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LAIRE/181: "Tank versus Teller" - eingängiger Slogan lenkt vom Grundwiderspruch ab (SB)


Tank versus Teller kein Phänomen allein der letzten Jahre

Abkehr des US-Militärs von Erdölimporten könnte Nahrungsnot verstärken


Der Tank-versus-Teller-Widerspruch existierte schon lange vor Beginn des Biospritboom im vergangenen Jahrzehnt. In einer Welt, in der auf der einen Seite Hunderte Millionen Menschen Hunger leiden und auf der anderen die Bereicherung eines Establishments zu immer neuen Höhen getrieben wird, läßt sich jede Tankfüllung der einen in geraubte Lebenschancen der anderen gegenrechnen. Kritiker der Biospritpolitik der wohlhabenden Staaten haben mit dem Slogan "Tank versus Teller" zwar treffend die Spitze der sozialen Umlastungspyramide beschrieben, zugleich würden sie aber den gesamten gesellschaftlichen Unterbau verharmlosen, wenn sie den Blick eben nur auf diese Spitze richteten.

Der wachsenden Zahl der Hungernden in der Welt zum Trotz haben zahlreiche Länder Biospritprogramme aufgelegt. Beispielsweise traf diese Woche die erste Lieferung von heimisch erzeugtem Biosprit im US-Militärstützpunkt Camp Lejeune in North Carolina ein. Eigens aus diesem Anlaß war Senator Harry Brown angereist und hat das Ereignis an der Seite von Generalmajor Carl B. Jensen, Generalkommandeur der Marine Corps Installations East, feierlich begangen. Mehrere Jahre der Vorbereitung, die unter dem Stichwort "Fuel the Force" firmieren, hätten das Militär und die Wirtschaft enger zusammengeführt, heißt es.

"Das Projekt ist eine Zusammenarbeit zwischen zwei führenden Industrien North Carolinas - Militär und Landwirtschaft - und umfaßt die Entwicklung von Abläufen und einer Infrastruktur, die notwendig sind, damit North Carolinas Farmer erneuerbaren Treibstoff liefern, der von North Carolinas Kriegern gebraucht wird", lautet die offizielle Stellungnahme, wie sie die Website Environmental News Service wiedergibt. [1]

Das US-Militär hat es sich zum Ziel gesetzt, seinen Energieverbrauch um 30 Prozent bis 2015 zu verringern, umgekehrt soll der Anteil an erneuerbaren Energien erhöht werden. Die Lodengrünen haben kein Problem damit, traditionell grüne Themen wie den Kurswechsel zu sogenannten regenerativen Energien zu adaptieren ... wie bekanntlich umgekehrt die Grünen (mindestens in Deutschland) kein Problem damit haben, sich lodengrüner Denkweisen und Mittel zu bedienen.

Die Biospritlieferung nach Camp Lejeune ist nur ein Beispiel von vielen, die zwar häufig noch in den Kinderschuhen stecken, aber einen unübersehbaren Trend innerhalb sämtlicher Streitkräftegattungen der USA belegen: Fossile Energieträger werden durch pflanzliche Energieträger ersetzt. Der US-Militärapparat, der in etwa einen Erdölverbrauch wie ganz Schweden hat, hat bereits vor Jahren entsprechende Analysen zum postfossilen Zeitalter erstellt und zieht daraus konkrete Konsequenzen.

Das bedeutet nicht, daß die USA nicht um die letzten Ölreserven kämpfen werden. So wie die deutsche Bundeswehr gegenwärtig zu einer Interventionsarmee umgebaut wird, welche die Sicherung von Handelswegen und Rohstoffquellen zur "Landesverteidigung" verklärt - womit gemeint ist, daß ein bestimmter Lebensstil verteidigt, das heißt gegen andere Interessen gewaltsam durchgesetzt wird -, bereiten sich auch die US-Streitkräfte auf umfassendere kriegerische Konflikte vor. Ein Aspekt dabei ist die Verringerung des Militärs von der Abhängigkeit von Erdölimporten.

In den Vereinigten Staaten wird inzwischen mehr Mais zu Treibstoff verarbeitet als zu Futtermitteln. [2] Aber selbst wenn der höchst unwahrscheinlich Falle einträte, daß demnächst riesige Tanks aufgestellt würden, in denen Algen für die Biospritproduktion gezüchtet werden, und weder Mais noch Weizen noch andere Nahrungs- oder Futtermittel zu Ethanol oder Biodiesel verarbeitet würden, wäre damit der Widerspruch "Tank versus Teller" keineswegs aufgelöst. Denn nach wie vor wären in den privilegierten Weltregionen die Tanks voll, in den marginalisierten Regionen dagegen die Teller leer.

Fußnoten:

[1] "U.S. Marines Embrace Biodiesel Fuel", Environment News Service (ENS), 18. Juli 2011
http://www.ens-newswire.com/ens/jul2011/2011-07-18-091.html

[2] "USA: Erstmals mehr Mais für Biosprit als für Viehzucht verbraucht", top agrar online, 15. Juli 2011
http://www.topagrar.com/news/Home-top-News-USA-Erstmals-mehr-Mais-fuer-Biosprit-als-fuer-Viehzucht-421786.html

19. Juli 2011