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LAIRE/245: Obamas Veto gegen Keystone XL wird überbewertet (SB)


Keystone-Projekt längst in Betrieb - nur die XL-Erweiterung vorläufig gestoppt


US-Präsident Barack Obama hat von seinem Recht Gebrauch gemacht und sein Veto gegen eine Entscheidung des US-Kongresses für das Pipeline-Projekt Keystone XL eingelegt. [1] Das macht aus der "lahmen Ente", wie in den USA ein Präsident genannt wird, der weder im Repräsentantenhaus noch im Senat über eine Mehrheit verfügt, noch lange keinen Adler. Erstens hatten bei der Abstimmung im Kongreß auch Mitglieder von Obamas Partei der Demokraten aus beiden Häusern für den Bau der 1900 Kilometer langen Pipeline, in der Rohöl aus kanadischen Teersanden in die USA befördert werden soll, gestimmt - Obamas Rückhalt ist folglich selbst in der eigenen Partei in dieser Frage dünn; zweitens haben die Befürworter des Projekts im Kongreß noch immer die Chance, das Veto des Präsidenten zu überstimmen; drittens endet Obamas Amtszeit im nächsten Jahr. Sollten die Republikaner die Nachfolge antreten, hätten sie die Chance, das Projekt wieder anzuschieben.

Als vierter und letzter Punkt ist zu nennen, daß Barack Obama nie ein strikter Gegner der Pipeline war. Er hat stets den Standpunkt vertreten, daß zunächst die Frage beantwortet werden müsse, ob Keystone XL im Interesse der US-Bürgerinnen und Bürger ist. Zu klären sind unter anderem die potentiellen Umweltfolgen, zu denen die Auswirkungen der Treibhausgasemissionen als Folge der Verbrennung des fossilen Energieträgers ebenso gehören wie das Risiko, daß bei einer Leckage der Pipeline Erdöl in die Umwelt gelangt und das Grundwasser kontaminiert. Sollten also im Gutachten keine gravierenden Einwände gegen den Bau erhoben werden, wäre mit keinem Veto des Präsidenten mehr zu rechnen.

Angesichts dieser Aussichten sollte die aktuelle Entwicklung nicht zu hoch bewertet werden. Zwar versucht May Boeve, Exekutivdirektorin der Klimaschutzorganisation 350.org, die eine Kampagne gegen das Projekt losgetreten hat, Obamas Entscheidung darauf zurückzuführen, daß "Aktivismus funktioniert" [2], aber die Proteste gegen den Pipelinebau sind nicht der einzige und womöglich nicht einmal der wichtigste Grund für Obamas Veto. Es geht bei dieser Frage auch um politische Macht und die Durchsetzungsfähigkeit des Präsidenten. Außerdem kann so ein Projekt, wie überall im politischen Geschäft, Teil der Verhandlungsmasse mit der Opposition werden, um darüber ganz andere Projekte durchzusetzen.

Ohne den Befürwortern von Keystone XL argumentativ zur Seite springen zu wollen, kann man nicht umhin zu erkennen, daß es sich hierbei nur um einen Teilabschnitt eines umfangreicheren Pipeline-Netzwerks namens Keystone handelt, das längst in Betrieb genommen wurde und seinerseits Bestandteil einer dicht gewebten Infrastruktur aus Erdöl- und Erdgasleitungen kreuz und quer durch die USA ist. Keystone XL bezeichnet einen rund 1900 Kilometer langen Teilabschnitt, der von Hardisty in der kanadischen Provinz Alberta bis Steele City im US-Bundesstaat Nebraska führen soll. Würde diese Pipeline nicht gebaut, hielte das die Förderung von besonders klimaschädlichen Teersandölen nicht auf. Es existieren andere Pipelines, über die der Rohstoff transportiert werden könnte, und auch die Bahn befördert bereits große Mengen dieses fossilen Energieträgers.

Man könnte sich allerdings fragen, warum die Proteste ausgerechnet gegen Keystone XL so breit angelegt und die Medien so sehr darauf angesprungen sind. Da hat sich eine ganze Reihe von Prominenten wie Desmond Tutu, der Dalai Lama, Willie Nelson, Mark Ruffalo und Neil Young, Hollywoodgrößen wie Daryl Hanna, Julianne Moore, Robert Redford und Alec Baldwin, einige Nobelpreisträgerinnen und -träger, die Autorin Naomi Klein und der frühere US-Arbeitsminister Robert Reich gegen Keystone XL ausgesprochen. Dadurch hat diese eine Pipeline soviel Bedeutung erlangt, daß der Eindruck entstehen könnte, hier werden gesellschaftliche Proteste kanalisiert und gebunden, durch die ansonsten grundsätzliche Fragen, zum Beispiel nach der Höhe des Verbrauchs an fossilen Energieträgern und deren Hauptnutznießern, gestellt werden könnten.

Zynischerweise könnte ausgerechnet der niedrige Ölpreis noch am ehesten dazu beitragen, daß Keystone XL nicht gebaut wird. Denn die Erdölgewinnung aus kanadischen Teersanden lohnt sich nur ab einem Weltmarktpreis von rund 40 - 50 Dollar pro Barrel. Der gegenwärtige Preis für Rohöl von knapp unter 50 Dollar macht den kanadischen Erdölkonzernen zu schaffen. Sowohl was den Abbau und das Auskochen von Teersanden als auch die Produktion von Öl und Gas mittels der umstrittenen Methode der Hydraulischen Frakturierung (Fracking) betrifft, rentiert sich das Geschäft kaum noch. So hat die britisch-niederländische Erdölgesellschaft Shell angekündigt, das "Pierre River Mine"-Projekt zum Abbau von Teersanden in der kanadischen Provinz Alberta zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht weiter zu verfolgen. Statt dessen soll die Produktion in der bereits seit zwölf Jahren arbeitenden Teersandmine Athabasca, ebenfalls in Alberta gelegen, mehr als verdoppelt werden. [3]

Mit dem Veto gegen Keystone XL strickt Barack Obama weiter an seinem grünen Mäntelchen, ohne daß er sich dabei etwas vergibt. Er kann damit zu punkten versuchen, daß er sich dem Pipelinebau entgegengestellt hat. Das hat er jedoch nicht. Er hat lediglich eine Überprüfung angeordnet. Was dabei herauskommt, ist noch offen.

Angesichts der womöglich bevorstehenden globalen Erwärmung um durchschnittlich mehr als drei oder vier Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit und den absehbar katastrophalen Folgen dieser Entwicklung vor allem für die ärmeren Länder ist Obamas Veto nur so "grün", wie ein Feigenblatt eben grün sein kann ...


Fußnoten:

[1] http://www.whitehouse.gov/the-press-office/2015/02/24/veto-message-senate-s-1-keystone-xl-pipeline-approval-act

[2] http://350.org/press-release/350-responds-to-president-obamas-veto-of-keystone-xl-bill/

[3] http://www.shell.ca/en/aboutshell/media-centre/news-and-media-releases/2015/pierre-river-022232015.html

25. Februar 2015


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