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FORSCHUNG/406: Aufbruch in die unbekannte Welt der Brackwasser-Bakterien (idw)


Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde - 01.06.2016

Aufbruch in die unbekannte Welt der Brackwasser-Bakterien


Am 3. Juni startet eine Gruppe von Warnemünder Mikrobiologen von Rostock aus zu einer Forschungsfahrt mit FS Alkor in die Ostsee. Sie untersuchen entlang ihrer Fahrtroute, die von West nach Ost durch sehr unterschiedlich salzhaltiges Wasser führt, wie sich die Zusammensetzung der Bakterien-Gemeinschaften sowie die Häufigkeit und Aktivität einzelner Bakterien entlang dieses "Salzgradienten" unterscheiden. In einem zweiten Fahrtabschnitt, der zu den tiefsten Stellen der Ostsee führt, stehen die Auswirkungen des Salzwassereinbruchs vom Dezember 2014 auf die Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaften im Fokus.

Wenn es um Brackwasser geht, so verkünden schon die Schulbücher, dass die Biodiversität hier gegenüber dem Salzwasser- oder dem Süßwasser-Milieu am niedrigsten ist. Für Bakterien, die an nahezu allen wichtigen Prozessen im Meer beteiligt sind, trifft diese Lehrmeinung allerdings nicht zu, das konnte Daniel Herlemann, Wissenschaftler am Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde, bereits vor vier Jahren nachweisen. Verglichen mit den Verhältnissen im Salzwasser, sind im Brackwasser Bakterien in gleicher, wenn nicht sogar größerer Vielfalt vertreten. Trotz dieses "starken Auftritts" sind die Informationen über Brackwasser-Bakterien erst sehr spärlich. "Wir haben bereits sehr viele unterschiedliche taxonomische Einheiten im Brackwasser nachgewiesen, aber im Gegensatz zu den marinen Arten wissen wir noch nicht, was diese Arten auszeichnet, was ihre Funktion ist und was sie, allgemein gesprochen, alles können."

Daniel Herlemann wird auf dem ersten Fahrtabschnitt von Rostock in den Skagerrak und von dort nach Saßnitz die Fahrtleitung übernehmen. Gemeinsam mit seinen Kolleg*innen an Bord wird er das Sediment sowie die Wassersäule von den tiefsten Bereichen bis in die obersten, Licht durchfluteten 10 m des Oberflächenwassers beproben. Auch wenn die Fahrt zuerst ins Skagerrak, in ein annähernd vollmarines Milieu, führt, so liegt das Hauptaugenmerk des ersten Fahrtabschnittes doch auf dem Brackwasserbereich der deutschen Ostsee. Die Verhältnisse im salzigeren Wasser des Übergangsbereiches zwischen Ostsee und Nordsee werden jedoch zu Vergleichszwecken mituntersucht.

"Kein anderes Seegebiet als die Ostsee bietet derart gute Möglichkeiten, Brackwasser-Bakterien zu untersuchen. Wir können sie vor unserer Haustür beproben und dann beobachten, wie sie mit den unterschiedlichen Klimabedingungen und Salzgehalten der Ostsee zurechtkommen." Ein wichtiger erster Schritt für solche Untersuchungen ist die Isolierung einzelner Bakterien-Arten. Erst wenn es nach der Probennahme auf See im heimischen Labor gelungen ist, die Mikroorganismen zu vereinzeln, kann die Erforschung von Funktionen beginnen und dem "Heer" an unterschiedlichen Bakterien auch unterschiedliche Eigenschaften zugewiesen werden.

Eine weitere Fragestellung, die auf dem ersten Fahrabschnitt verfolgt wird, widmet sich dem so genannten Oberflächenfilm - den obersten Millimetern des Meeres. In dem Projekt MarParCloud wird die Wechselwirkung zwischen Meer und Atmosphäre untersucht und der Frage nachgegangen, welche Rolle Mikroorganismen dabei spielen. Die Beprobung des dünnen Oberflächenfilms und der darüber lagernden Luftschicht erfordert spezielle Probennahmetechnik. MarParCloud wird im Rahmen des Leibniz-Wettbewerbs gefördert.

Im zweiten Fahrtabschnitt, der von Sassnitz aus in das Gotland-Becken und Landsort-Tief führen wird, übernimmt Klaus Jürgens, Leiter der Arbeitsgruppe Mikrobielle Ökologie am IOW, die Fahrtleitung auf FS Alkor. Dort, wo die Ostsee am tiefsten ist und meist unter Sauerstoff leidet, sucht er nach den Folgen des großen Salzwassereinbruchs vom Dezember 2014. "Im Zuge des Klimawandels nehmen die Seegebiete mit Sauerstoffmangel weltweit zu. In der Ostsee können wir sehr gut untersuchen, was an der Grenzschicht zwischen Sauerstoffhaltigem und Sauerstoffarmem Wasser passiert und welche Organismen die Ausbreitung dieser Zonen kontrollieren." Klaus Jürgens wird in den tiefen Becken untersuchen, wie es nach dem letzten Salzwassereinbruch, der große Mengen an Sauerstoff in das Tiefenwasser der Ostsee eingetragen hat, zu erneuter Sauerstoffnot kommt. Die Alkor-Fahrt endet am 17. Juni in Rostock.

Die gesamte Pressemitteilung erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/de/news653425
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution480

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde,
Dr. Barbara Hentzsch, 01.06.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juni 2016

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