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LAIRE/334: Impfforschungsmotive ... (SB)



Die Zahl der "Corona-Toten" in der noch laufenden Covid-19-Pandemie beträgt nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation mehr als 6,5 Millionen. Das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 gilt als weiteres Beispiel für die Gefahr durch Viren, die von Tieren auf den Menschen überspringen. Die bislang meisten Opfer so einer Zoonose hatte vor etwas über einem Jahrhundert eine Influenza (Subtyp A/H1N1) gefordert. Zwischen 1918 und 1920 starben - teilweise in Verbindung mit Sekundärinfektionen wie Lungenentzündungen - zwischen 20 und 50 Millionen Menschen weltweit. Das Influenzavirus war offenbar von Vögeln auf Menschen übergesprungen. Virale Infektionen wie HIV, SARS, MERS, Ebola, Lassa und andere stammen ebenfalls ursprünglich von Tieren, wobei manche Zoonosen unter Beteiligung eines Zwischenwirts auftreten.

Um aus der ständigen Reaktion auf vernichtende virale Übersprünge herauszukommen kam in der Impfforschung die Idee auf, nicht mehr zu warten, bis eine Zoonose entsteht, sondern diese bereits an ihrem Ursprungsort zu bekämpfen. Nicht Menschen, sondern Tiere sollten geimpft werden - eine Vorstellung, die allerdings nur auf den ersten Blick attraktiv erscheint.

Es bliebe ein unmögliches Unterfangen, jedes einzelne Exemplar einer typischen Zoonose auslösenden Wildtierpopulation einzufangen und zu impfen. Theoretisch könnte jedoch ein Impfstoff entwickelt werden, der bei den Tieren über Körperkontakt, Geschlechtsverkehr oder Atemluft verbreitet wird. Beispielsweise bräuchten nur wenige Fledermäuse geimpft zu werden, die dann in ihre Kolonie zurückfliegen, wo sich der Impfstoff unter den meisten oder allen anderen Exemplaren verbreitet, so dass auch bei ihnen die erwünschte Immunantwort ausgelöst wird.

Ein typischer Impfstoff besteht entweder aus einem Virusbestandteil, einem abgeschwächten Virus oder, da letzteres die Gefahr einer Rückverwandlung in das Ursprungsvirus birgt, einem als harmlos angesehenen, genetisch veränderten Virus. Wichtig ist bei diesem Konzept, dass der Impfstoff sehr leicht von Tier zu Tier übertragen wird und sich dadurch rasch in einer Population verbreitet. Das Zytomegalievirus beispielsweise gilt als ein geeigneter Kandidat zur Erforschung sich über Schmierinfektion verbreitender Impfstoffe. Fledermäuse lecken sich zur Fellpflege und würden dadurch den Impfstoff aufnehmen. Das Herpes auslösende Zytomegalievirus kommt zwar in Menschen und einer Vielzahl von Tieren vor, aber es ist streng wirtsspezifisch, was bedeutet, dass es üblicherweise nicht von einer Spezies auf eine andere springt.


Rund 50 Kaninchen trinken aus einem Wasserloch, im Umfeld viele weitere Kaninchen - Foto: CSIRO, CC BY 3.0 [https://creativecommons.org/licenses/by/3.0], via Wikimedia Commons

Wardang Island, Südaustralien, 1938
Nach der Freilassung von 24 Kaninchen im Jahr 1859 vermehrten sich die Tiere innerhalb eines Jahrhunderts auf mehrere Milliarden und besiedelten sämtliche Landstriche und Inseln Australiens.
Foto: CSIRO, CC BY 3.0 [https://creativecommons.org/licenses/by/3.0], via Wikimedia Commons

Die Idee an sich, Wildtiere zu impfen, wird seit vielen Jahrzehnten praktiziert. Beispielsweise wurden in den USA und Europa mit Impfstoffen versehene Köder aus der Luft abgeworfen, um Tollwut bei Füchsen, Waschbären und anderen Wirtstieren einzudämmen. In den 1990er Jahren wurden bei einem Experiment auf der unbewohnten spanischen Mittelmeerinsel Isla del Aire Kaninchen gegen des Myxoma-Virus und das RHD-Virus (rabbit hemorrhagic disease virus) geimpft und ausgesetzt. Es sollte herausgefunden werden, ob und inwieweit sich der Impfstoff ausbreitet. Wie der Deutschlandfunk (3. Juli 2020) berichtete, war das Experiment vom spanischen Jagdverband initiiert worden, weil er die Kaninchen vor dem Virus schützen wollte ... um die Tiere selber zu jagen.

Mit anderer Zielsetzung, nämlich der viralen Vernichtung der Kaninchen, waren bereits in den 1930er Jahren und in späteren Anläufen auf Wardang Island vor der südaustralischen Küste Versuche zur Verbreitung von RHD durchgeführt worden. Jedoch sind im September 1995 Erreger entkommen und haben sich unkontrolliert auf dem Festland verbreitet. Zwei Jahre darauf wurde das bei den Experimenten verwendete Calicivirus auf der Südinsel Neuseelands nachgewiesen. Was war geschehen? Von der dortigen Kaninchenplage genervte Landwirte hatten es absichtlich in ihr Land geholt. Nach eingehender Untersuchung kam Neuseelands Regierung zu dem Schluss, dass eine Vernichtung der illegal freigesetzten Viren nicht mehr möglich war.

Der Vorfall weckt Zweifel an der Zuverlässigkeit von gesetzlichen Bestimmungen und damit letztlich auch der Sicherheit vermeintlich eingehegter Experimente, ob sie wie in Neuseeland mit wilden Viren oder wie in Spanien mit labortechnisch modifizierten Erregern durchgeführt werden.

Es ist keine zwei Jahre her, da wurde von Reuters über den Verdacht berichtet, dass in China nicht zugelassene Lebend-Impfstoffe gegen die afrikanische Schweinepest hergestellt und verwendet worden waren. Daraufhin habe sich eine neue Form dieser Vireninfektion verbreitet. Die Vermutung, dass dem neuerlichen Ausbruch von Schweinepest eine kriminelle Handlung vorausgegangen war, stützte sich darauf, dass dem neuen Schweinepestvirus die Schlüsselgene MGF360 und/oder CD2v fehlten. Zwar waren die neuen Viren nicht mehr wie zuvor tödlich für die Tiere, aber infizierte Sauen brachten weniger lebensfähige Ferkel zur Welt. Als Konsequenz der neuen Schweinepest mussten zahlreiche Tiere gekeult werden. Die chinesische Regierung hat daraufhin die Sicherheitsbestimmungen im Umgang mit Impfstoffen verschärft.

Wenn Individuen, Institutionen oder Nationalstaaten, die eigennützige Interessen verfolgen, über die Freisetzung irgendwelcher Viren entscheiden und sei es auch nur in deren abgeschwächten Varianten, wie sie für selbstverbreitende Impfstoffe im Gespräch sind, birgt das eine kaum auszulotende Gefahr für die Allgemeinheit. Man stelle sich nur vor, eine Person würde aus Profitgründen ein Virus freisetzen, nicht um Kaninchen zu töten und dadurch höhere landwirtschaftliche Erträge zu generieren, sondern um am Verkauf von Impfstoffen gegen dieses Virus zu verdienen. Eine Horrorvorstellung, die schon immer gegolten hat und sich nicht auf selbstverbreitende virale Impfstoffe beschränkt. In der Vergangenheit wurde sie mit der böswilligen Verbreitung von Viren-Wildformen diskutiert. Aber mit der Idee, Impfstoffe in die Umwelt zu entlassen, damit sich diese ohne weiteres Zutun unter Tieren verbreiten und nicht mehr zurückgeholt werden können, weitet sich das sowieso schon breite Feld risikobehafteter biomedizinischer Forschungen. Gefährliche Entwicklungen entstehen nicht allein aus ihrem Missbrauch, sondern auch aus ihrem bloßen Gebrauch, wie die Kaninchenkriege in Australien wiederholt unter Beweis gestellt haben.


Ein Mann lässt zwei Kaninchen aus einem Käfig auf einer grasbewachsenen Ebene frei - Foto: CSIRO Archives, CC BY 3.0 [https://creativecommons.org/licenses/by/3.0]

1938 lassen Forscher mit dem Myxomavirus infizierte Kaninchen auf Wardang Island, Südaustralien, frei. Geprüft werden sollte, ob sich die Zahl der Tiere auf diese Weise verringern lässt.
Foto: CSIRO Archives, CC BY 3.0 [https://creativecommons.org/licenses/by/3.0]

Erosion einer bewährten Norm

Die Konsequenzen einer Freisetzung selbstverbreitender Impfstoffe auf die Um- und Mitwelt vermag niemand vorherzusagen. Vom "Erodieren einer Norm", die seit Generationen evidenzbasierter Forschungserfahrungen gegolten hat, warnten im Januar dieses Jahres die Expertin für Biosicherheit Filippa Lentzos vom King's College London, der Genetiker Guy Reeves vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön, Margret Engelhard vom Bundesamt für Naturschutz und weitere Forscherinnen und Forscher in einem Beitrag des Wissenschaftsmagazins "Science" (7.1.2022). Es sei hinlänglich bekannt, dass labortechnisch veränderte, selbstverbreitende Viren genetisch "zu instabil" sind, als dass sie "sicher und vorhersagbar" außerhalb abgeschlossener Einrichtungen eingesetzt werden können. In der Übertragung von einem Wirt zum nächsten liege ein erhebliches Potential, dass das Virus bei diesem Vorgang seine biologischen Eigenschaften ändert.

Trotz vergangener negativer Erfahrungen sei das Interesse an selbstverbreitenden Impfstoffen seit 2016 wieder aufgeflammt, berichten Lentzos et al. Diese Forschungsrichtung werde beispielsweise vom Programm "Horizon 2020" der Europäischen Union, von den Nationalen Gesundheitsinstituten der USA (NIH - National Institutes of Health) und der DARPA (Defence Advanced Research Projects Agency) des US-Verteidigungsministeriums eingeschlagen. Stets mit der Beteuerung der Beteiligten und ihrer Finanziers verbunden, man könne Impfstoffe herstellen, die nur eine begrenzte, vorhersagbare Lebensdauer besitzen, so dass unerwünschte Mutationen der Impforganismen verhindert werden.

Das ist allerdings Wunschdenken, vor dem nicht allein in dem "Science"-Artikel gewarnt wird. Nur ein sehr geringer Teil der in Tieren existierenden Viren ist überhaupt wissenschaftlich beschrieben. Niemand weiß, welche von ihnen das Potential haben, auf den Menschen überzugehen, und was sie anschließend dort bewirken.

Hinlänglich bekannt ist allerdings und von Fachleuten wie dem Evolutionsbiologen und Epidemiologen Robert Wallace beschrieben, dass der globale Reiseverkehr und Warentransport, Wildfleischverzehr und Massentierhaltung, Waldrodungen und das immer tiefere Vordringen des Menschen in die Lebensräume von Tieren, die dadurch in die Enge getrieben werden, die Gefahr einer Zoonose erhöht. Aber diese Faktoren können nicht durch selbstverbreitende Impfungen unter Wildtieren verringert werden, sondern vielmehr durch die Zurückhaltung des Menschen.

Nicht nur durch die Vermischung von Lebensräumen der Wildtiere und der Menschen wächst das Risiko von Pandemien, sondern auch durch die Verbreitung von weltweit zusätzlich mehreren hundert Bioforschungslaboren, die geplant oder schon im Aufbau sind. Denn in jedem Labor können Fehler geschehen, selbst unter den Bedingungen der höchsten Sicherheitsstufe 4. Und nicht immer geht ein Unfall so glimpflich aus wie im März 2009 in einem Level-4-Labor des Bernhard-Nocht-Instituts in Hamburg. Bei einem Tierversuch hatte sich eine Mitarbeiterin mit einer Spritze gestochen, die einen Ebolavirus enthielt. Es gibt kein Medikament gegen Ebola, und so wurde nach einer Risikoabschätzung die Gelegenheit genutzt, einen experimentellen Impfstoff an ihr auszuprobieren. Es stellte sich heraus, dass die Mitarbeiterin glücklicherweise nicht infiziert worden war. Und sie hat auch die Behandlung mit dem experimentellen Impfstoff überstanden.

Laut der investigativen Internetseite "The Intercept", die unter Berufung auf das Freedom of Information Act angeforderte, offizielle Dokumente der US-Regierung und weitere Quellen ausgewertet hat, ist es in den letzten 18 Jahren in US-Biolaboren zu Hunderten von Unfällen unterschiedlichen Schweregrads gekommen. Am 1. November 2022 berichtete "The Intercept" über einen erst kürzlich bekanntgewordenen Vorfall in einem Hochsicherheitslabor der Stufe 3 (BSL-3) der Washington University School of Medicine in St. Louis, Missouri. Eine Doktorandin hatte gemäß den Vorschriften eine volle Schutzkleidung getragen, mit Mundschutz, zweifachen Überziehern an den Füßen, doppelten Handschuhen, etc. Beim Hantieren mit dem Chikungunya-Virus hat sie sich versehentlich durch die beiden übereinandergetragenen Handschuhe gestochen. Da kein Blut aus dem Einstich gedrungen war, hat die Laborantin eine Standardreinigung vorgenommen und das Labor verlassen, ohne, wie es vorgeschrieben ist, den Vorfall zu melden. Vier Tage später bekam sie Fieber, Gliederschmerzen und Schüttelfrost. Sie hatte sich mit dem Virus angesteckt.

Zum Glück wird Chikungunya nicht von Mensch zu Mensch übertragen. Aber wenn die infizierte Person anschließend von einer Mücke gestochen worden wäre, hätte sich das Chikungunya-Virus verbreiten können. Soll man also darauf vertrauen, dass sich die Laborantin anders verhalten hätte, wenn sie zum Beispiel mit Influenzaviren gearbeitet hätte, die sich über Tröpfcheninfektion verbreiten und ein pandemisches Potential besitzen?

Ein weiteres Beispiel: Im April 2011 wurde ein Forscher, der ebenfalls doppelte Schutzkleidung getragen hatte, in einem Biosicherheitslabor der Stufe 3 der Mount Sinai School of Medicine in New York von einem Frettchen gebissen, das mit einem rekombinanten Stamm der brandgefährlichen Influenza von 1918 infiziert worden war. Die doppelten Handschuhe des Forschers hatten den Zähnen des Tiers nichts entgegenzusetzen, der linke Daumen wurde verletzt. Normalerweise wird das Virus nicht durch Blut übertragen, insofern galten die anschließend ergriffenen Sicherheitsmaßnahmen - zumindest zum damaligen Zeitpunkt - als ausreichend. Dazu gehörte allerdings, dass sich der alleinlebende Mann für eine Woche in häusliche Quarantäne begeben durfte. Und das bei einem potentiellen Pandemieauslöser!

Von einem "ziemlich bedeutenden Verstoß gegen die biologische Sicherheit" spricht Gregory Koblentz, Direktor des Biodefense Graduate Program an der School of Policy and Government der George Mason University, laut "The Intercept". Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt Simon Wain-Hobson, Virologe am Institut Pasteur in Paris. Ein Forscher, "der in einer kleinen Wohnung in New York City festsitzt", könnte versucht sein, nach draußen zu gehen, um sich etwas zu essen zu holen oder frische Luft zu schnappen, vermutet Wain-Hobson. "Angenommen, das Risiko liegt bei 0,1 Prozent. Aber wenn er einfach nur Pech hat, dann wären die Folgen absolut gigantisch."


Zwei Forscher in voller Schutzmontur mit eigener Sauerstoffversorgung in einem Labor - Foto: Livestock Industries, CC BY 3.0 [https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/], via Science Image, CSIRO

Im australischen Tiergesundheitslabor wird auch an hochinfektiösen Krankheitserregern geforscht.
Foto: Livestock Industries, CC BY 3.0 [https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/], via Science Image, CSIRO

Die Welt der Viren - eine Blackbox

Viren gelten als nicht lebendig, weil sie sich nicht selbst vermehren können, sondern für ihre Replikation auf einen Wirt angewiesen sind. Außerdem betreiben sie keinen eigenen Stoffwechsel. Viren bestehen aus der Erbsubstanz DNA oder RNA sowie Proteinen. Mit deren Hilfe dringen sie in die Wirtszelle ein und bringen sie dazu, die virale DNA bzw. RNA zu vermehren.

Die Entstehungsgeschichte der Viren liegt im Dunkeln. Eine von mehreren Hypothesen lautet, dass es in der Evolution erst Lebewesen gab und dass sich hieraus Gene abgetrennt haben, die zu Viren wurden. Schätzungen zufolge gibt es weltweit rund 100 Millionen Viren, im Meer, an Land, im Boden und der Luft. Auf und in Säugetieren und Vögeln wird ihre Zahl auf 1,67 Millionen geschätzt; von denen wird 631.000 - 827.000 ein hohes zoonotisches Potential zugesprochen.

Als Reaktion auf den Ausbruch der Vogelgrippe von 2005 hat die US-Agentur für Internationale Entwicklung (USAID) 200 Mio. Dollar in die Hand genommen und von 2009 bis 2019 im Rahmen des Pandemie-Frühwarnsystems PREDICT 949 unbekannte und 217 bekannte Virusarten in Wildtieren, Vieh und Menschen aus 34 Ländern nachgewiesen. Ein von den Beteiligten gefeierter, wenngleich bescheidener Erfolg, wenn man bedenkt, dass allein in Fledermäusen mehrere tausend noch unbekannte Coronaviren existieren sollen. Im Oktober 2021 hat USAID in einem deutlich kleineren finanziellen Rahmen das Projekt Discovery and Exploration of Emerging Pathogens - Viral Zoonoses (DEEP VZ) mit ähnlicher Zielsetzung gestartet.

Gegenwärtig sind vielleicht ein Prozent der Säugetierviren identifiziert. In dem 2016 initiierten Global Virome Project haben sich die Beteiligten zwar vorgenommen, innerhalb von zehn Jahren 99 Prozent aller Viren mit zoonotischem Potential aufzustöbern. Aber erstens wird das ursprünglich auf 3,5 Mrd. Dollar veranschlagte Projekt mangels Finanzierung nunmehr als geringer dimensionierte Non-profit-Organisation weitergeführt und zweitens wäre es selbst bei voller staatlicher Unterstützung vermutlich ein ähnlich schwieriges Unterfangen geblieben wie jenes, das einst Sisyphos auferlegt worden war, der den Stein den Berg hochrollen musste, nur um zu erleben und zu erleiden, dass dieser kurz vor dem Ziel wieder ins Tal gerollt ist.

Die Virenforschung erreicht vielleicht ebenfalls nicht die Bergspitze, um in diesem Bild zu bleiben. Denn Viren entwickeln sich ständig und rasch weiter, was bedeutet, dass es niemals einen abzählbaren Bestand geben wird. In der Welt der Viren findet Evolution in Hochgeschwindigkeit statt. Ohne ihre stark ausgeprägte Anpassungsfähigkeit, durch die sie sich rasch auf die veränderten Bedingungen ihrer Wirtszellen einstellen konnten, hätten die Viren evolutionär vermutlich nicht überlebt. Ihre hohe Mutationsrate stellt die Menschheit vor ein besonderes Problem, denn wenn ein Teil der Viren das durch eine Impfung auf eine Infektion vorbereitete Immunsystem des Menschen übersteht, könnte eben dieser Teil zum Ursprung einer neuen Variante werden.

Auch wenn durch das Global Virome Project sicherlich viele Informationen über Viren und Virengruppen wie die Coronaviren herausgefunden werden können, müsste man sie dennoch laufend weiter erfassen und könnte noch immer nicht sicher sein, ob nicht irgendeines der zahlreichen Viren mutiert und eine Zoonose auslöst. Da dürfte auch der Nutzen begrenzt bleiben, künstliche Intelligenz darauf anzusetzen, wie es gegenwärtig versucht wird, um mögliche Hotspots für Zoonosen ausfindig zu machen. Die Virologie generiert zwar umfangreiche statistische Daten, aber diese lassen keine Rückschlüsse auf Einzelereignisse zu. Konkret kann ein "Spillover" nicht vorhergesagt werden. Niemand weiß, welches Virus vielleicht nur eine Mutation und welches 50 Mutationen davon entfernt ist, von Tier auf Mensch überzuspringen.

Die National Science Foundation (NSF) der Vereinigten Staaten hat im Jahr 2019 die Initiative Verena (Viral Emergence Research Initiative) zur Erforschung des Auftretens von Viren initiiert. Darin sollen zoonotische Vorhersagemodelle entwickelt und verbessert werden. Doch selbst wenn sämtliche potentiell zoonotischen Viren wissenschaftlich beschrieben wären, würde das die Übertragungen von ihnen nicht verhindern, schreibt Colin J. Carlson von der Georgetown University in Washington in einem Kommentar des Medizinjournals "The Lancet" (1. Mai 2020). Influenza sei bereits 1933, Zika 1947 und Chikungunya 1952 beschrieben worden und doch würden Ausbrüche mit eben diesen Viren bis heute nicht verhindert. Gleiches gilt für die umfangreichen Erkenntnisse zu SARS und MERS. Sie haben die aktuelle Pandemie mit SARS-CoV-2 nicht verhindert. Obwohl im Rahmen des Projekts PREDICT mit vermeintlicher Sicherheit mehrere hundert potentielle Zoonosen entdeckt worden seien, bliebe deren wahres zoonotisches Potential kaum zu bestimmen, erklärte Carlson. Tatsächlich habe das gesamte Projekt nur eine einzige überzeugende Entdeckung einer Zoonose erbracht, nämlich die des Bas-Congo-Virus.

Wer selbstverbreitende Impfstoffe freisetzen will, sollte eigentlich genau wissen, was er oder sie tut. Genau das ist jedoch zweifelhaft. Wenn die Forschung in noch unbekannte Regionen des Virenuniversums vorstößt, kommen zu der langen Reihe an Unabsehbarkeiten noch eine Menge Folgefragen hinzu wie, ob eine Zoonose harmlos bleibt und ignoriert werden kann oder ob sie sich hochgefährlich entwickelt. Breitet sich das Virus über Körperkontakt, Austausch von Flüssigkeiten, Kontakt mit Oberflächen oder über die Atemluft aus? Wie lange dauert die Inkubationszeit? Wird es zu einer asymptomatischen Übertragung wie bei SARS-CoV-2 kommen?


Ein einzelnes sogenanntes Coronavirus - Foto: National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIH), gemeinfrei, via Flickr

Versuch eines Einblicks in die Welt der Viren
Elektronenmikroskopische Darstellung des Novel Coronavirus SARS-CoV-2. Ohne die Kontraste betonende Einfärbung wäre noch weniger zu erkennen.
Foto: National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIH), gemeinfrei, via Flickr

Gegen welche Viren soll mit einem selbstverbreitenden Vakzin geimpft werden? Wie hat man sich das konkret vorzustellen, sollen beispielsweise Fledermäuse Impfungen gegen mehrere, vielleicht sogar Dutzende potentiell zoonotische Coronaviren erhalten? Abgesehen davon, dass die Entwicklung auch von Tier-Impfstoffen aufwendig und teuer ist und mehrere Jahre beansprucht, stellt sich die Frage, ob die Tiere eine multiple Impfung schadlos überstehen würden. Welche Folgen hätte das für das Ökosystem, wenn eine Tierart beispielsweise geschwächt oder in ihrer Vermehrungsrate beeinträchtigt würde? Würden dadurch ökosystemische Kaskadeneffekte ausgelöst, mit verheerenden Konsequenzen auch für andere Arten?

Viren bilden gewissermaßen ein eigenes Ökosystem in der Mikro- bzw. Nanowelt. Sie kommunizieren und interagieren ständig miteinander. Vom "geheimen sozialen Leben der Viren" schreibt das Wissenschaftsjournal "Nature" (20. Juni 2019). In dem Artikel werden beispielhaft die Beobachtungen von Rotem Sorek vom Weizmann Institute of Science in Rehovot, Israel, wiedergegeben. Sorek hatte Bakterien mit Viren infiziert, weil er herausfinden wollte, ob die Bakterien interagieren oder ob sie jedes für sich die Infektion mit diesen sogenannten Bakteriophagen bekämpfen. Entdeckt hat er etwas anderes. Es waren die Viren, die miteinander kommunizierten! Der Forscher berichtete: "Die Bakterien schwiegen, und die Viren plapperten vor sich hin, indem sie sich in einer molekularen Sprache, die nur sie verstehen konnten, gegenseitig Nachrichten übermittelten. Sie entschieden gemeinsam, wann sie sich in der Wirtszelle verstecken und wann sie sich vermehren und ausbrechen, um neue Opfer zu suchen."

Diese überraschende Beobachtung, die Sorek erstmals 2017 veröffentlicht hat, ist ein weiteres Beispiel für Vorgänge in einer Welt, in die der Mensch bislang nur sehr geringen Einblick hat. Obgleich es schon seit den Anfängen der Virenforschung in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts als bekannt galt, dass Viren, die dieselbe Zelle infizieren, untereinander Erbgut austauschen und etwas Neues hervorbringen. Heute glaubt man zu wissen, dass es bei so einer Koinfektion geschehen kann, dass es zu einer Vereinigung kommt und Virionen (so werden Viren außerhalb einer Zelle genannt) produziert werden, die das Genom des einen und die Strukturproteine des anderen tragen und andere Eigenschaften entwickeln. Bei einer Superinfektion wiederum kann eine Zelle gegenüber dem Befall durch ein anderes Virus ausgeschlossen werden.

In der Fachliteratur ist sogar eine Form der Kooperation ähnlich der Erstürmung einer Festung im Mittelalter beschrieben: Eine Zelle wird von einer Welle an Viren angegriffen, die dabei vernichtet werden, aber dadurch die Abwehr schwächen. Nach weiteren Virenwellen bricht die Abwehr schließlich zusammen, so dass die nächsten Viren durch die Bresche eindringen können. In dem relativ jungen Forschungszweig Soziovirologie werden weitere Varianten des "Sozialverhaltens" dieser nicht-lebenden, viralen Existenzformen beschrieben. Würde ein selbstverbreitender Impfstoff in dieses komplexe Zusammenspiel eingreifen, hätte das Folgen, die nicht unbedingt positiv sein müssen, um es vorsichtig zu formulieren.

Sicherlich, drastische Eingriffe seitens des Menschen werden auch bei jeder Desinfektion oder Therapie von Virusinfektionen vorgenommen. Aber erstens kann auch das, wenn es nicht gründlich und sorgfältig gemacht wurde, zu Problemen führen, und zweitens kommt bei dem hier vorgestellten Impfkonzept mit der Eigenschaft der Selbstausbreitung ein entscheidender Faktor hinzu. Die Folgen blieben möglicherweise nicht auf die Welt der Viren beschränkt. Jedenfalls schildern die spanischen Forscher Ernesto Segredo-Otero und Rafael Sanjuán im Fachjournal "BioDesign Research" (3. Oktober 2022), dass es "viele Beispiele für umweltbedingte und immunologische Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Viren" gibt. Und weiter: "Einige der wichtigsten sind die Veränderung der Anfälligkeit des Wirts, die Modifizierung oder Unterdrückung der Interferon(IFN)-Reaktion und die Veränderung der Aktivierung von Immunzellen."

Ähnliches wurde von Pablo R. Murcia vom Virenforschungszentrum der University of Glasgow und weiteren Autorinnen und Autoren kürzlich in "Nature Microbiology" (4. Oktober 2022) am Beispiel von Forschungen zu Atemwegsviren berichtet: "Obwohl es immer mehr Belege dafür gibt, dass Interaktionen zwischen Viren eine wichtige Rolle bei der Virusdynamik und -übertragung spielen, basiert das meiste, was über die Biologie und Pathogenese von Viren bekannt ist, auf einem überschaubaren, bloß reduktionistischen Forschungsansatz, bei dem jedes Virus isoliert untersucht wird. Jüngste Arbeiten haben gezeigt, dass Wechselwirkungen zwischen Atemwegsviren auftreten und messbare Auswirkungen auf verschiedenen Ebenen haben, von Populationen über Individuen bis hin zu Geweben. Studien zur Charakterisierung direkter Virus-Virus-Interaktionen innerhalb von Zellen sind jedoch rar gesät."

Manche Menschen reagieren heftig auf einen Impfstoff. Das zeigt auch die gegenwärtige Sars-CoV-2-Pandemie. Aus diesem Grund werden sowohl individuelle als auch gesellschaftliche Risiken abgewogen, was ein höchst umstrittenes Feld ist. Aber wie verhält es sich bei Tieren? Würden nicht auch dort Unverträglichkeiten auftreten und einzelne Tiere durch selbstausbreitende Impfstoffe geschädigt werden und sterben? Das würde von der Tierverbrauchsforschung vermutlich nicht als ein nennenswertes Problem angesehen. Für die ökologische Sicht gilt jedoch nicht das Gleiche. Hier müssten jeder Eingriff in die Tierwelt und seine Folgen umfänglich bewertet werden. Im Extremfall würden Wildtierarten, die vom Aussterben bedroht sind, bereits durch den Verlust eines oder weniger Exemplare gefährdet.

Da eine selbstverbreitende Impfung wahrscheinlich nicht alle Tiere innerhalb eines Lebensraums erreicht, wäre die Gefahr von Zoonosen nicht gebannt, sondern sie würde allenfalls statistisch verkleinert. Eine Pandemie wie aktuell mit SARS-CoV-2 könnte noch immer auftreten, zumal wenn der zoonotische Druck in den nächsten Jahrzehnten weiter zunimmt, da die Lebensräume der Wildtiere mehr und mehr reduziert werden.

"Unser Verständnis der Dynamik von Infektionskrankheiten bei Wildtieren ist größtenteils noch zu einfach, um das Ergebnis eines solchen Eingriffs sinnvoll vorhersagen zu können", sagt Andrew Peters, assoziierter Professor für Wildtiergesundheit und -pathologie an der Charles Sturt University in Australien in einem Bericht von "National Geographic" (18. März 2022). Mit Blick auf die Forschung an selbstverbreitenden Impfstoffen warnt der Präsident der Wildlife Disease Association vor einer dramatischen Verschiebung des Gleichgewichts und dem Risiko, dass andere Krankheitserreger auftreten, die Wildtiere, Haustiere und auch die Menschen beeinträchtigen. Australien ist bekannt dafür, dass dort Maßnahmen zur Eindämmung unerwünschter biologischer Entwicklungen nach hinten losgegangen sind.


Vier in Laborhandschuhen gekleidete Hände halten oder untersuchen eine auf dem Rücken liegende Fledermaus, eine Hand hält ein Wattestäbchen an das Maul des Tiers - Foto: University of Illinois/Steve Taylor, CC BY 2.0 [https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/], via Flickr

Unterschiedliche Motive der Fledermausforschung
Hier: Untersuchung des Nordamerikanischen Mausohrs (Myotis septentrionalis), das mit der "Weißnasen-Syndrom" auslösenden Pilzerkrankung befallen ist.
Foto: University of Illinois/Steve Taylor, CC BY 2.0 [https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/], via Flickr

Folgen einer selbstverbreitenden Impfung bleiben unkalkulierbar

Der Ökologe Kevin Olival von der Non-profit-Organisation EcoHealth Alliance in New York City, die sich mit Bioüberwachung und Naturschutz befasst, hat eine 2017 veröffentlichte Studie geleitet, in der herausgefunden werden sollte, von welchen Tieren die meisten Zoonosen ausgehen und welche Faktoren den Übersprung der Viren begünstigen. Als Kriterien galten zum einen die Nähe der biologischen Verwandtschaft, zum anderen Angaben beispielsweise zur Nähe des Lebensraums, der Grad der Urbanisierung einer Region und die Bevölkerungsdichte. Was wohl kaum jemanden überraschen dürfte, bildeten Fledermäuse, Nagetiere und Primaten das größte Pool für potentielle Zoonosen. Lautet die Konsequenz daraus nun, all diese Tierarten in verschiedenen Weltregionen gegen alle denkbaren zoonotischen Viren zu impfen? Wohl kaum.

Nur einmal angenommen, man würde Fledermäuse gegen die ganze Klasse an Coronaviren impfen, aber ein einziges Virus ließe sich nicht beeindrucken, hätte jenes Virus dann den "Supermarkt" zur alleinigen Verfügung, um sich hemmungslos replizieren zu lassen, wie es in der Natur ohne den Eingriff des Menschen niemals vorgekommen wäre?

Ähnliche Abläufe sind aus der Landwirtschaft bekannt. Dort werden zur Beseitigung unerwünschter Beikräuter, die mit den Nutzpflanzen um Licht, Wasser und Nährstoffe konkurrieren und zu signifikanten Ernteminderungen beitragen, Totalherbizide eingesetzt. Alles Grünzeug wird vernichtet. Die Erfahrung zeigt, dass einige Beikräuter der Verwendung von solchen Pflanzenvernichtungsmitteln widerstehen, diese Eigenschaft an die nächste Generation weitergeben und sich dadurch Super-Unkräuter entwickeln. Amaranthus palmeri und andere Arten sorgen regional für beachtliche Ernteverluste.

Besteht bei selbstverbreitenden Impfstoffen die Gefahr, dass durch eine Vielfachimpfung von Tieren dementsprechend Super-Viren entstehen, gegen die der Mensch dann keine ausreichenden Abwehrmittel zur Verfügung hat? Super-Unkräuter versucht man unter anderem durch eine Änderung der Formulierung des Herbizids zu bekämpfen. Das gelingt nur bedingt. Super-Viren dagegen besäßen gemäß ihrer Natur eine sehr viel höhere Mutationsgeschwindigkeit als Pflanzen. Es könnte genau das geschehen, was durch die Verwendung von selbstverbreitenden Impfstoffen verhindert werden soll, nämlich dass der Mensch gegenüber Infektionskrankheiten noch weiter ins Hintertreffen gerät als je zuvor.

Angesichts der Wichtigkeit von Impfverfahren für die menschliche Gesundheit in den letzten hundert Jahren halten Lentzos, Reeves und andere die jüngsten Forschungsvorhaben zu selbstverbreitenden Impfstoffen für einen Fehler, da mit der Methode, "erst entwickeln, später erklären", die allgemeinen Bedenken der Öffentlichkeit hinsichtlich der Sicherheit von Impfungen missachtet werden.

Namen werden in dem "Science"-Artikel nicht genannt, aber zu denen, die mit der Forschung schon mal losgelegt haben, gehören die Biologen Scott Nuismer und James Bull von der University of Idaho. Im Journal "Nature Ecology & Evolution" (27. Juli 2020) stellten sie ihre Forschungsansätze zu übertragbaren (beispielsweise durch Fellkontakt) und ansteckenden (Tröpfcheninfektion) Impfstoffen vor, und obschon auch sie kritische Fragen aufwerfen, bleibt der Tenor der Publikation zuversichtlich, dass diese zu beantworten sind. Die Forscher kündigten an: "Wir sind nun in der Lage, selbstverbreitende Impfstoffe gegen eine Vielzahl von Pathogenen zu entwickeln, aber es müssen noch wichtige Entscheidungen darüber getroffen werden, wie diese Impfstoffe am effektivsten konzipiert und eingesetzt werden können, um Krankheitserreger mit einem hohen Risiko des Übergreifens und/oder Auftretens zu bekämpfen."


Dicht gedrängte Fledermäuse hängen von Betondecke, ein Tier fliegt davon - Foto: MissMhisi, CC BY-SA 4.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0], via Wikimedia Commons

In der Wochenstube des Großen Mausohrs (Myotis myotis) lässt sich Körperkontakt und damit eine Impfstoffverbreitung per Schmierinfektion kaum vermeiden.
Foto: MissMhisi, CC BY-SA 4.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0], via Wikimedia Commons

In der populärwissenschaftlichen Fachzeitschrift "New Scientist" (19. August 2020) wiederholten Nuismer und Bull ihren Standpunkt und zauberten ein weiteres Argument aus dem Hut: "Selbstverbreitende Impfstoffe könnten eine revolutionäre Technologie sein, um die Bedrohung durch Infektionskrankheiten, die von Wildtieren auf den Menschen überspringen, zu verringern. Diese Technologie macht nicht nur die Impfung von Wildtieren praktikabel und kosteneffizient, sondern verringert auch den Anreiz, ökologisch wichtige Seuchenreservoir-Arten wie Fledermäuse zu töten oder auszurotten."

Dabei räumt Nuismer selbst ein, dass das Impfen von Wildtieren unabsehbare Folgen haben kann. Aber nicht, weil die eingesetzten Viren mutieren oder auf andere Tiere als die Zielorganismen überspringen könnten, sondern weil der Mensch ins Ökosystem eingreift. Einmal angenommen, es gelänge uns, Nagetiere vom Lassavirus zu befreien, sagte Nuismer gegenüber der Zeitschrift "National Geographic". Wäre das nicht großartig für die Menschheit? Es sei denn, wandte er ein, dass das Lassavirus die Populationsgröße der Nagetiere begrenzt. Dann würden sich die Tiere plötzlich stark vermehren.

Bull und Nuismer forschen an den oben erwähnten wirtsspezifischen Zytomegalieviren und wollen sogenannte rekombinante Impfstoffe entwickeln. Durch natürliche Selektion würde der genetisch eingefügte Impfmechanismus verschwinden und somit eine unkontrollierte Weiterentwicklung verhindert, lautet das Konzept.

An übertragbaren Impfstoffen wurde 2017 in Peru ein Grundlagenexperiment mit Fledermäusen durchgeführt. Daniel Streicker von der University of Glasgow und sein Team hatten deren Fell mit einem Biomarker bestrichen, der, wenn er in die Blutbahn geriet, die Haare der Tiere fluoreszieren ließ. Obgleich der Anteil der eingefangenen und markierten Tiere gering war, haben in zwei von drei beteiligten Kolonien bis zu 84 Prozent der Fledermäuse anschließend geleuchtet. Damit wurde gezeigt, dass die Impfmethode funktioniert, hieß es in einem Bericht des Deutschlandfunks (3. Juli 2020).

Streicker, Nuismer und Bull haben auf die Kritik von Lentzos et al. reagiert und ebenfalls in "Science" (25. Februar 2022) einen Brief veröffentlicht, in dem sie die Vorwürfe zurückweisen und sogar umzukehren versuchen. Ihnen zufolge sorgt nicht die Forschung zu selbstverbreitenden Impfstoffen für Misstrauen in der Öffentlichkeit gegenüber solchen Impfverfahren, sondern umgekehrt der Bericht, in dem von einer Verletzung der Norm die Rede sei. Eine Kritik, die von Lentzos et al. ihrerseits zurückgewiesen wurde (Science, 24. März 2022).

Motive des Militärs bei innovativen Impfmethoden fragwürdig

"Das Kriegsrecht erkennt den Kriegführenden keine unbegrenzte Macht bei der Wahl der Mittel zur Schädigung des Feindes an", insbesondere nicht durch "die Verwendung von Gift und vergifteten Waffen", heißt es in den Artikeln 12 und 13a des am 27. August 1874 in Brüssel verabschiedeten "Project of an International Declaration concerning the Laws and Customs of War". Der von dem russischen Zaren Alexander II. vorgelegte Vertragsentwurf wurde von den 15 europäischen Teilnehmerstaaten jener Konferenz mit nur wenigen Änderungen angenommen. Doch Papier ist geduldig, manchmal weit mehr als ein Jahrhundert lang, ohne dass ein Ende in Sicht wäre. "Vergiftete Waffen", zu denen auch biologische Kampfstoffe zählen, werden nach wie vor erforscht. Und sei es, dass sich jemand gegen sie "verteidigen" will.

Auf der gleichen Grundlage und mit den gleichen Mitteln und Methoden, wie sie bei selbstverbreitenden Impfstoffen zum Einsatz kommen, könnten biologische Waffen erforscht werden. Bereits vor gut zwei Jahren warnten Lentzos und Reeves im "Bulletin of Atomic Scientists" (18. September 2020):

"Außerhalb eines Experiments stünden die Wissenschaftler vor enormen technischen und praktischen Hürden, wenn es darum ginge, die am besten geeigneten Ziele für eine Intervention zu ermitteln und sicherzustellen, dass die Immunität in den Wildtierpopulationen erhalten bleibt. Trotz dieser erheblichen Herausforderungen sind die potenziellen Sicherheitsauswirkungen von sich selbst verbreitenden Impfstoffen noch gravierender." Vergleichbar mit der zivilen und militärischen Nutzung der Kernspaltung sprechen Autorin und Autor von einem "dual use", einer doppelten Nutzung dieser Forschung.

Sie spekulieren, dass zum Beispiel ein Trigger in ein Virus eingebaut wird, der das Immunsystem von Tieren oder Menschen kollabieren lässt oder eine folgenschwere Autoimmunantwort auslöst, bei der das Immunsystem die eigenen Zellen und Gewebe angreift. Möglicherweise hätten die an selbstverbreitenden Impfstoffen Forschenden gar nicht die Absicht, Biowaffen zu entwickeln. Aber ihre Ergebnisse könnten von anderen zu eben diesem Zweck verwendet und weiterentwickelt werden.

Nicht überall, wo zivile Forschung draufsteht, muss zivile Forschung drin sein. Biosicherheit ist ein zweischneidiges Schwert. Jeder Staat, der an Abwehrmaßnahmen gegen Biowaffen forscht, muss zwangsläufig wissen, gegen was er sich zu schützen hat, und das bedeutet, er muss über biowaffenfähiges Material verfügen. Eine rein defensive Biowaffenforschung gibt es daher nicht. Es liegt sogar in der Verteidigungslogik, dass ein Staat möglichst die Spitze der Biowaffenentwicklung einnimmt und seine Erkenntnisse zu potentiellen biologischen Angriffswaffen weiter und weiter ausbaut, um bei der Verteidigung nicht ins Hintertreffen zu geraten.

"Wir müssen sie finden, bevor sie uns finden" - lautet Medienberichten zufolge der Lieblingsspruch des Virologen Dennis Carroll. Der Gründer des Global Virome Projects und Leiter des Programms PREDICT bezieht sich dabei nicht auf Biowaffen, sondern auf die Biologie. Es geht Carroll also nicht um die Abwehr von biologischen Angriffswaffen, die von menschlichen Widersachern eingesetzt werden könnten, sondern um den Kampf zwischen Mensch und Virus. Dennoch verdeutlicht der Spruch, wie sehr sich zivile und militärische Forschungen ähneln. In Abwandlung von Carrolls Spruch könnte man das Interesse von Militärs an Biowaffen so formulieren: Wir müssen sie zuerst entwickeln, bevor andere es tun.


Versammlungsraum mit ausladendem Wandgemälde des katalanischen Malers José María Sert. Das Bild ist ein Geschenk der spanischen Regierung von 1936. Dargestellt wird der menschliche Fortschritt durch Gesundheit, Technologie, Freiheit und Frieden. 1936 wurde allerdings auch das Ende der spanischen Republik eingeläutet. Drei Jahre Bürgerkrieg folgten. Der nationalistische Putschistengeneral Francisco Franco hatte nicht zuletzt dank Unterstützung durch das Deutsche Reich und Italien gesiegt. Die Botschaft des Wandgemäldes wurde mit Füßen getreten. - Foto: Mission Photo/Eric Bridiers, CC BY-ND 2.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-nd/2.0/], via Flickr

Treffen zum 40. Jahrestag der Biowaffenkonvention in der Council Chamber der Vereinten Nationen in Genf. Obwohl Biowaffen verboten sind, wird seit Jahrzehnten darüber verhandelt, wie die Einhaltung der Konvention überhaupt kontrolliert werden kann.
Foto: U.S. Mission Photo/Eric Bridiers, CC BY-ND 2.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-nd/2.0/], via Flickr

Die Biowaffenkonvention, das erste und älteste internationale Abkommen zum Verbot einer ganzen Waffenklasse, ist bedroht durch das, "was man als mangelnden politischen Willen bezeichnen kann", warnte bereits vor fünf Jahren der politische Analyst Thom Dixon vom Australian Institute of International Affairs in New South Wales (20. November 2017). Biowaffenprogramme seien von ihrer Natur her dual-use-fähig. Forschungen zu biologischen Pflanzenschutzmitteln könnten als wirksame Deckung für Waffenprogramme dienen. Dixon betont, dass die Biowaffenkonvention unverzichtbar ist angesichts technologischen Entwicklungen wie Gain-of-function-Experimenten, potenziellen Pandemieerregern, Genom-Editing-Technologien, Gene Drives und synthetischer Biologie.

Drei Jahre darauf schreiben Lentzos und Reeves im "Bulletin", dass die Forschungen zu selbstverbreitenden Impfstoffen ein kleines, aber wachsendes Feld sind. Gegenwärtig seien rund zehn Institutionen intensiver mit dem Thema befasst. Die meisten der Labore befinden sich in den USA, einige aber auch in Europa und Australien. Die US-Regierung finanziert Forschungen über die National Science Foundation, die National Institutes of Health und das Department of Health and Human Services sowie über die oben erwähnte DARPA, die innovative militärische Forschung und Entwicklung betreibt.

Von der DARPA werden wiederum Einrichtungen wie die University of California in Davis eingespannt. Diese soll in dem Projekt "Prediction of Spillover Potential and Interventional En Masse Animal Vaccination to Prevent Emerging Pathogen Threats in Current and Future Zones of US Military Operation" den weltweit ersten Prototyp eines selbstverbreitenden Vakzins entwickeln, um in Wildtierpopulationen eine Herdenimmunität gegen Lassa und Ebola auszulösen. Dadurch soll der Übersprung von Infektionskrankheiten auf Militärangehörige in deren Einsatzgebieten verhindert werden, heißt es.

Da fragt man sich, wie das vonstatten gehen soll: Soll das US-Militär, noch bevor es in einem potentiell Ebola-gefährdeten afrikanischen Land interveniert, vorweg ein Impfteam entsenden, damit es zunächst sämtliche Primaten im potentiellen Einsatzgebiet durch einen selbstverbreitenden Impfstoff von Ebola befreit? Oder würde man beim dauerhaften Betrieb eines Militärstützpunkts in einem Ebola-Seuchengebiet das nähere Umfeld von Zoonosen übertragenen Viren zu befreien versuchen, aber die Schutzbemühungen nicht auf die örtliche Bevölkerung außerhalb des Impfgebiets ausdehnen?

Die DARPA betreibt schon seit längerem potentiell biowaffenfähige Forschungen. Ende 2016 hat sie das auf vier Jahre angelegte Forschungsprogramm "Insect Allies" öffentlich ausgeschrieben. Darin sollen Insekten (z. B. Grashüpfer, Blattläuse, Weiße Fliegen) als Verbündete eingesetzt werden, um Pflanzenviren zu verbreiten. Diese sollten genetisch so verändert werden, dass sie nach der Infektion der Pflanzen mit Hilfe der Genomeditierung, das heißt durch den Einsatz sogenannter Gen-Scheren, das Erbgut von Nutzpflanzen verändern, damit diese besser beispielsweise gegenüber Dürren, Überschwemmungen oder Pestiziden gewappnet sind.

Zunächst war das Projekt von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt geblieben, doch dann erschien ein Artikel im Wissenschaftsmagazin "Science" (5. Oktober 2018), in dem Forscherinnen und Forscher des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie sowie der Universitäten Freiburg und Montpellier eindringlich vor solchen Experimenten warnten. Das System könne auf einfache Weise verändert werden, so dass es zu einer biologischen Waffe wird. Anstatt Nutzpflanzen resistenter gegenüber Umwelteinflüssen zu machen, könnten sie umgekehrt auch anfälliger gemacht werden.

Die am 26. März 1975 in Kraft getretene Biowaffenkonvention gestattet zwar militärische Forschungen zum Schutz vor und zur Verteidigung gegen Biowaffen, doch nicht erst seit dem 24. Februar 2022 mit Beginn der jüngsten Phase des Russland-Ukraine-Konflikts besteht ein tiefes Misstrauen zwischen den konkurrierenden und sich im Zweifelsfall militärisch bekriegenden Nationen. Es spricht Bände, dass es seit Bestehen der von 183 Nationalstaaten (Stand: Mai 2022) unterzeichneten Biowaffenkonvention nicht gelungen ist, sich auf ein Verifikationsregime zur Überwachung der Einhaltung des Vertrags zu einigen. Das Misstrauen zwischen den Staaten ist groß, und "Vertrauensbildende Maßnahmen", wie sie von den Beitrittsländern der Konvention vereinbart wurden, bleiben Fassade. Hinter der können alle möglichen Dinge geschehen. Oder auch nur gemutmaßt werden, denn das dürfte genügen, dass ein Staat eigene Biowaffenforschungen betreibt.

Selbst aus der Beschreibung, die das Auswärtige Amt zu den "Vertrauensbildenden Maßnahmen" (VBM) des Biowaffenübereinkommens, veröffentlicht, geht hervor, dass das Interesse daran international auf wenig Begeisterung stößt:

"Dieser Informationsaustausch beinhaltet Meldungen über relevante biologische Aktivitäten, zivile Forschungs- und Produktionseinrichtungen sowie nationale Biowaffen-Schutzprogramme. Format und Inhalt dieser VBMs wurden während Expertentreffen oder Überprüfungskonferenzen in den Jahren 1987, 1991, 2006 und zuletzt 2011 wiederholt überarbeitet und ausgeweitet. Obwohl die Anzahl der eingereichten VBMs in der Tendenz kontinuierlich zugenommen hat, beteiligten sich im Jahr 2018 lediglich 42 Prozent der Mitglieder." (17. Oktober 2022)

Die Gefahr wächst, dass mit dem Voranschreiten mikrobiologischer Forschungen auch tödliche Massenvernichtungsmittel hergestellt werden und deren Einsatz - ähnlich wie aktuell bei Kernwaffen - scheinbar wie aus dem Nichts denkbar wird. Die Hürde für die Verwendung von biologischen Waffen unter Bruch mit der fast ein halbes Jahrhundert alten Konvention sinkt, je fortschrittlicher die mikrobiologischen Anwendungsmöglichkeiten werden.


Eine mit einem Latexhandschuh geschützte Hand hält eine verschließbare Ampulle - Foto: Ajay Kumar Chaurasiya, CC BY-SA 4.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0], via Wikimedia Commons

Keine Waffengattung ist potentiell gefährlicher als die der Biowaffen: Mit dem Inhalt eines einzigen viralen Transportmediums wie diesem könnten Millionen, wenn nicht Milliarden Menschen getötet werden. (Symbolfoto)
Foto: Ajay Kumar Chaurasiya, CC BY-SA 4.0 [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0], via Wikimedia Commons

Eines der Merkmale für ein waffenfähiges Virus wäre, dass es eine begrenzte Lebensdauer hat und sich dann nicht weiter verbreitet. Dadurch würde es für die eigenen Truppen ungefährlich, das biologisch kontaminierte Gefechtsfeld zu betreten. Bei Biowaffen ist daher nicht so sehr die Herstellung von Krankheitserregern das Problem, sondern die Zielgerichtetheit und Eindämmung. Wie hier ausführlich dargelegt, sollen selbstverbreitende Impfstoffe exakt mit diesen Eigenschaften ausgestattet werden. Damit wird sogar begründet, dass die Freisetzung kontrollierbar bleibt und das Entstehen gefährlicher Mutationen oder der Sprung auf andere Arten verhindert werden kann.

Eine weitere Eigenschaft, die Biowaffen zugeschrieben wird, lautet, dass sie sich möglichst schnell unter den feindlichen Kräften ausbreiten sollen. Auch das ist ein typisches Merkmal, wie es in den Forschungskonzepten zu selbstverbreitenden Impfstoffen formuliert wird. Fraglos handelt es sich hierbei um Dual-use-Biotechnologien.

Biolabore - Unsicherheitsstufen 1 - 4

Hätte man Ron Jackson von der australischen Forschungsorganisation CSIRO und Ian Ramshaw von der Australian National University in Canberra gefragt, bevor sie ihre Impfstoffversuche mit Mäusepockenviren begannen, ob ihre Experimente sicher sind, hätten sie vermutlich beteuert, dass dabei nichts schiefgehen kann. Schließlich zähle es als Standardmethode, Mäusepockenviren in Labormäuse zu injizieren, um Proteine in ein Tier einzuschleusen und die Entwicklung von Antikörpern auszulösen. Die Forscher hatten ein Gen eines natürlichen Botenstoffs des Immunsystems namens Interleukin-4 in das Virus eingefügt, damit es die Antikörperproduktion ankurbelt.

So weit die Theorie. Erwartet haben die Forscher, dass die Labormäuse allenfalls leicht erkranken. Doch innerhalb von neun Tagen waren alle behandelten Tiere tot. Das Interleukin-4 hatte einen wichtigen Teil des Immunsystems ausgeschaltet. Dem noch nicht genug, erwies sich das genmanipulierte Virus unnatürlich resistent gegenüber normalen Impfstoffen. Dadurch hatten die Forscher unabsichtlich die Vorlage für die Entwicklung biologischer Waffen geliefert, denn, um mit Ron Jackson zu sprechen: "Es ist anzunehmen, dass irgendein Idiot, der menschliches Il-4 in die menschlichen Pocken einbringt, die Letalität drastisch erhöhen würde." (The Guardian, 11. Januar 2001) Der Irrtum der Forscher zeigt, dass auch als harmlos angesehene Impfstoffexperimente aus dem Ruder laufen können.

Wo auch immer in der Welt an Biowaffen oder deren Abwehr gearbeitet wird, es werden auch dort Unfälle geschehen. Da aber die Erforschung und Herstellung von biologischen Waffen durch die Biowaffenkonvention verboten ist, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass gegebenenfalls auch ein Unfall vor der Öffentlichkeit geheimgehalten würde.

Auch wenn Nuismer, Bull, Streicker und weitere hier nicht erwähnte Forscherinnen und Forscher, die sich mit Konzepten von selbstverbreitenden Impfstoffen befassen, sämtliche aus ihrer Sicht ausreichenden Sicherheitsmaßnahmen ergreifen, hat die Praxis gezeigt, dass das manchmal nicht genügt. In der Mikrobiologie wird mit Erregern geforscht, die schwerste Schäden erzeugen, im schlimmsten Fall sogar ganze Spezies dezimieren können, einschließlich der menschlichen. Vielleicht werden die oben erwähnten Forscher keine Fehler begehen oder wenn doch, würden diese keine nennenswerten Folgen zeitigen. Aber wird das für alle zukünftigen Forschungen zu selbstausbreitenden Impfstoffen gelten, für die heute der Weg geebnet wird?

Gegenüber dem Risiko einer versehentlichen (oder absichtlichen) Freisetzung hochgefährlicher Viren mit pandemischem Potential, beispielsweise im Rahmen der umstrittenen Gain-of-function-Forschung, aus zivilen und militärischen Forschungseinrichtungen erscheinen die Risiken, die durch selbstverbreitende Impfstoffe entstehen könnten, geringer zu sein. Aber ganz gewiss sind sie vorhanden. Ein einziger Fehler in irgendeinem Labor oder eine Wissenslücke der Forschung kann eine Pandemie auslösen, wie sie zur Zeit mit SARS-CoV-2 abläuft. Selbstverständlich gilt das gleiche auch für eine einzige natürliche Übertragung eines Virus von Tier auf Mensch. Dennoch, selbstverbreitende Impfstoffe werden nicht Teil der Lösung von Infektionskrankheiten sein, sondern des Problems.

In der heutigen Zeit, in der Forschungseinrichtungen um Drittmittel konkurrieren und viele Forschungsvorhaben vertraglich befristet sind, so dass sich die Beteiligten von einem Projekt zum nächsten hangeln müssen und das auch noch im Laufe ihrer gesamten Karriere, kann man es niemandem verdenken, wenn er oder sie an einer Forschung festhält, solange sie finanziert wird. Aber mit selbstverbreitenden Impfstoffen zu arbeiten, sollte mangels Plausibilität und angesichts der unabsehbaren ökologischen Konsequenzen von vornherein unterbunden werden. Mit dieser Impfmethode kommt der Mensch nicht aus der Reaktion. Als ganz und gar fragwürdig muss das vorgeblich defensiv ausgerichtete militärische Interesse an derartigen Forschungsprojekten gelten.


Angeschrägte Betonfassade eines bunkerartigen Gebäudes, aus der zahlreiche Röhren quer herausragen - Foto: © 2012 by Schattenblick

Selbst bunkerähnliche Forschungseinrichtungen bieten keinen hundertprozentigen Schutz gegenüber der Freisetzung von Pathogenen.
Tierversuchslabor "Mäusebunker", Forschungseinrichtung für experimentelle Medizin der Charité, Berlin. (Symbolfoto)
Foto: © 2012 by Schattenblick

11. November 2022

veröffentlicht in der Schattenblick-Druckausgabe Nr. 178 vom 24. Dezember 2022


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