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LAIRE/133: Dalai Lama fordert Walschützer zu Gewaltfreiheit auf (SB)


Sea Shepherd setzt sich gegen Vorwurf des Dalai Lama zur Wehr


Zum Auftakt seiner elftägigen Japanreise hat der Dalai Lama die Mitglieder der Walschutzorganisation Sea Shepherd Conservation Society aufgefordert, keine Gewalt bei ihren Aktionen einzusetzen. [1] Mit dieser Erklärung scheint der im indischen Exil lebende tibetische Mönch seine Gastgeber wohlgesonnen stimmen zu wollen, denn zwischen japanischen Walfängern und Sea Shepherd besteht eine langjährige Feindschaft.

Eigentlich gilt ein internationales Walfangverbot, aber Japan nutzt die Ausnahmeregelung, daß Wale zu wissenschaftlichen Zwecken gejagt werden dürfen, um erhebliche Mengen Walfleisch unters Volk zu bringen. Die Anti-Walfang-Aktivisten von Sea Shepherd, allen voran der bärbeißige Paul Watson, riskieren Kopf und Kragen, wenn sie in antarktischen Randmeeren Walfangboote verfolgen und an der Jagd zu hindern versuchen. Sea Shepherd hat in internationalen Gewässern bereits vier Fangboote gerammt und versenkt, wurde dafür aber nicht belangt, weil die Boote illegal unterwegs waren.

Dem Dalai Lama mag es opportun erscheinen, die Walfanggegner zur Gewaltfreiheit aufzufordern, schließlich möchte er mit internationaler Hilfe eine Abspaltung Tibets und weiterer Regionen aus der Volksrepublik China erreichen. Die blutigen Unruhen in Tibet im Vorfeld der Olympischen Spiele 2008 in China haben allerdings gezeigt, daß auch Worte, ausgesprochene ebenso wie unausgesprochene, Gewalt nach sich ziehen können. Damals war der Dalai Lama in die Kritik geraten, weil er seine Landsleute nicht zweifelsfrei und eindeutig aufgefordert hatte, die pogromartigen Übergriffe auf Han-Chinesen unverzüglich zu beenden.

Indem nun der Dalai Lama, der der Organisation Sea Shepherd bislang (und eigenem Bekunden auch weiterhin) nahesteht, die Walfanggegner zur Gewaltfreiheit auffordert, unterstellt er unausgesprochen, daß sie Gewalt verübt haben. Das sollte aber differenziert gesehen werden, denn Watson und andere Aktivisten haben wiederholt erklärt (und auch danach gehandelt), daß sie Gewalt gegen Personen strikt ablehnen, nicht jedoch Gewalt gegen Dinge. [2]

Es wäre interessant zu erfahren, ob das geistliche Oberhaupt einer bestimmten Schule tibetischer Buddhisten auch Vertreter seines Gastgeberlandes aufgefordert hat, gewaltfrei zu handeln. Denn so intensiv, wie die Gegner des Walfangs versuchen, die Walfänger zu behindern, müssen sie umgekehrt mit gegen sie gerichtete Gewalt rechnen, wie die Zerstörung des Schnellbootes "Ady Gil" der Organisation durch ein Walfangboot beweist.

Selbstverständlich ist Gewaltfreiheit in jeder Hinsicht zu begrüßen. Aber schließt das nicht konsequenterweise die gegen Wale gerichtete Gewalt ein? Die Aufforderung des Dalai Lama erweckt jedenfalls den Eindruck, er wolle damit die strikte Einhaltung des internationalen Walfangverbots, das durchzusetzen sich Sea Shepherd auf die Fahne geschrieben hat, da offizielle Institutionen dazu nicht den nötigen Willen oder die Mittel aufbringen, dem Kalkül seiner eigenen politischen Ambitionen opfern zu wollen.


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Anmerkungen:

[1] "Dalai Lama Reminds Anti-Whaling Activists to Be Non-Violent", Environment News Service (ENS), 23. Juni 2010
http://www.ens-newswire.com/ens/jun2010/2010-06-23-02.html

[2] "Sea Shepherd Acknowledges the Guidance of His Holiness the Dalai Lama", Presseerklärung von Sea Shepherd, 21. Juni 2010
http://www.seashepherd.org/news-and-media/news-100621-1.html

24. Juni 2010