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SCHUTZGEBIET/752: Biosphärenreservat Rhön (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 3/2012
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

Rhön
Licht und Schatten

von Severin Zillich



Drei Prozent Kernzone - diese bislang unerreichte Zielmarke hält die Verwaltung des Biosphärenreservats Rhön seit geraumer Zeit in Atem. Und das zu Recht: Es droht der Entzug des Prädikats "Biosphäre". Ungleich wichtiger aber ist der Auftrag, die übrigen 97 Prozent nachhaltig zu nutzen.

Auch über zwanzig Jahre nach seiner Gründung sind im Biosphärenreservat Rhön nur zwei der nötigen drei Prozent als Kernzone aus jeder Nutzung genommen. Vor allem Bayern, das den größten Flächenanteil hält, hat starken Nachholbedarf. Doch so sehr alle fürchten, dass die UNESCO der Rhön schon 2013 den Status der "Biosphäre" aberkennen könnte: Die Suche nach geeigneten Waldflächen gestaltet sich schwierig. Obwohl die Zeit drängt, geht es nur hektarweise voran. Keine Gemeinde gibt gern Nutzungsrechte auf, seit das Brennholz wieder gefragt ist.
Natürlich ist die Kernzone ein wichtiges Element jeder Biosphäre, um den gewünschten Dreiklang von ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Aspekten zu erhalten. Doch verstellt die allseitige Fixierung darauf leicht den Blick auf eine viel grundlegendere Frage: Was könnte (und sollte) die Rhön auf dem großen Rest ihrer Fläche sein, um dem Anspruch einer Modellregion zu genügen?

Überzeugungstäter gesucht

Ortstermin beim Förster Joachim Schleicher. Der Kreisvorsitzende des BUND in Fulda hat sein Revier mitten im Biosphärenreservat: strukturreiche Wälder, deren Anteil an Laub- und Totholz ständig wächst. Schleicher engagiert sich seit der Gründung 1991 für die Modellregion, anfangs mit viel Enthusiasmus. So bemühte er sich um Standards, die geeignet sein könnten, "best practice" zu demonstrieren - von der Land- über die Forstwirtschaft bis zur Bauordnung. Galt es doch die Rhön in eine Art Freiluftlabor zu verwandeln, ein Experimentierfeld, das dank nachhaltiger Nutzung zukunftsweisend in die Region ausstrahlt. Und dieser Anspruch gilt bis heute. Zumindest wird er überall dort formuliert, wo die Biosphäre für sich wirbt.
An Ideen und Konzepten fehlte es nicht. Um sie mit Leben zu füllen, sind aber viele gefragt: Behörden, Bürgermeister, Bauern, letztlich alle, die in der Biosphäre leben und arbeiten. Joachim Schleicher machte eine wiederkehrende Erfahrung: Warb er in Behörden dafür, stärker als Teil einer Modellregion zu agieren, bekam er zur Antwort: Für die Umsetzung sei doch die Verwaltung des Biosphärenreservates zuständig.
Die aber ist dafür nicht ausgestattet. Sie kann für die Ziele der Biosphäre werben, ja. Sie bleibt aber machtlos, wenn an den Schaltstellen - in den Behörden - die Überzeugungstäter fehlen. So oder so ähnlich gilt dies wohl für alle deutschen Biosphärenreservate.
In der Rhön kommt erschwerend hinzu, dass ihre Flächenanteile in Bayern, Hessen und Thüringen getrennt verwaltet werden, ein Umstand, den der BUND seit langem kritisiert. Die Wälder und Felder der Rhön werden folglich bis heute nicht anders bewirtschaftet als die außerhalb der Modellregion.

Wertvolle Bergwiesen

Dass in der Rhön eine wirklich sehenswerte Kulturlandschaft erhalten blieb, hat andere Ursachen. Der "Hochrhöner", 2010 zu Deutschlands schönstem Wanderweg gekürt, bietet auf 180 Kilometern Länge tolle Ausblicke ins "Land der offenen Fernen". Vor allem in den Höhenlagen prägen schier endlose Bergwiesen das Bild. Im Frühsommer blühen hier Schlangenknöterich, Waldstorchschnabel, Wiesenknopf und Teufelskrallen, auch Arnika, Katzenpfötchen und viele Orchideen.
Der Erhaltung der Goldhaferwiesen und Borstgrasrasen dienen auf bayerischer Seite die beiden größten außeralpinen Naturschutzgebiete des Landes, "Lange Rhön" und "Schwarze Berge". Späte Mahdtermine und extensive Beweidung sichern die Zukunft dieser Kulturlandschaft - und das schon lange vor Gründung des Biosphärenreservats. Dessen Status dagegen bewahrt das Land abseits der Schutzgebiete, in der großen "Entwicklungszone " der Biosphäre, nicht davor, wie andernorts immer intensiver bewirtschaftet zu werden.

Aktive Naturschützer

Immerhin: Die Idee einer nachhaltigen Wertschöpfung kann in der Rhön auf viele Verbündete zählen. So erwarb der Bund Naturschutz (BUND in Bayern) 1986 mit den 33 Hektar großen "Gassenwiesen" am Südhang der Langen Rhön ein echtes Kleinod. Eine Feriensiedlung drohte Quellfluren, Bachläufe, Magerrasen und Hochstaudenfluren zu vernichten - Lebensraum von über 500 Tier- und Pflanzenarten. Als idealer "Rasenmäher " bot sich das traditionelle Rhönschaf an.
Auf Initiative des im BUND aktiven Zoologieprofessors Gerhard Kneitz erwarb man eine kleine Herde der damals vom Aussterben bedrohten Tiere. Unter Obhut des Schäfers Josef Kolb wuchs sie auf 320 Muttertiere an. Das Projekt wurde zum Vorbild: Mehrere Herden der schwarzköpfigen Schafe ziehen heute wieder über die Kuppen der Rhön. Ihr vorzügliches Fleisch findet sich auf vielen Speisekarten der Region.
Ganz im Geiste der "Biosphäre" engagieren sich auch die BUND-Ehrenamtlichen im Nachbarlandkreis Bad Kissingen. Unter der Leitung von Ulf Zeidler haben sie über hundert Hektar Grund erworben: artenreiche Wiesen, Teiche, in denen die bedrohte Geburtshelferkröte laicht, und Auenflächen entlang der Sinn, einem Zufluss der fränkischen Saale, die der Biber in raschem Tempo umgestaltet. Daneben setzt sich die Kreisgruppe dafür ein, die erst vor zehn Jahren stillgelegte Bahnlinie wieder in Betrieb zu nehmen, die über Gemünden ins Zentrum der Rhön führt.

Gut vermarktet

Auch Zeidler mahnt: Für eine Modellregion Rhön müsse vor allem in der Entwicklungszone mehr auf Nachhaltigkeit geachtet werden - sie bildet über zwei Drittel des Biosphärenreservats. Der Politik sei die Notwendigkeit eines Gesamtkonzepts zu wenig bewusst, Sie reagiere vorrangig aufs Tagesgeschehen. Die Verwaltung wiederum konzentriere sich auf den populären Artenschutz. Und darauf, die Biosphäre zu vermarkten.
Das immerhin tut sie gekonnt. So erwartet die Besucher der Rhön eine Fülle gut gestalteter Broschüren. Gleich sieben Infozentren geben einen Einblick in Geschichte und Gegenwart, in Land und Leute der Region. Zahlreiche Lehrpfade komplettieren das dichte und bestens beschilderte Wegenetz. Dazu kommt ein bunter Strauß von Angeboten in der Umweltbildung.
Dass das Biosphärenreservat vor Ort gute Noten erhält, hat nicht zuletzt mit der "Dachmarke Rhön" zu tun. Vorbildlich ist es gelungen, die regionale Wertschöpfung mit einem Qualitätssiegel zu fördern. Über 200 Betriebe nutzen die länderübergreifende Plattform.
An ihnen liegt es nicht, wenn die Chancen, die eine Modellregion verheißt, vielfach noch nicht erkannt sind. Einig sind sich aber alle in der Rhön: Den Status "Biosphäre " will man keinesfalls verlieren - wegen ein paar Promille fehlender Kernzone.

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
- Blick über die "Lange Rhön" im Herzen des Biosphärenreservats.
- Von links: BUND-Schäfer Josef Kolb mit seinen Rhönschafen. Das neue Regionalregal bietet hochwertige Erzeugnisse Rhöner "Handwerkskunst" - von Hausmacherwurst bis zu Bierspezialitäten. Eine Leitart des Naturschutzes in den Höhenlagen der Rhön ist das stark gefährdete Birkhuhn.

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Quelle:
BUNDmagazin 3/2012, Seite 26-27
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. November 2012