dass sie auch im Wald hohe Stromerträge hätten erzielen können. Heute werden auch im Binnenland häufig Windkraftanlagen mit einer Höhe von 120 Metern und mehr errichtet. Kombiniert man die Höhe mit größeren Rotordurchmessern, kann ein Windrad auch in windschwachen Gegenden so viel Strom erzeugen, wie früher nur in Küsten- und Gebirgsregionen möglich war. Deswegen sind jetzt auch Waldstandorte attraktiv geworden, wo Windenergieanlagen aufgrund ihrer Barrierewirkung und der Turbulenzen, die sie erzeugen, früher keinen Ertrag gebracht hätten.

Fledermäuse und Vögel gefährdet

In ihrer neuen Studie "Windenergie im Lebensraum Wald" kritisiert die Deutsche Wildtier Stiftung den Bau von Windrädern im Wald. Autor der Studie ist der renommierte Biologe Dr. Klaus Richarz, der 22 Jahre lang die Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland leitete. Die Wildtier Stiftung hat herausgefunden, dass jährlich 240.000 Fledermäuse aufgrund von Windkraftanlagen sterben. "Die meisten heimischen Fledermausarten stehen auf der Roten Liste", sagt Richarz. Dabei sind die rotierenden Flügel der Windräder nicht das größte Problem, denn diese können die Fledermäuse in der Regel umgehen. Die eigentliche Gefahr ist der Unterdruck auf der Rückseite der Rotoren, welcher dazu führt, dass die Lungen der kleinen Tiere platzen. Man spricht hier auch vorn "Barotrauma".

Auch seltene Vogelarten wie der Rotmilan, der Schreiadler und der Schwarzstorch, reagieren sensibel auf Windkraftanlagen. Nachdem beispielsweise am Vogelsberg in Hessen im Zeitraum von nur sechs Jahren ganze 125 Windräder gebaut wurden, halbierte sich dort der Brutbestand der Schwarzstörche. Des Weiteren kollidieren viele Greifvögel mit den Rotorblättern und sterben. Zahlreiche Arten großer Brutvögel führen in der Höhe der Rotoren ihre Balzrituale aus, und auch Zugvögel nutzen diesen Bereich. Außerdem führen die Windenergieanlagen im Wald zu einem Verlust der Jagdgebiete sowie der Fortpflanzungs- und Ruhestätten von Vögeln und Fledermäusen.

Insgesamt kommt die Studie zu dem Schluss, dass Windkraftanlagen das Ökosystem Wald erheblich gefährden. "Wildtiere dürfen nicht die Verlierer der Energiewende sein. Die Energiewende braucht eine Wende zugunsten der Natur", fordert Prof. Fritz Vahrenholt, Alleinvorstand der Deutschen Wildtier Stiftung.

Durch den gedankenlosen Ausbau der Windenergie gerät das Ziel der Bundesregierung, den Rückgang der Artenvielfalt bis 2020 aufzuhalten, in ernste Gefahr. "Buchenwälder müssen zur Tabuzone erklärt werden", sagt Richarz. "Sie sind Hotspots der Biodiversität, für die Deutschland globale Verantwortung trägt." Schließlich sind die sommergrünen Laubwälder auf der ganzen Welt gefährdet und haben sogar noch stärker als die Regenwälder gelitten. Ein Viertel der weltweiten Buchenwälder befindet sich in Deutschland. Allerdings sind hierzulande nur noch sieben Prozent des ursprünglichen Buchenwaldareals vorhanden. Außerdem gibt es zu wenig alte Bäume.

Forderungen der Deutschen Wildtier Stiftung

Deshalb fordert die Deutsche Wildtier Stiftung den Stopp des Ausbaus von Windkraftanlagen im Wald. Für den Naturschutz weniger relevante Flächen wie intensiv bewirtschaftetes Ackerland sind gegenüber Standorten im Wald vorzuziehen. Außerdem verlangt sie, dass Regelungen einzelner Bundesländer, welche den Ausbau von Windrädern erleichtern, ohne dabei genug Rücksicht auf den Naturschutz zu nehmen, außer Kraft gesetzt werden. Stattdessen soll die Berücksichtigung des Artenschutzes bei der Planung und dem Bau neuer Windkraftanlagen in einer bundesweiten technischen Anleitung geregelt werden. Des Weiteren fordert sie die sofortige bundesweite Umsetzung des "Helgoländer Papiers", welches Empfehlungen aller 16 staatlichen Vogelschutzwarten zum Schutz der Vogelarten bei Planung und Bau von Windrädern enthält. Dieses Papier wird übrigens momentan bewusst zurückgehalten, weil es den Boom der Windenergie hemmen könnte. Eine weitere Forderung ist die Anwendung des Vorsorgeprinzips beim Bau von Windrädern. Wenn unsicher ist, ob eine geplante Windkraftanlage bestimmte Tierarten beeinträchtigt, soll im Zweifel für den Artenschutz und gegen das Windrad entschieden werden.

Trotz ihrer Kritikpunkte räumt die Deutsche Wildtier Stiftung aber auch ein, dass die Windenergie "ein wichtiger Baustein für eine zukunftsfähige Energieversorgung in Deutschland" sei. Außerdem könne es durchaus vorkommen, dass bei den Genehmigungsverfahren für Windräder Natur- und Landschaftsschutzaspekte vorgeschoben werden, wenn lokalen Windkraftgegnern keine anderen schlüssigen Argumente einfallen.

Wälder seien aber dennoch ein wichtiges Schutzgut, welches erheblich zur Erfüllung der Biodiversitätsziele der Bundesregierung beitrage. Vor allem Waldflächen mit einer besonderen Bedeutung für die Erhaltungs- und Entwicklungsziele des Naturschutzes seien von einer Bebauung mit Windenergieanlagen auszuschließen. Diese Flächen umfassen unter anderem Nationalparks, Naturschutzgebiete, Natura 2000 Waldgebiete und Wälder mit Laubbäumen, die älter als 140 Jahre sind. Auch Gebiete, in denen seltene und störungsempfindliche Arten vorkommen, sowie Wanderkorridore von Vögeln und Fledermäusen sind besonders zu schützen. Lediglich naturferne Fichten- und Kiefernforste seien aus Naturschutzsicht für die Windenergienutzung geeignet.

Fazit

Das scheinbar ideale Bild der sauberen und umweltfreundlichen Windenergie bekommt also Risse. Sie kann und muss zwar langfristig einen Beitrag zu einer erneuerbaren Energieversorgung leisten, aber bei aller Euphorie darf nicht vergessen werden, dass Windräder nicht an jeden Standort gesetzt werden können, wenn die noch vorhandene Biodiversität erhalten werden soll. In den Medien hat die Studie der Deutschen Waldtier Stiftung ein breites Echo erhalten. Jetzt ist die Politik gefordert, entsprechend zu handeln und verbindliche Regeln zur Berücksichtigung des Artenschutzes beim Bau von Windenergieanlagen im Wald zu entwickeln.

Weitere Informationen: www.naturwende.de

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Quelle:
DER RABE RALF
25. Jahrgang, Nr. 184 - Februar/März 2015, Seite 10
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Februar 2015

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