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LAIRE/084: Hörvermögen von Delphinen durch Sonar beeinträchtigt (SB)


Knallexperimente am lebenden Objekt

Delphin konnte 20 Minuten lang nicht richtig hören


Das Hörvermögen von Delphinen kann durch den Einsatz aktiver militärischer Sonargeräte beeinträchtigt werden, aber die Hörorgane selbst werden nicht geschädigt. So lautet zusammengefaßt das Ergebnis der Arbeitsgruppe um den US-Forscher Aran Mooney von der Woods Hole Oceanographic Institution in Massachusetts. In den "Biology Letters" (7.4.2009, online) berichtete Mooney, daß er einen trainierten Delphin Geräuschpulse, die denen eines Marineschiffs in 40 Metern Entfernung entsprachen, ausgesetzt hatte. Dabei wurden 15 Pings mit einer Stärke von 203 Dezibel erzeugt. [1]

Anschließend lag die Hörschwelle des Delphins um sechs Dezibel höher. Die Beeinträchtigung hielt 20 Minuten an. Der Veterinär und Experte für das Stranden von Walen Paul Jepson vom Institute of Zoology in London kommentierte den Befund mit den Worten, daß dies eine milde Verschiebung der Hörschwelle sei. Physiologische Veränderungen durch Sonar seien vielleicht nicht so bedeutend wie Verhaltensänderungen der Tiere, lenkte er ein. Erschreckte Tiere könnten aber in Panik geraten, so daß sie zu rasch aufsteigen und unter Dekompressionsstörungen litten. Im übrigen hielten sich Delphine in der Wildnis wahrscheinlich nicht so lange in der Nähe von Schiffen, die ein Sonargerät betrieben, auf.

Diese Annahme mag für einige Delphine gelten, aber es sind durchaus Situationen vorstellbar, in denen die Tiere entscheiden, nicht zu flüchten. Beispielsweise wenn sie bei ihrem Nachwuchs bleiben wollen oder wenn sie wissen, daß Feinde auf sie lauern. Außerdem widerspricht sich Jepson selbst, wenn er einerseits erklärt, daß die Tiere womöglich verwirrt sind, er ihnen aber andererseits die Fähigkeit zuschreibt, zielgerichtet flüchten zu können. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Womöglich flüchten die verstörten Meeressäuger in die falsche Richtung und bekommen die volle akustische Wucht des nächsten Pings ab, da sie versehentlich näher an die Lärmquelle herangeschwommen sind.

Wissenschaftliche Experimente haben den einzigen Zweck, Ergebnisse zu liefern, von denen die beteiligten Forscher annehmen, daß sie auf die Wirklichkeit übertragbar sind. Experimente schränken von vornherein die Wirklichkeit ein, sonst müßte man sie nicht durchzuführen. Forscher sind deshalb immer darauf bedacht, genaue Parameter ihrer Versuchsanordnungen festzulegen. Dabei geben sie Kriterien vor, die ihrer Meinung nach adäquat sind. Darin liegt aber ein Problem. Es ist klar, daß den Experimenten bestimmte Annahmen vorausgehen. Wenn beispielsweise ein Wissenschaftler von einem Biotechkonzern für ein mehrjähriges Gutachten über die potentielle Gesundheitsgefahr gentechnisch veränderten Getreides bezahlt wird, so kann man sich sicher sein, daß derjenige keine Schwierigkeiten hätte, die Harmlosigkeit der Saat festzustellen.

Hier soll den mit der Delphinstudie betrauten Forschern keineswegs unterstellt werden, daß sie absichtlich Ergebnisse produziert haben, die der US-Marine, die wegen ihres Einsatzes von Sonargeräten von Tierschützern kritisiert wird, letztlich sogar gelegen kommen dürfte. Immerhin traten bei dem Tier keine Verletzungen auf. Wir möchten es uns aber auch nicht ersparen, auf einige Annahmen der Versuche aufmerksam zu machen, die das erzeugte Bild in Frage stellen.

Bei den Versuchen wurde ein an den Menschen gewöhnter Delphin eingesetzt, der an Geräuschexperimente gewohnt war. Ob frei lebende Tiere, bei denen es sich unter Umständen auch um Jungtiere handeln kann, die gleiche relative Unempfindlichkeit an den Tag legen, bleibt weiterhin fraglich.

Die Forscher erzeugten 15 Sonarpulse mit einer Stärke von 203 Dezibel. Damit blieben sie 37 Dezibel unterhalb der Stärken, die Sonargeräte der US-Kriegsschiffe erzeugen können. Auch wenn auf ihnen nicht immer mit dem Maximalwert gearbeitet wird, so scheint eine Lautstärkeminderung um 37 Dezibel nicht unbedeutend zu sein. Es verbietet allein das Mitgefühl mit dem Versuchstier, vorzuschlagen, daß die Forscher einfach mal Knallexperimente durchführen, bei denen der Maximalwert von 240 Dezibel erzeugt wird.

Die Studie zeigt jedenfalls, was naheliegt, nämlich daß die Meeressäuger durch den Einsatz von Sonargeräten beträchtlich gestört werden. Das kann ein triftiger Anlaß sein, der sie bewegt, an einen Strand zu schwimmen und dort zu verenden.


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Anmerkungen:

[1] "Sonar causes rock-concert effect in dolphins. Study finds temporary hearing impairment in a bottle-nosed exposed to recordings of ship pings", Susan Milius, 7. April 2009.
http://www.sciencenews.org/view/generic/id/42533/title/Sonar_causes_rock -concert_effect_in_dolphins

9. April 2009