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INITIATIVE/356: Erfolgreiche Bilanz "Talauenprojekt" im Südlichen Steigerwald (BN)


Bund Naturschutz in Bayern e.V. - München, 7. Mai 2015

Erfolgreiche Bilanz "Talauenprojekt" im Südlichen Steigerwald

- ein landesweit vorbildliches Projekt zu dezentralem Hochwasserschutz und Regionalentwicklung:


1995 begann auf Initiative des BUND Naturschutz (BN) das "Talauenprojekt" mehrerer Gemeinden im südlichen Steigerwald. Nach 20 Jahren kann eine sehr positive Bilanz gezogen werden. In einem modellhaften Gemeinschaftsprojekt von Kommunen, Amt für Ländliche Entwicklung Ansbach (ALE), Wasserwirtschaftsamt Ansbach (WWA), Landschaftspflegeverband Mittelfranken, Landwirten und BN wurden Talräume naturnah gestaltet und mit Leben erfüllt, durch ein System von landschaftsangepassten Grünbecken die dezentrale Hochwasserrückhaltung aufgebaut, der sanfte Tourismus und regionale Wirtschaftskreisläufe gefördert. Landesweit bedeutsam sind insbesondere die Maßnahmen zum dezentralen Hochwasserschutz: nach Auffassung von Hubert Weiger, Vorsitzender des BN "braucht jede bayerische Kommune derartige Wasserrückhaltung im Oberlauf der Gewässer. Der Klimawandel führt zur Verschärfung der Hochwassersituation. Neben mehr Platz für Hochwässer z.B. durch Deichrückverlegung an den großen Flüssen braucht der Hochwasserschutz in Bayern dringend ein dichtes Netz dezentraler Wasserrückhaltung bereits im Oberlauf der kleinen Bäche und Flüsse!" Das Talauenprojekt zeigt, wie Hochwasserschutz und Renaturierung zum Wohl von Mensch und Natur verknüpft werden können. Der Freistaat sollte dringend seine Fördermöglichkeiten ändern, um Gemeinden den Bau auch kleiner, landschaftsangepasster Rückhaltebecken zu ermöglichen!

Das Projektgebiet liegt in Mittelfranken, im Landkreis Neustadt/Aisch - Bad Windsheim und umfasst die Gemeinden Scheinfeld, Markt Bibart, Sugenheim, Markt Nordheim, Langenfeld, Baudenbach, Münchsteinach, Markt Taschendorf und Oberscheinfeld. Das engere Projektgebiet bilden die Talauen mit einem zusammenhängenden Gewässernetz von kleineren und größeren Bächen wie die Scheine, der Laimbach, die Bibart, die Ehe, der Geroldsbach, die Steinach und der Kleinen Weisach, sowie deren Zuflüsse. Da die beteiligten Gemeinden durch ihre Bachtäler miteinander verbunden sind, wurde vom BUND Naturschutz im Rahmen der LEADER-Aktivitäten ein Biotopverbundkonzept mit dem Namen "Lebensadern für Mensch und Natur im Südlichen Steigerwald" erarbeitet, bei dem die Talauen die Ausgangsbasis bilden.

Hintergrund für das von Rudolf Kolerus, damals Vorsitzender der BN-Ortsgruppe Scheinfeld, initiierte Talauenprojekt waren die starken Hochwässer 1993 und 1995, die ganze Tallandschaften überfluteten, gescheiterte Renaturierungsversuche und damals nur bescheidene Ansätze in Sachen Tourismus und Regionalentwicklung in der Verwaltungsgemeinschaft Scheinfeld.


Somit lauteten die Projektziele für den BUND Naturschutz:

1. Gestaltung von naturnahen Talräumen mit
2. gleichzeitiger Wasserrückhaltung.
3. Förderung des "sanften Tourismus", sowie
4. die Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe.

Damit war aber noch kein Bach mäandriert und kein Radweg gebaut. Für den BN wurde sehr schnell klar, dass dieses Vorhaben viele Verbündete und Mitstreiter braucht. Dank der Unterstützung der BN-Landesfachgeschäftsstelle wurden Kontakte zu den Behörden und zum Landschaftspflegeverband Mittelfranken (LPV) hergestellt. Bei bedeutenden Stadtratssitzungen mussten mit Unterstützung von Dr. Kai Frobel zuerst die politischen Gremien überzeugt werden.

Bei einem großen Behördentermin am 20.11.1995 in Sugenheim konnte das "Talauenprojekt" der Regierung von Mittelfranken, dem Landwirtschaftsamt Uffenheim mit der 5-b Stelle, dem Amt für Ländliche Entwicklung Mittelfranken (ALE), dem Wasserwirtschaftsamt Ansbach (WWA), dem LPV Mittelfranken und den Bürgermeistern vorgestellt werden. Anscheinend überzeugte es den größten Teil der Teilnehmer. Denn die Entwicklung der Region "Südlicher Steigerwald" sollte durch Fördermittel der 5-b-Stelle (später LEADER-Stelle) unterstützt werden und dazu benötigte man ein "Schlüsselprojekt". Hieraus entwickelte sich später das umfangreiche LEADER-Projektgebiet "Südlicher Steigerwald". Regierung und 5-b-Stelle nahmen das "Talauenprojekt" als Grundlage für eine Regionalentwicklung im "Südlichen Steigerwald" und Herr MdB Josef Göppel als Vorsitzender des LPV Mittelfranken richtete beim Landschaftspflegeverband eine eigene Teilzeit-Stelle in Scheinfeld für die Projektkoordination ein. Dipl. Ing. Doris Hofmann übernahm im September 1997 mit großem Engagement die Ziele 1 und 2 an Gewässern 3. Ordnung, so dass neben kleineren und größeren Wasserrückhaltungen viele weitere Naturschutz- und Renaturierungsprojekte in allen Gemeinden entstanden sind oder heute noch am Laufen sind: Oasen der Sinne, Pflege alter Streuobstbestände, Steinkrebs- und Bachmuschelprojekt, Huteeichenprojekt usw.


Bei der "Gestaltung von naturnahen Talräumen mit gleichzeitiger Wasserrückhaltung" sind folgende Projekte besonders hervorzuheben:

1. Wasserrückhaltung und Renaturierung des "Rumpelsgraben" bei Grappertshofen - Stadt Scheinfeld (3 Becken mit ca. 12.000 m3 Rückhaltevolumen).

2. Wasserrückhaltung und Renaturierung des "Gänsgrabens" bei Schnodsenbach - Stadt Scheinfeld (2 Becken mit ca. 20.000 m3 Rückhaltevolumen).

3. Wasserrückhaltung und Renaturierung des "Biegenbaches" bei Krassolzheim - Markt Sugenheim (2 Becken mit ca. 10.000 m3 Rückhaltevolumen).

4. Renaturierung der "Kleinen Ehe" zwischen Ingolstadt und Krassolzheim

5. Anlage eines Landschaftsweihers bei Krautostheim

6. Wasserrückhaltung und Renaturierung des "Geroldsbaches" bei Markt Nordheim (1 Becken mit ca. 15.000 m3 Rückhaltevolumen, das gleichzeitig als Landschaftssee und Naturerlebnisgelände dient).


Ein gewaltiger Schritt erfolgte, als das WWA, vertreten durch Ltd. Baudirektor Arndt Bock und das ALE, vertreten durch Ltd. Baudirektor Richard Kempe erklärten, sich in diesem Projekt der Gewässer 2. Ordnung anzunehmen. Dies war allerdings nur mit einer Bodenordnung an den Gewässern möglich, so dass in Verbindung mit der Hochwasserentschärfung ab dem Jahr 2000 in Langenfeld und ab 2003 in Scheinfeld ein Bodenneuordnungsverfahren (Scheinfeld II) eingeleitet und angeordnet wurde. Dank WWA und ALE konnte in Langenfeld eine große Hochwasser-Rückhaltung errichtet werden und entlang von Laimbach, Bibart und Scheine Uferstreifen auf einer Länge von über 10 km erworben und anschließend neue Auenlandschaften, einschließlich Fischtreppen, angelegt werden. Biber, Eisvogel und Co. sind bei uns wieder heimisch!

Hervorzuheben ist, dass es sich um ein Verfahren gehandelt hat, das ausschließlich auf freiwilliger Teilnahme der angrenzenden Landwirte abgewickelt wurde. Das bedeutete, dass eine enorme Überzeugungsarbeit der Herren Stierhof vom ALE und Geißler vom WWA geleistet werden musste, um die Landwirte zum Tausch oder Kauf zu überzeugen.

Das Ergebnis: Auf einer Verfahrensfläche (Scheinfeld II) von 213 ha wurde zusätzlich Grund erworben: für den Freistaat von 21,3 ha zu 427.000 EUR und für die Stadt Scheinfeld 3,7 ha zu 49.000 EUR. Zudem brachte der Freistaat bereits zu Beginn des Verfahrens eine Fläche von 28,5 ha als Einlage ein. Es wurden insgesamt 57 Tauschvereinbarungen mit Flächen über 146,5 ha abgeschlossen. Für den Freistaat Bayern wurden im Verfahren insgesamt 41 ha Uferstreifen und gewässernahe Flächen ausgewiesen (z.B. Unterlaimbach).

Ein besonderer Dank gilt deshalb allen denjenigen Landwirten, die bei diesem Projekt freiwillig bereit waren mitzumachen!

Hervorzuheben ist, dass inzwischen nahezu alle beteiligten Gemeinden ein Gewässerentwicklungskonzept erstellt haben, um für weitere künftige Maßnahmen eine Planungs- und Fördergrundlage zu haben. Auch der Markt Oberscheinfeld überlegt wie Wasser in der Fläche zurückgehalten werden kann. Dabei möchte die Gemeinde kein großes Rückhaltebecken mit großem Staudamm errichten, sondern eher viele kleine wie schon oben als Beispiel aufgelistet. Dies wiederum bestätigt die Ziele des "Talauenprojektes"!

Leider scheitert die Umsetzung an den staatlichen Förder-Richtlinien, da Rückhaltebecken nur gefördert werden, wenn sie auf ein 100-jähriges Hochwasserereignis bezogen sind ("HQ100"). Dieser zu hohe Anspruch überfordert in der Regel die Gemeinden finanziell, trotz einer Förderung. Auch das WWA befürwortet kleine Rückhaltebecken, die schrittweise realisierbar sein sollten.

Der BN fordert gemeinsam mit dem Landesfischereiverband Bayern (LFV), zudem einen landesweit gesetzlich vorgeschriebenen Gewässerrandstreifen von mindestens fünf Metern Breite zum Schutz der heimischen Fischwelt, der Artenvielfalt und der Hochwasserprävention.

Ein besonderer Schwerpunkt von Rudolf Kolerus war die Verwirklichung der Ziele 3 und 4: Förderung des "sanften Tourismus", sowie die Förderung "regionaler Wirtschaftskreisläufe".

Sanfter, qualitativer und angepasster Tourismus" bedeutete die Errichtung eines Freizeitwegenetzes mit Rad- und Wanderwegen entlang der Talauen, sowie dazu begleitend Beobachtungspunkte, Naturlehrpfade, Aussichtsturm, Infotafeln, Wasser- und Abenteuerspielplätze, Kneippbecken, Ruhezonen und Picknickplätze. Dank der EU und deren LEADER-Förderprogramm konnte dies größtenteils errichtet werden! Mit staatlicher Unterstützung über das Staatliche Bauamt Ansbach und die Regierung von Mittelfranken steht das Radwegenetz kurz vor seiner Vollendung und wird insbesondere von der heimischen Bevölkerung, aber auch von Rad-Touristen sehr gut angenommen.

In Sachen "Regionalentwicklung" kann ein großer Erfolg verzeichnet werden: Der Zusammenschluss der drei Weinbauvereine Oberer Ehegrund, Markt Nordheim und Ulsenheim zu einer Weinbauregion namens WeinWanderWelt. Während die meisten Winzer in den 90er Jahren ihre Trauben noch in die Winzergenossenschaft lieferten, werden diese heute nahezu von jedem Winzer selbst ausgebaut und vermarktet. Neue Weinstuben, Weingasthäuser und Brotzeitstuben entwickelten sich und bei neuen kreativen Festen wie Mondscheinweinfest, Bremsertour, Jungweinprobe, Wein- und Honigfest wirbt man für die Region "Südlicher Steigerwald". Das "Talauenprojekt" wurde 2001 vom ZDF und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt aus 500 Naturprojekten ausgewählt und ausgezeichnet.

Naturschutz braucht langen Atem - noch ist das "Talauenprojekt" nicht abgeschlossen und es kann "nur" eine Zwischenbilanz gezogen werden, sei es an den Gewässern, wo noch viele Wiesen und Äcker bis an den Uferrand bearbeitet werden und es immer wieder zu Kollisionen mit zu intensiver Landnutzung kommt, sei es in Sachen "Sanfter Tourismus" und/oder "Regionalentwicklung", wo der große Durchbruch noch nicht gelungen ist - obwohl die Region ihn dringend benötigen würde.

Der BN bedankt sich herzlich bei allen Projektbeteiligten für ihr langjähriges und kooperatives Engagement!

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Quelle:
Presseinformation, 07.05.2015
Herausgeber:
Bund Naturschutz in Bayern e.V.
Landesgeschäftsstelle
Dr.-Johann-Maier-Str. 4, 93049 Regensburg
Tel. 0 941/ 2 97 20-0, Fax 0 941/ 2 97 20-30
E-Mail: info@bund-naturschutz.de
Internet: www.bund-naturschutz.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Mai 2015

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