Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → MEINUNGEN

STANDPUNKT/412: Inakzeptabel - Breitbandgifte im Wald (NABU BB)


NABU Landesverband Brandenburg - Pressedienst Naturschutz aktuell, 23. Mai 2013

Pflanzenschutzmittel im Wald, wo bleibt der Artenschutz?

Jetzt auch Einsatz von Breitbandgiften



Potsdam. Neben einer Allgemeinverfügung zur Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners mit dem Bakterienpräparat Dipel ES hat der Landesbetrieb Forst Brandenburg eine Allgemeinverfügung erlassen worden, die sich auf die Bekämpfung von sogenannten Eichenfrühjahrsfraßgemeinschaften mittels der Insektenvernichtungsmittel Karate und Dimilin stützt. Diese Vernichtungsmittel sollen mittels Hubschrauberausbringung großflächig in den Forsten zum Einsatz kommen.

In den letzten Wochen und Monaten hat sich der NABU Brandenburg im Rahmen der Diskussion um die Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners mit einer Position gegen den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Wald stark gemacht. Im Windschatten der Diskussion um den Eichenprozessionsspinner hat der Landesbetrieb Forst Brandenburg am 14. Mai 2013 eine Allgemeinverfügung erlassen, die den großflächigen Einsatz von Dimilin und Karate in ganz Brandenburg, auch per Luftfahrzeug, gegen Nonne, Kiefernspinner und Frühjahrsfraßgemeinschaften an der Eiche erlaubt. Der NABU lehnt dieses Vorgehen und den Einsatz der genannten Mittel in zahlreichen Waldgebieten vehement ab. Nicht zu akzeptieren ist auch die Tatsache, dass zu dieser Thematik durch das Vorgehen des Landesbetriebes keinerlei Beteiligung der Naturschutzverbände und der BürgerInnen stattgefunden hat und keine dringend notwendige öffentliche Diskussion erfolgt ist. Mit Blick auf die ökotoxikologische Wirkungsweise der eingesetzten Insektenvernichtungsmittel stellt Privatdozent Dr. Werner Kratz, stellvertretender Landesvorsitzender des NABU Brandenburg, fest: "Für die biologische Vielfalt und die derzeitig weltweit durchgeführten Tage der Biodiversität ist das ein Desaster."

Besonders gravierend ist der Einsatz von Dimilin und Karate für die Biodiversität. Gerade die Eiche ist die Baumart mit dem höchsten natürlichen Insektenreichtum aller Waldbäume. Auf keiner anderen heimischen Baum-oder Pflanzenart leben mehr Insektenarten als auf der Eiche. Aus den bekannten Insektengruppen leben allein etwa 400 Schmetterlingsarten, mehr als 50 Bockkäferarten sowie etwa 10 Borken- und Kernkäferarten direkt bzw. indirekt an und von der Eiche. Dazu kommen noch viele Arten von Zweiflüglern und Hautflüglern.

Bei Dimilin handelt es sich um einen hochwirksamen Häutungshemmer, ein Fraßgift, der den Chitinstoffwechsel von Insekten enzymatisch beeinflusst. Dadurch wird die Häutung verhindert, es kommt zum Absterben der Raupen und der Puppen. Das Gift kann schon im Eistadium tödlich wirken. Dimilin ist ein Breitbandmittel, d.h. es wirkt nicht nur selektiv auf z.B. den Schwammspinner oder Eichenprozessionsspinner, sondern auf viele Insektenarten, z. B. auch auf natürliche Gegenspieler (Parasiten) des Eichenprozessionsspinner aus der Gruppe der Schlupfwespen die sich im Larvenstadium in dem Eichenprozessionsspinner befinden.

Bei Untersuchungen wurden auch Auswirkungen auf den Bruterfolg von Singvögeln festgestellt (fast vollständiger Ausfall der Zweitbruten von Kohlmeisen, da diese nicht mehr ausreichend Raupen für die Aufzucht einer zweiten Brut vorfinden). Außerdem belegen Untersuchungen von Vogelbruten in Nistkästen, dass in begifteten Waldgebieten die Zweitbruten vollständig ausgefallen und durch Nahrungsmangel verhungert sind.

Auch bei dem Fraß- und Kontaktgift Karate ist größte Vorsicht geboten. Eine dänische Forschergruppe hat erst kürzlich nach einer einmaligen Aussprühung in ein Gewässer negative Auswirkungen bei Fischnährtieren, Mikroalgen und mikrobiellen Zersetzungsprozessen gefunden. Aufgrund dieser Gefährlichkeit ist vom Gesetzgeber vorgeschrieben 40 m Abstand zu Gewässern zu halten. An dieser Stelle stellt sich die Frage, wie dies bei einem großflächigen Einsatz über Forstgebieten wohl realisiert werden soll. Bei dem jetzigen Vorgehen bleibt zu befürchten, dass Gewässer erheblich beeinträchtig werden.

*

Quelle:
Pressedienst, 23.05.2013
Herausgeber:
Naturschutzbund Deutschland e.V.
NABU Brandenburg
Lindenstraße 34, 14467 Potsdam
Tel: 0331/20 155 70, Fax: 0331/20 155 77
E-Mail: info@NABU-Brandenburg.de
Internet: www.brandenburg.nabu.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Mai 2013