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LAIRE/307: FCKWs - Tatsachen und Legenden ... (SB)



Mit Blick auf den völlig unzureichenden globalen Klimaschutz wird in der Berichterstattung anläßlich des heutigen Welttags zum Erhalt der Ozonschicht das Märchen zum besten gegeben, daß das am 16. September 1987 beschlossene Montrealer Protokoll zum Schutz der Ozonschicht zustandegekommen ist, weil die Staatengemeinschaft die Gefahr erkannt und daraufhin entschlossen gehandelt hat. Denn das riesige Ozonloch über der Antarktis ist anscheinend auf dem Weg, sich zu schließen.

Die meisten Medien versäumen es zu erwähnen, daß sich die Staaten vor allem deshalb darauf geeinigt haben, die ozonzersetzenden Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKWs) zu verbieten, weil die einflußreiche US-Delegation zugestimmt hat, und sie tat dies, weil der Patentschutz des US-Chemiekonzerns DuPont auf diese Mittel absehbar auslief. Man habe erkannt, daß "aus der Verteidigung des Status quo kein Geld mehr zu erwarten war", sagte der Atmosphärenforscher Prof. Dr. Owen Brian Toon von der Universität von Colorado in Boulder gegenüber dem Schattenblick [1]. FCKWs zu verbieten, stand demnach nicht etwa dem Geschäftsinteresse der US-Industrie entgegen, sondern diese Option hat ihr neue Geschäftsfelder für die Produktion der Ersatzstoffe eröffnet.

99 Prozent der ozonzersetzenden Chemikalien in Kühlschränken, Klimaanlagen und zahlreichen weiteren Produktgruppen sind dank des Montrealer Protokolls vom Markt verschwunden, und die Ozonschicht hat sich seit dem Jahr 2000 um ein bis drei Prozent pro Dekade wieder geschlossen, berichtet das Umweltprogramm der Vereinten Nationen, UNEP. Wissenschaftlichen Projektionen zufolge werde sich die Ozonschicht auf der Nordhalbkugel und in den mittleren Breiten bis 2030, auf der Südhalbkugel bis 2050 und in den Polarregionen bis 2060 erholen [2].

Es sei denn, einflußreiche Interessengruppen stellen sich dem entgegen, möchte man ergänzen. Auch in den ursprünglichen Verhandlungen zum Montrealer Protokoll hatte sich die Industrie (mittels der sie vertretenden Regierungen) zunächst geweigert, ein Abkommen zum Auslaufen der FCKWs zu verabschieden. Noch zwei Jahre zuvor hatte die internationale Staatengemeinschaft das Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht beschlossen und darin die Industrie geschont, indem noch keine konkreten Vorgaben verabschiedet worden waren.

Im Rahmen des mittlerweile nicht mehr hinterfragten, da vermeintlich alternativlosen profitorientierten Wirtschaftssystems reagieren Unternehmen, die ihre Geschäftsinteressen aufgrund ordnungspolitischer Anforderungen gefährdet sehen, auf zwei verschiedene Weisen: Durch Verzögerung bzw. auch Verweigerung der erforderlichen Maßnahmen oder aber den Versuch, aus der Situation ein Geschäft herauszuschlagen.

Die Hersteller der FCKW-haltigen Geräte sind im Laufe des Verhandlungsprozesses auf letztgenannten Kurs umgeschwenkt und haben mit der Begründung, nun aber schnell reagieren zu müssen, die FCKWs durch FKWs (Fluorkohlenwasserstoffe) bzw. H-FKWs ersetzt. Das H steht für teilhalogeniert; die Verbindung enthält noch Wasserstoff (chemisches Zeichen H).

Man wußte, daß Gase aus dieser chemischen Gruppe um ein Vielfaches stärker die Erderwärmung antreiben als CO₂, dessen Reduktion im Mittelpunkt der gegenwärtigen Klimaschutzbemühungen steht. Die sogenannten F-Gase haben ein bis zu 22.900mal höheres Erderwärmungspotential.

Und erneut mußten nach einigen Jahren auch die FKWs aus den Geräten verschwinden - ein glänzendes Geschäft für die Hersteller. So bereiten ihnen technologische Innovationen Freude. Der vorläufig letzte Zusatz zum Montrealer Protokoll, der technologische Modifikationen ausgelöst und den nächsten kapitalistischen Verwertungszyklus angekurbelt hat, war im Oktober 1996 in Ruanda beschlossen worden. Mit dem Kigali-Amendment wurde ein Fahrplan vereinbart, die H-FKWs bis 2047 auf 15 bis 20 Prozent gegenüber einem Basiswert zu reduzieren. Ohne dieses Zusatzprotokoll würde die globale Durchschnittstemperatur am Ende des Jahrhunderts 0,4 Grad Celsius höher liegen, heißt es. Das kann ja niemand wollen.

Es war zwar tatsächlich höchste Zeit, die FCKWs zu verbannen, aber so eilig hatte man es doch wiederum nicht, daß unvermeidlich auf die klimaschädlichen FKWs umgeschwenkt werden mußte. Hätte man nicht gegebenenfalls auch ein paar Jahre länger daran forschen und schließlich andere Ersatzstoffe nehmen können, wenn man bedenkt, daß ja von jahrzehntelangen Fristen ausgegangen wird, bis der Ozonabbau zum Erliegen gebracht würde?

Stets tritt die Industrie als Retter der Menschheit vor globalen Umweltkatastrophen auf, an deren Zustandekommen sie zuvor mitgewirkt und von denen sie profitiert hat. Wenn es also heute um die Bewältigung eines anderen Klimaphänomens geht, nämlich das der globalen Erwärmung, und die Frage aufgeworfen wird, warum die Umsetzung der sowieso zu laschen Selbstverpflichtungen aus dem 2015 beschlossenen Klimaübereinkommen von Paris so zäh laufen, eignet sich das Montrealer Protokoll nicht als Gegenentwurf: Es geht immer ums Geschäft, heute wie vor 32 Jahren.


Fußnoten:

[1] http://schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0003.html

[2] https://ozone.unep.org/ozone-day/32-years-and-healing

16. September 2019


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