EUROSOLAR e.V. - 3. Juli 2017
G20-Treffen in Hamburg
EUROSOLAR fordert 100 Prozent Erneuerbare statt Politik des "Global reden, national aufschieben"
Diese Woche treffen sich die Staats- und Regierungschefs der 20 wirtschaftsstärksten Industrie- und Schwellenländer in Hamburg. Deutschland hat als Gastgeber die Themen Energie und Klima auf die Tagesordnung gesetzt. Doch im Jahr 2017 braucht es längst mehr als gute Vorsätze und pathetische Reden auf völkerrechtlich unerheblichen Sommertreffen. EUROSOLAR fordert von den Teilnehmern einen schnellen Umbau der Energiewirtschaft zu 100 Prozent Erneuerbare Energien bis 2030. Dieser Ausbau ist dringender nötig denn je. Dass er auch möglich ist, zeigt der Fortschritt selbst bei politisch gebremstem Wachstum: Der Anteil Erneuerbarer an der Stromproduktion wuchs in den G20-Staaten von 2011 bis 2016 um insgesamt 70 Prozent. Deutschland konnte seinen Anteil um 360 Prozent vermehren - ein Fortschritt, den die konservative Regierung ausbremsen will.
Bonn, 3. Juli 2017 - Die Staaten, die sich am 7. und 8. Juli in
Hamburg zum Gipfeltreffen versammeln, machen 85 Prozent der weltweiten
Wirtschaftsleistung aus. Sie regieren über 62 Prozent der
Weltbevölkerung, also fast 4,7 Milliarden Menschen. Gleichzeitig sind
sie für 80 Prozent der Schadstoffemission und damit maßgeblich für
Umweltverschmutzung, Ressourcenverbrauch und den Klimawandel
verantwortlich. Deshalb appelliert EUROSOLAR an ebenjene Staaten und
insbesondere an die Bundesregierung als Gastgeber, ihrer Verantwortung
endlich gerecht zu werden - und zwar dort, wo sie jeweils als
Regierungen legitimiert sind. Statt für den Gipfel horrende Kosten im
dreistelligen Millionenbereich zu verursachen, 15.000 Einsatzkräfte
der Polizei zu Lasten der Bevölkerung abzustellen und eine 38
Quadratkilometer große Versammlungsverbotszone einzurichten, sollten
die Regierungschefs daheim ihre Hausaufgaben in Sachen Erneuerbare
Energien machen. Sie sollten Widerstände in ihren eigenen Staaten
beseitigen wie regressive Deckelungen, fossile und nukleare
Subventionen oder die systemische Korruption, die sich durch den
konventionellen Energiesektor zieht.
"Die Regierungen der G20 müssen ihrer Verantwortung endlich gerecht werden und echte globale Führungskraft zeigen, indem sie alle nationalen und internationalen Hindernisse für den zügigen und umfassenden lokalen Ausbau der Erneuerbaren Energien aus dem Weg räumen. Dadurch stützen sie nicht nur Frieden, harmonische Entwicklung und demokratische Gerechtigkeit, sondern ermöglichen das schnelle Erreichen der UN Sustainable Development Goals überhaupt erst. Es ist höchste Zeit, die Aberbillionen an verschwendeten Rüstungskosten und konventionellen Energiesubventionen auf friedliche, zukunftssichernde Zwecke zu verwenden - und die globale und lokale Energiewende im überfälligen Kampf gegen die gemeinsame existenzielle Bedrohung des Klimachaos zügig umzusetzen", erklärt EUROSOLAR-Präsident Prof. Peter Droege.
Wie geschickt solche Spitzentreffen für das Regierungsmarketing sein können, führt uns ein Blick zurück auf den G7-Gipfels 2015 in Elmau vor Augen: Mit dem Versprechen, die Weltwirtschaft bis zum Jahr 2100 zu "dekarbonisieren" - einem absurd späten Ziel, das der Abbremsung des bereits bestehenden Fortschritts gleichkommt - war Angela Merkel unter viel Applaus plötzlich zur "Klimakanzlerin" avanciert. 1000 Meter über dem Meeresspiegel wurden seinerzeit luftige, medienwirksame Lippenbekenntnisse gemacht - als Feigenblatt für die reale Verhinderungspolitik gegen die Energiewende. Dass man zu Paris stehe, widerspricht sich in der Realpolitik offensichtlich nicht mit der weiteren Subventionierung und Verbrennung von Kohle, Gas, Öl und Uran. Dabei wird die Rolle der steigenden CO2-Konzentration in der Atmosphäre offensichtlich landläufig unterschätzt. Und Erneuerbare Energien werden im Pariser Klimaschutzabkommen nur einmal am Rande und in Bezug auf Afrika erwähnt. Ein ernstzunehmender Klimaschutz ist aber ohne eine weltweite dezentrale Nutzung der Erneuerbaren Energien nicht möglich. Die Bundesregierung muss dafür Sorge tragen, dass dieser Gipfel mehr produziert als nur heiße Luft und Versprechungen für eine allzu ferne Zukunft. Daher sind die vielfältigen Forderungen der Zivilgesellschaft dringend notwendig, um Druck aufzubauen.
EUROSOLAR e.V. stellt dabei die Energiefrage in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung. Sie spielt die entscheidende Rolle für die aktuellen und zukünftigen ökonomischen Strukturen und Dynamiken. Doch die internationalen Foren kranken schon allein daran, dass sie Atomenergie trotz der verheerenden Katastrophen der Vergangenheit weiterhin als klimaschonende Energieform anerkennen. Dabei wird auch verkannt, dass diese Technologie gesellschaftlichen Wohlstand geradezu verhindert: durch die realitätsfernen Kostenbetrachtungen, Auslassung der Entsorgungsfrage und nicht zuletzt die zentralisierte Wertschöpfung. EUROSOLAR verlangt von den Staatschefs, die sich zum sogenannten G20-Gipfel zusammenfinden, ein klares Bekenntnis zu einer dezentralen Energieversorgung, die zu 100 Prozent auf Erneuerbaren Energien beruht.
Für eine echte Energiewende ist der sofortige Abbau aller finanziellen und regulatorischen Subventionen für Atomenergie und alle fossilen Energien unumgänglich. Bei der Subventionierung von Öl, Gas, Uran und Kohle kann es keine sinnvolle Unterscheidung in "effiziente" und "ineffiziente" Subventionen geben, wie uns die Gipfeldokumente weismachen wollen. Die Erneuerbaren Energien brauchen in allen Staaten und im Welthandel verlässliche Rahmenbedingungen wie eine Neue Energiemarktrahmenordnung (NEMROD). Die dezentrale Nutzung Erneuerbarer muss dabei ins Zentrum gestellt werden. Auch die Konvergenz der Märkte für Strom, Wärme und Verkehr muss aktiv angeregt werden, um einen effizienten Flexibilitätsmarkt zu schaffen. Die Förderung von Erneuerbaren Energien muss mindestens bis zum Ende der Förderung konventioneller Energieträger als Ausgleich für die jahrzehntelange Diskriminierung der Erneuerbaren Energien gesetzlich möglich sein. Dies ist in allen internationalen Handelsverträgen und im WTO-Vertrag festzuschreiben.
• Wissenschaft fördern bei Erneuerbaren und
Energieeffizienz
Objektive Wissenschaft und Bildung müssen ebenso gefördert werden wie
allgemeine Informationsfreiheit und ein ehrlicher und rationaler
Diskurs über Kosten und Nutzen regenerativer Energien im Vergleich zu
fossil-atomaren Energien. Die enormen technologischen Potentiale in
den Bereichen Erneuerbare Energien, Speicher und Energieeffizienz
müssen durch gezielte Investitionen in Forschung und
Markteinführungsprogramme schnellstmöglich weiterentwickelt werden und
Anwendung finden.
• Rüstungsinvestitionen umwidmen für Erneuerbare
Energien
Eine friedliche Welt ohne Ressourcenkonflikte ist die notwendige Basis
für verantwortungsvolles wirtschaftliches Handel und ausgewogenen
Handelsbeziehungen. Nur eine solare Ökonomie auf der Basis einer
dezentralen Nutzung Erneuerbarer Energien ist nicht darauf angewiesen,
den Zugang zu Rohstoffen mit Waffengewalt und durch die Unterstützung
menschenverachtender Regime abzusichern. Die globalen Militär- und
Rüstungsbudgets müssen daher umgehend umgewidmet werden zu
Investitionen in eine dezentrale und widerstandfähige Erneuerbare
Energiewirtschaft, die auf lokaler Eigenverantwortung und dezentraler
Energieautonomie fußt. Dabei muss auch der Tatsache Rechnung getragen
werden, dass eine dezentrale Energieversorgung auf der Basis der vor
Ort vorhandenen Erneuerbaren Energien wesentlich unempfindlicher gegen
Angriffe von außen und damit ein wesentlicher Bestandteil ziviler
Verteidigung ist.
• Die Ablösung der fossil-atomaren Energieversorgung ist eine
wirtschaftliche Chance
Mittelfristig sind die Erneuerbaren Energien kostengünstiger als alle
anderen Mittel der Energieversorgung. Ohne jahrzehntelange
Subventionen für Kohle- und Atomenergie wären sie es schon heute. Es
bräuchte weder Nothilfe für die Opfer von Ölkriegen im Jemen oder
Sudan noch Partnerschaftsprogramme für Afrika, wenn die G20-Staaten
endlich damit aufhören würden, ganze Kontinente für ihren Profit zu
plündern. Stattdessen müssten sie eine regionale Wertschöpfung auf
Basis Erneuerbarer Energien zulassen. Denn die Abkehr von fossilen und
atomaren Energieträgern wird, flankiert von umfassenden strukturellen
und fiskalischen Reformen, nicht nur den Klimawandel verlangsamen und
Ressourcenkonflikten den Treibstoff entziehen. Sie wird sich vor allem
positiv auf die ökonomische Entwicklung, Beschäftigung und Gesundheit
auswirken und sollte deshalb als das gesehen werden, was sie ist: Eine
historische Wachstumschance für alle Staaten - auch für jene, die an
dem Treffen nicht teilnehmen dürfen.
EUROSOLAR - die Europäische Vereinigung für Erneuerbare Energien
e.V. arbeitet seit 1988 für die schnelle und vollständige Ablösung
atomarer und fossiler Energien durch Erneuerbare Energien. EUROSOLAR
versammelt dazu Fachkompetenz aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft
und Kultur und zielt auf eine breite Mobilisierung gesellschaftlichen
Engagements von der lokalen bis zu internationalen Ebene. Als
gemeinnütziger Verein bietet EUROSOLAR allen Menschen die Möglichkeit,
durch Ihre Mitgliedschaft an einer soziokulturellen Bewegung zur
Realisierung dieser Jahrhundertaufgabe mitzuwirken und
teilzuhaben.
*
Quelle:
Pressemitteilung, 03.07.2017
Herausgeber: EUROSOLAR e.V.
Europäische Vereinigung für Erneuerbare Energien
Kaiser-Friedrich-Straße 11, 53113 Bonn
Tel. 0228/36 23 73 und 36 23 75
Fax 0228/36 12 79 und 36 12 13
E-Mail: info@eurosolar.org
Internet: www.eurosolar.org
veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juli 2017
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