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RECHT/059: Staudammprojekt an der Vjosa vorläufig gestoppt (EuroNatur)


EuroNatur / Stiftung für Europas Natur - 3. Mai 2017

Staudammprojekt vorläufig gestoppt

++ Albanisches Gericht stoppt Staudammprojekt an der Vjosa ++ Erfolg für Naturschutz und für Anwohner ++


Tirana, 3.5.2017. Großer Erfolg im Einsatz für Europas letzten großen Wildfluss - der Vjosa in Albanien. Die Richter des albanischen Verwaltungsgerichtshofs in Tirana verkündeten gestern Nachmittag ihr Urteil gegen den Bau des geplanten Wasserkraftwerks "Pocem" an der Vjosa: das Staudammprojekt darf vorerst nicht gebaut werden. Die Grundlagen für die Baugenehmigung, namentlich die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und die Bürgerbeteiligung, seien äußerst mangelhaft und widersprechen albanischem Recht, so das Gericht.

Die Vjosa ist der letzte große Wildfluss Europas außerhalb Russlands. Die albanische Regierung hat ein türkisches Unternehmen mit dem Bau eines großen Staudammes beauftragt. Die Naturschutzorganisationen EcoAlbania, Riverwatch und EuroNatur hatten gemeinsam mit 38 betroffenen Anwohnern dagegen geklagt. Vladimir Meci, der Rechtsanwalt der Umweltverbände und Anrainer: "Das ist ein wichtiger Schritt zum Schutz der Vjosa und auch ein ermutigender Tag für die Rechtstaatlichkeit in unserem Land. Betroffene Bürger und NGOs können damit hoffen, dass ihre Anliegen vor Gericht ernsthaft geprüft werden."

Der "Fall Vjosa" war das erste Gerichtsverfahren zu einem Umweltprojekt in Albanien überhaupt. Das Umweltministerium und die türkische Baufirma haben nun 15 Tage Zeit, um in Berufung zu gehen. Eine Entscheidung der zweiten Instanz wäre im September/Oktober 2017 zu erwarten. "Das Urteil kam etwas unerwartet, deshalb ist die Freude bei uns nun besonders groß. Es ist zumindest ein Etappensieg. Falls notwendig, werden wir den gesamten juristischen Weg bestreiten, um den letzten großen Wildfluss Europas zu erhalten," so Ulrich Eichelmann von Riverwatch.

Konkret ging es bei der Klage um die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) sowie um die Bürgerbeteiligung. Beides ist in Albanien bei derartigen Projekten rechtlich vorgeschrieben. Doch die tatsächliche Umsetzung war eine Farce. So fanden bei der UVP, die vom Projektwerber in Auftrag gegeben und vom Umweltministerium akzeptiert wurde, keinerlei Untersuchungen vor Ort statt, wurden keine Studien zum Vorkommen von Arten oder zu den Auswirkungen auf das Grundwasser erhoben. Zudem waren 60 Prozent des Textes der UVP aus Vorlagen kopiert, die nichts mit dem Untersuchungsgebiet zu tun hatten.

Ähnlich bei der Bürgerbeteiligung. Die vorgeschriebene Anhörung fand zwar statt, doch ohne die betroffene Bevölkerung. Die war nicht eingeladen. Stattdessen hörten etwa 20 städtische Angestellte von Fier - einer Stadt, die etwa 80 Kilometer entfernt und nicht an der Vjosa liegt - den Ausführungen der Projektwerber zu.

Dennoch akzeptierten die zuständigen albanischen Ministerien die Vorlagen und stellten die Baugenehmigungen aus. Dagegen klagten die Umweltorganisationen und die Anrainer und erhielten nun in der ersten Instanz Recht.

"Dieses Urteil zeigt, wie wichtig die rechtliche Ebene in der Auseinandersetzung gegen Wasserkraftwerke ist. Nicht nur in Albanien, sondern auf dem gesamten Balkan. Viele - wenn nicht sogar die meisten - der auf dem Balkan geplanten 2.700 Wasserkraftwerke widersprechen den nationalen und europäischen Gesetzen. Wir werden weitere Klagen gegen aus unserer Sicht rechtswidrige Projekte vorbereiten", kündigt Gabriel Schwaderer, der Geschäftsführer von EuroNatur an.

Hintergrundinformationen:

• Die Vjosa gilt als der letzte große Wildfluss Europas außerhalb Russlands. Ungestört und völlig unverbaut durchfließt sie unzugängliche Schluchten und Abschnitte mit riesigen Schotterbänken und Inseln über fast 270 Kilometer ohne Staudämme von den Pindusbergen in Griechenland bis in die albanische Adria. Die albanische Regierung unter Premier Edi Rama will im ökologisch wertvollsten Teil der Vjosa von einem türkischen Unternehmen ein Wasserkraftwerk bauen lassen.

• Die Kampagne "Rettet das Blaue Herz Europas" hat den Schutz der wertvollsten Flüsse am Balkan zum Ziel. Sie wird von den NGOs Riverwatch und EuroNatur koordiniert und gemeinsam mit Partnerorganisationen aus den Balkanländern durchgeführt.

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Quelle:
Pressemitteilung, 03.05.2017
EuroNatur (Hauptgeschäftsstelle)
Stiftung für Europas Natur
Konstanzer Str. 22. 78315 Radolfzell
Tel.: 07732/92 72-0, Fax: 07732/92 72-22
E-Mail: info@euronatur.org
Internet: www.euronatur.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Mai 2017

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