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WALD/708: Naturwald droht Ausverkauf (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 4/2016
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

Landgraben-Dumme-Niederung
Naturwald droht Ausverkauf

Von Severin Zillich


Europas Netz von Schutzgebieten »Natura 2000« hat sich bewährt. Deshalb fordert der BUND die EU auf, ihre FFH- und Vogelschutzgebiete zu stärken. Noch bieten viele nur begrenzten Schutz, wie ein Blick in die Altmark zeigt: Hier ist eine der Kernflächen des Grünen Bandes akut bedroht.


Keine Frage, er ist ein Wald der Superlative. Über seine nationale Bedeutung besteht kein Zweifel. Der Stadtforst Salzwedel gehört zu den größten Feuchtwäldern in Deutschland. Geprägt wird er von einem Wasserfeder-Erlenbruch, einem Lebensraum, der bei uns vom Aussterben bedroht ist. Dank seiner Lage an der ehemaligen innerdeutschen Grenze - heute: das Grüne Band - blieben weite Teile des Waldes 70 Jahre ungenutzt. Obwohl der Wasserspiegel großflächig abgesenkt wurde, brüten die Kraniche so dicht beieinander wie kaum sonst wo in Mitteleuropa. Sie teilen sich dieses Refugium mit dem Fischotter und spezialisierten Fledermäusen, mit Schwarzstorch und Waldwasserläufer, mit Golddickkopf- und Schillerfalter.

Artenreich und gut betreut

Zum Wert des Stadtwaldes für den Naturschutz trägt auch seine Umgebung bei. Eingebettet in ein Mosaik feuchter Lebensräume - Torfmoore, nasse Wiesen, Teiche - bildet er einen der artenreichsten Abschnitte im Grünen Band. Dieser Naturverbund genießt seit einigen Jahren auf fast 3000 Hektar den Schutz der EU: als FFH-/Vogelschutzgebiet Landgraben-Dumme-Niederung.

Über deren Entwicklung wacht auch der BUND, vor allem in Person von Dieter Leupold. Seit 25 Jahren ist der gebürtige Hamburger vor Ort vielseitig aktiv: Er sichert Flächen durch Ankauf, fahndet nach seltenen Tieren und Pflanzen, erarbeitet Pflegekonzepte, knüpft Kontakte zu Landwirten und Lokalpolitikern und wirbt unermüdlich für den Schutz des wertvollen Gebietes. Mit Erfolg: Bis hinauf zum Bundesamt für Naturschutz bekam Leupold dessen überragenden Wert bestätigt.

Bald in Privathand?

Doch mit einem Mal ist der Zweck seines Engagements ernsthaft gefährdet: Die Stadt Salzwedel benötigt kurzfristig Geld. Sie sieht sich gezwungen, ihren Stadtforst zu verkaufen, um damit Haushaltslöcher zu stopfen. Im August und September schrieb sie deshalb die beiden Teilflächen Bürgerholz und Buchhorst zum Verkauf aus, an den Meistbietenden. 400 und 1100 Hektar wertvollster Naturwald drohen so in die Hand vermögender Privatleute zu gelangen.

Wer Millionen investiert, erwartet einen handfesten Gegenwert. Worin könnte der hier bestehen? Eine Bewirtschaftung des Feuchtwaldes wäre hochdefizitär. Zudem schränkt der Schutzstatus die Nutzung erheblich ein. Vorsorglich hat die Stadt ihrer Ausschreibung ein umfangreiches Verbotsregister beigefügt.

Dennoch kam es für Dieter Leupold einem Wunder gleich, dass für das Bürgerholz kein einziges Gebot einging - hier endete die erste Ausschreibungsrunde bereits. Er verbucht dies als Erfolg des BUND. Der vehemente Widerstand gegen den Verkauf habe potenzielle Käufer wohl zusätzlich abgeschreckt.

Rettungsversuche

Die Ausschreibung der Teilfläche Buchhorst läuft noch bis Mitte November. Sie umfasst den größten und wertvollsten Teil des Stadtforstes. Für seine Forderung, den Bruchwald zu retten, bekam der BUND Unterstützung. So versprach Landesumweltministerin Claudia Dalbert: »Wir bemühen uns, die wertvolle Fläche zu erwerben.« Zudem zeigten sich Bundesumweltministerium und Bundesamt für Naturschutz offen, hier ein Großprojekt für Naturschutz zu initiieren. Der BUND selbst sucht derzeit intensiv nach Möglichkeiten, einen Teil des Buchhorst-Waldes zu kaufen.

Doch warum all der Aufwand, wenn der Stadtforst bereits als FFH- und Vogelschutzgebiet gesichert ist? Immerhin gilt damit ja ein Verschlechterungsverbot ...

Potenzial ausschöpfen

Zum Einen hat es das Land bisher versäumt, die Landgraben-Dumme-Niederung als nationales Naturschutzgebiet auszuweisen. So ließe sich jeglichem Eingriff ein rechtlich verbindlicher Riegel vorschieben.

Abgesehen davon ist jede Schutzvorschrift nur so viel wert, wie sie ständig kontrolliert wird. Viele Ämter sind dazu nicht in der Lage. Der Schutz steht und fällt oft genug damit, ob Menschen wie Dieter Leupold vor Ort präsent sind und illegales Tun öffentlich machen.

Ein Privatbesitzer, der es auf Konfrontation anlegt, könnte hier viel Schaden anrichten. Und sei es bloß, indem er jedes Angebot ablehnt, das natürliche Potenzial des Stadtforstes auszuschöpfen. Bislang ist ja nur ein kleiner Teil wiedervernässt. Schon ein leicht höherer Wasserspiegel könnte viel mehr Wald in den früheren Zustand zurückversetzen und den Moorkörper erhalten.

Der BUND wird deshalb alles dafür tun, diesen einmaligen Bruchwald für die Allgemeinheit zu sichern. Damit ihn die Wasserfeder noch zahllose Frühlinge in ein weißes Blütenmeer verwandeln kann.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Der Stadtforst Salzwedel ist bereits seit 700 Jahren in städtischem Eigentum - wohl nicht mehr lange. Auf einer wiedervernässten Teilfläche blüht ab Mai die Wasserfeder.

- Am Grünen Band bei Salzwedel ist ein wertvoller Verbund natürlicher Lebensräume erhalten geblieben.

- Im Stadtforst lebt eine Vielzahl seltener Schmetterlinge: wie Kleiner Eisvogel und Kleiner Schillerfalter.

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Quelle:
BUNDmagazin 4/2016, Seite 26 - 27
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
Redaktion: Severin Zillich
Tel. 030/27586-457, Fax. 030/27586-440
E-Mail: redaktion@bund.net
Internet: www.bund.net/bundmagazin
 
Das BUNDmagazin ist die Mitgliederzeitschrift
des BUND und erscheint viermal im Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Januar 2017

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