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GEFAHR/150: Chilenische Wissenschaftler besorgt über antibiotikaresistente Bakterien in der Antarktis (Pressenza)


Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin

Chilenische Wissenschaftler besorgt über antibiotikaresistente Bakterien in der Antarktis
Antibiotikaresistente Salmonellen bei Pinguinen der Antarktis nachgewiesen

Von Maga Navarrete und Reiner Helmuth, 20. März 2019



Steinmauer mit Begrüßungsschild 'Bienvenido. Welcome to Monumento Natural los Pinguinos - Gobierno de Chile' - Bild: © Patricio Retamal

Bild: © Patricio Retamal

In einem kürzlich geführten Gespräch äußerte sich der chilenische Leiter eines zehnköpfigen Forscherteams zur Erfassung resistenter Salmonellen in antarktischen Gebieten Prof. Dr. P. Retamal der Universität Ciencias Veterinarias y Pecuarias de Chile in Santiago besorgt über den Nachweis resistenter Salmonellen in bisher unberührten Gebieten Südchiles.

Antibiotika gehören zu den wirksamsten Arzneimitteln, die die Human- und Veterinärmedizin zur Verfügung haben. Es ist wunderbar zu sehen, wie auch schwer erkrankte Patienten nach Verschreibung von Antibiotika innerhalb kurzer Zeit wesentliche Verbesserungen in ihrem Gesundheitszustand verspüren.

Voraussetzung für diesen Erfolg ist allerdings, dass diese Substanzen auf bakterielle Krankheitserreger treffen, die gegen sie empfindlich sind. Heutzutage richten sich antimikrobiell wirksame Substanzen gegen alle zur Verfügung stehenden Angriffsorte innerhalb einer bakteriellen Zelle. Dazu gehören hauptsächlich die Zellwand, die Nukleinsäuren und Proteinbiosynthese. Dadurch können Bakterien absterben oder in ihrer Vermehrung gehemmt werden.

Allerdings konnte man schon kurz nach der Entdeckung und dem Einsatz der ersten Antibiotika feststellen, dass Bakterien gegen ihre Wirkung unempfindlich wurden. Sie trugen eine Resistenz, die entweder durch Veränderung des Angriffsortes oder durch Enzyme, die das Antibiotikum inaktivieren, hervorgerufen wurde.

Zum Ende des letzten Jahrhunderts und zum Beginn dieses Jahrhunderts, wurde dem Problem der Antibiotikaresistenz sowohl durch die Öffentlichkeit, als auch den Human- und Veterinärmedizinern sowie nationaler und internationaler Organisationen besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Mehrere internationale Veranstaltungen zu dem Thema der Mikrobiellen Bedrohung wurden deswegen zum großen Teil national, aber vor allem auch durch die Weltgesundheitsorganisation organisiert. Dabei wurde deutlich, dass sowohl der falsche Einsatz in der Humanmedizin, als auch der übermäßige Einsatz in der Landwirtschaft und Veterinärmedizin für das Entstehen und die Ausbreitung von Resistenzen verantwortlich sind. Man konnte leicht feststellen, dass in den Industrie- und Agrarländern wie Europa, den Vereinigten Staaten, China und Brasilien, nach Einführung neuer Antibiotika entsprechende Resistenzen zunahmen.

Auch in vielen Ländern der Dritten Welt, in denen der Verkauf antimikrobieller Substanzen wenig geregelt war oder immer noch ist, nahm die Zahl resistenter Erreger zu. Das liegt auch daran, dass Antibiotika vielfach ohne jede Kontrolle und Verschreibung auf den Straßen verkauft werden und so dazu beitragen, dass gerade in Asien, Afrika und Südamerika die Resistenzen vehement zunahmen.

Lange Zeit waren aber vom Menschen unberührten Gebiete weitgehend vom Vorkommen resistenter Erreger verschont. So führten z.b. in den 90er Jahren Untersuchungen in den Nationalparks in Tansania zu dem Ergebnis, dass Salmonellen dort kaum Resistenzen aufwiesen. Wenn es solche gab, dann nur gegen natürlicherweise vorkommende Antibiotika, die von Pilzen gebildet werden. Schon früher war bekannt, dass bei Affen Resistenzen nur in Populationen, die engen Kontakt zum Menschen hatten, nachgewiesen werden konnten.

Ähnliches galt für die südlichen Teile Südamerikas, bis allerdings das chilenische Forschungsprojekt um Retamal 2015 feststellte, dass auch in Pinguinen Patagoniens resistente Salmonellen nachzuweisen waren. Allerdings war dort zum Glück die Häufigkeit mit 0,36 % noch vergleichsweise niedrig im Vergleich zu den Zahlen die in Agrarländern Europas und Nordamerikas bei Nutztieren gefunden werden. Dort liegen sie teilweise im Bereich von über 90%. In einer weiteren Untersuchung 2017 konnte jedoch bei antarktischen Pinguinen bereits eine Häufigkeit von 1,7% beobachtet werden.

Retamal betont, dass für ihn: "... die Tatsache, dass die nachgewiesenen Bakterien gegen Antibiotika resistent sind, die auch in der Humanmedizin eingesetzt werden" am beunruhigendsten ist. "Die Antibiotikarückstände aus der Schafzucht und Aquakultur von Lachsen können die Umwelt kontaminieren und so die Selektion resistenter Erreger begünstigen."

Aufgrund dieser Tatsachen ist der Befund der chilenischen Arbeitsgruppe für die öffentliche Gesundheit von Bedeutung. Neben dem kürzlich geführten Nachweis von Mikroplastik in arktischem Eis, sind diese Befunde ein zweiter Indikator dafür, dass die überbordende Verbreitung vom Menschen benutzter chemischer Substanzen in die letzten ökologischen unberührten Systeme unseres Erdballs alarmierende Ausmaße annimmt.

Die Untersuchungen von Retamal haben gezeigt, dass die Zunahme des Tourismus von mehr als 3.000.000 Besuchern in den untersuchten Bereichen, die Kreuzfahrtschiffe und die zunehmende Agrarwirtschaft, sowie der sich ausbreitende Bergbau, diese Entwicklung begünstigt haben. Sie zeigen überzeugend, dass unberührte Habitate durch vermehrten Besuch von Touristen und dem Vordringen industrieller Produktionen ihren antibiotikaresistenzfreien Zustand verlieren und Teil eines alarmierenden globalen Geschehens werden.


Pinguine am Strand der Isla Magdalena, im Hintergrund ein Schiff - Bild: © Patricio Retamal

Bild: © Patricio Retamal

Um dies zu verhindern, sollte unbedingt darauf hingearbeitet werden, die von der Weltgesundheitsorganisation bereits Ende der 90er Jahre erarbeiteten Richtlinien zum sorgsamen Umgang mit antimikrobiell wirksamen Substanzen in allen Ländern endlich umzusetzen. Wie man zunehmende Resistenzen verhindert und kontrolliert ist bereits seit den 80er Jahren bekannt. Es gab viele Appelle und Aufforderungen, aber viel zu wenig ist geschehen.

Retamal weist auf darauf hin: "Es gibt zwar Vorschriften, aber nicht genug Finanzmittel um sie umzusetzen. Besonders die im Land verbleibenden Lebensmittel werden, im Gegensatz zu den exportierten, nur wenig untersucht."

Damit diese wunderbaren Medikamente nicht ihre Wirkung verlieren, sollte auch in Kampagnen der NGOs und auf Plattformen anderer Organisationen, sowie beim Patienten vermehrt Bewusstsein für entsprechende Gegenmaßnahmen geschaffen werden und der öffentliche Druck auf die Regierungen, die Empfehlungen der WHO endlich konsequent umzusetzen, erhöht werden [1].


Quellen:

Detection of Salmonella enterica in Magellanic penguins (Spheniscus magellanicus) of Chilean Patagonia: evidences of inter-species transmission.
Dougnac, C. Pardo, K. Meza, C. Arredondo, O. Blank, P. Abalos, R. Vidal, A. Fernandez, F. Fredes, P. Retamal
Epidemiol Infect. 2015 Apr; 143(6): 1187-1193.

Isolation of drug-resistant Salmonella enterica serovar enteritidis strains in gentoo penguins from Antarctica
Polar Biology, 2017, Volume 40, Number 12, Page 2531
Patricio Retamal, Sebastián Llanos-Soto, Lucila Moreno Salas, Juana López,Juliana Vianna, Jorge Hernández, Gonzalo Medina-Vogel, Francisco Castañeda,Marcela Fresno, Daniel González-Acuña

Arctic sea ice is an important temporal sink and means of transport for microplastic
Ilka Peeken, Sebastian Primpke, Birte Beyer, Julia Gütermann, Christian Katlein, Thomas Krumpen, Melanie Bergmann, Laura Hehemann & Gunnar Gerdts
Nature Communications Volume 9, Article number: 1505 (2018)


Anmerkung:
[1] https://www.who.int/antimicrobial-resistance/publications/global-action-plan/en/


Der Text steht unter der Lizenz Creative Commons 4.0
http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

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Quelle:
Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin
Reto Thumiger
E-Mail: redaktion.berlin@pressenza.com
Internet: www.pressenza.com/de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. März 2019

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