Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → MEINUNGEN


STANDPUNKT/1155: 2019 - Umweltpolitischer Jahresrückblick (BUND RVSO)


BUND Regionalverband Südlicher Oberrhein
An die Medien - 28. November 2019

2019 - Umweltpolitischer Jahresrückblick


Das Jahr 2019 war ein Jahr wie die Jahre zuvor. Reiche und Konzerne wurde reicher (und einflussreicher) und gleichzeitig ist die Zahl der weltweit Hungernden auf 822 Millionen Menschen gestiegen. Es war ein Jahr der stillen, konsequenten Aufrüstung in Deutschland. Die globale und regionale Artenausrottung beschleunigte sich, mehr CO2 wurde ausgestoßen und die sich abzeichnende Klimakatastrophe zeigte sich nicht nur am Zustand des Waldes immer deutlicher. Gleichzeitig verstärkte sich der gut organisierte Widerstand gegen die Energiewende und gegen die erneuerbaren Energien. Die Kids von "Fridays for Future" und das Volksbegehren Artenvielfalt in Baden-Württemberg öffneten kleine Fenster der Erkenntnis - die Reaktionen waren auch verbesserte Konzern-PR und teilweise schon beinahe hysterisch anmutende Formen der Verdrängung und Ablehnung.

Wir beginnen unseren Jahresrückblick erstmals mit einem 5,53 Euro-Witz. Die Klimakatastrophe wurde im Jahr 2019 langsam real. Die globale Temperatur steigt, die Extremwetterereignisse nehmen zu, Gletscher & Pole schmelzen, der Meeresspiegel steigt, die Wälder sterben und der Regenwald brennt. Und was beschließt die Regierung in Sachen Flugverkehr? Die Luftverkehrssteuer für innerdeutsche Flüge sowie Verbindungen innerhalb der EU steigt um sagenhafte 5,53 Euro. Der Berg kreißte und gebar eine Maus. Nicht einmal ein Tempolimit ließ sich politisch durchsetzen. Ähnlich putzig waren die Maßnahmen gegen den Plastik-Müllberg.

Am 26.2.2019 wurde dem mehr als gemeinwohlorientierten Verband Attac die Gemeinnützigkeit entzogen und gleiches geschah auch der Kampagnenorganisation Campact. Die aggressiven Klimawandelleugner von EIKE und die Lobby- "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft", die schrecklich erfolgreich gegen die Energiewende, gegen erneuerbare Energien und gegen die CO2 Steuer kämpfen, sind selbstverständlich weiterhin zumindest formal gemeinnützig. Die Urteile hätten sicher heftige Reaktionen ausgelöst... wenn sie in Hongkong oder Moskau gefällt worden wären.

Am 20. September 1974 besetzten badisch-elsässische Umweltaktive erfolgreich den Bauplatz eines geplanten, extrem umweltbelastenden Bleichemiewerks im elsässischen Marckolsheim. Auf den Tag genau 45 Jahre später demonstrierten weltweit Millionen Menschen (in Freiburg über 30.000!) mit "Fridays for Future" für mehr Klimaschutz. Nein, wir haben die Jugendbewegung Fridays for Future nicht "geschaffen oder organisiert". Die jungen Menschen organisieren sich erfreulich selber. Aber Umweltbewegung und BUND haben sich jahrzehntelang für Luftreinhaltung, Klimaschutz und zukunftsfähige Energien engagiert und massive Konflikte mit Klimawandelleugnern und mächtigen Energiewendegegnern ausgetragen. Unsere Öffentlichkeitsarbeit war der stete Tropfen, der den Stein höhlt. Und irgendwann wurde aus der Quantität der Information, die Qualität der Aktion und wir freuen uns, "Fridays for Future" zu unterstützen. Die Kämpfe für den Klimaschutz sind noch lange nicht ausgestanden und wir brauchen Jung und Alt.

Die chinesische Wirtschaft wuchs 2019 "nur noch" mit 6% und die Anhänger der globalen Wachstumsreligion jammerten. Doch genau hinter solchen Zahlen verbergen sich die globalen Probleme von Klimakatastrophe und Artenausrottung. Ein Bruttosozialprodukt, das "nur" mit 6% wuchert, verdoppelt sich nach 12 Jahren. Und eine Menge, die exponentiell wächst, vertausendfacht sich jeweils nach der zehnfachen Verdoppelungszeit. Der einzelne Flug, der SUV oder die Kreuzfahrt sind nicht das Klima-Problem, sondern der globale Zwang zu wachsen. Es ist ein unrealistischer Wunsch so verschwenderisch wie bisher weiter zu leben und dieses System der Gier weltweit zu übertragen. Dauerhaftes exponentielles Wachstum einer Wirtschaft im begrenzten System Erde ist nicht möglich und führt zwangsläufig zu Klimakatastrophe, Umweltverschmutzung, Artenausrottung und Selbstzerstörung. Hier müssen wir weltweit, aber gerade auch in Deutschland, ansetzen und das gute Leben ohne Wachstumszwang angehen.

Im vergangenen Jahr 2018 hatte der BUND am Oberrhein die Mitglieder aufgefordert, Protestpostkarten an die Landrätin Störr-Ritter im Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald zu senden. Hintergrund der Postkartenaktion war die jahrzehntelange Grundwasservergiftung durch die Abraumhalde in Buggingen. Im Jahr 2019 haben wir den Sanierungs-Druck massiv erhöht. Eine parlamentarische Anfrage der SPD brachte ein unglaubliches Ergebnis. Von der Abraumhalde des ehemaligen Kalibergwerks gehen täglich bis zu 2,5 Tonnen Salz ins Grundwasser! Diese Tatsache übertrifft bei weitem unsere schlimmsten Befürchtungen und wirft ein Schlaglicht auf das Versagen der Behörden im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald. Wir machen weiter Druck, damit nach unglaublichen 11 Jahren Verhandlungen endlich mit der Sanierung begonnen wird.

Wenn im Jahr 2020 (hoffentlich) die beiden Fessenheimer Reaktoren abgestellt werden, dann hat das auch ein wenig mit den Tätigkeiten des BUND am Oberrhein in der grenzüberschreitenden Umweltbewegung zu tun. Hunderttausende von Infoblättern wurden gedruckt, die Zahl der BUND-Plakate, Banner, Anstecker, Mails, Aktionen & Demos ist unermesslich. Die Medien wurden fast drei Jahrzehnte lang mit viel zu vielen Presseerklärungen gequält.

Das Volksbegehren Artenschutz und aktuelle, erschreckende Studien zum Insektensterben haben uns sehr beschäftigt. Gutes Brot, regionaler Wein UND Schmetterlinge, auch für unsere Enkel, ist die Haltung des BUND am Oberrhein zum (ausgesetzten) Volksbegehren. In einer Zeit massiver, globaler und regionaler Artenausrottung hat bei uns die Masse der Insekten teilweise um über 75% abgenommen und die Fernwirkung der Gifte tötet auch die Insekten in den großen Naturschutzgebieten, zum Beispiel am Kaiserstuhl. Getrieben vom (Alb-)Traum der giftdominierten, globalen Agrarfabrik sind, politisch gewollt, seit 1949 in Baden-Württemberg 75% der landwirtschaftlichen Betriebe verschwunden. Die politisch Verantwortlichen für das Bauernsterben stellen sich gerade, erschreckend erfolgreich, als Bauernretter dar. Hinter den "Grünen Kreuzen" steht eigentlich eine bundesweite Kampagne "Schützt die Bauern durch ein Ja zu Gift, Nitrat und zur Massentierhaltung". Die berechtigte Verzweiflung der kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betriebe wird gezielt in die falsche Richtung gelenkt.

Im Mai 2019 sind im Naturschutzgebiet Taubergießen rund 3.000 Hummel- und Spinnenragwurz-Orchideen verschwunden und es tobte ein großer Streit, ob Wildschweine oder Diebe die Ursache waren. Doch dieser Streit lenkt vom Hauptproblem ab.
Der große Orchideen-Bestand im Taubergießen ist ein kleines europäisches Naturwunder. Der Verlust so vieler Orchideen ist eine kleine Katastrophe für die Artenvielfalt. Die große Katastrophe ist die Tatsache, dass es europaweit nur noch so wenige Orchideen gibt. Unsere Naturschutzgebiete sind zwischenzeitlich (ähnlich wie in Afrika) Restnatur und Naturmuseen und der Verlust gefährdet winzige Restbestände. Egal ob Diebe oder Wildschweine die Ursache waren - wir brauchen mehr Natur.

Der Historiker Werner Schönleber hat im Jahr 2019 Dokumente entdeckt und veröffentlicht, die zeigen, dass in der Zeit des Kalten Krieges in Lahr Atombomben "gelagert" wurden. Der Vorgang zeigt einen dreifachen Skandal:

  • Es wurde aufgezeigt, dass die mörderischste aller Bomben heimlich in Südbaden gelagert wurde
  • Es wurde aufgezeigt, dass wir in einer Demokratie jahrzehntelang gezielt belogen wurden
  • Es ist ein Skandal, dass diese Lügen niemanden stören

Wie von uns schon lange befürchtet, verstärkt sich durch Trockenheit und Klimawandel das Waldsterben in Schwarzwald und Vogesen massiv. Noch zwei, drei solche Hitzesommer und Trockenjahre und wir werden den Schwarzwald nicht wiedererkennen. Agrarminister Hauk und die politisch Verantwortlichen für Klimawandel und Waldsterben spielen sich mit unseren Steuergeldern als "Waldretter" auf.

Der kleine BUND-Regionalverband hat in den letzten Jahren bundesweit über 19.000 Nistkästen verkauft und unsere Bauanleitungen im Internet wurden weit über 4 Millionen mal aufgerufen. In diesem Jahr haben wir jedem Kindergarten im Landkreis Emmendingen einen Nistkastenbausatz geschenkt um gerade auch kleine Kinder an die Natur heran zu führen. Eine kleine Erbschaft, die direkt an uns ging, hat diese schöne Aktion ermöglicht, die wir auch in den anderen Landkreisen unserer Region fortsetzen wollen.

Zwei Milliarden Menschen von den insgesamt 7,6 Milliarden, die auf der Welt leben, leiden Hunger, sind unterernährt oder müssen ohne gesicherten Zugang zu regelmässigem und nahrhaftem Essen auskommen. Nachdem Hunger ein Jahrzehnt lang ein schwindendes Menschheitsproblem zu sein schien, breitet sich seit 2015 diese Geissel wieder aus. In jenem Jahr galten 785 Millionen Menschen als ernsthaft an Hunger Leidende, 2018 waren es 830 Millionen. Auch die Grade von Unterernährung kennzeichnen wieder das Leben von mehr Menschen, elf Prozent der Weltbevölkerung waren es im vergangenes Jahr.

Axel Mayer, BUND-Geschäftsführer


Hier geht's zur Langversion des Rückblicks:
http://www.bund-rvso.de/2019-umwelt-politischer-jahres-rueckblick-bund.html

*

Quelle:
Mitteilung an die Medien vom 28.11.2019
mit freundlicher Genehmigung des Autors
Axel Mayer, BUND Regionalgeschäftsführer
Herausgeber:
Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland e.V.
BUND Regionalverband Südlicher Oberrhein
Wilhelmstr. 24a, 79098 Freiburg
Tel.: 0761/30383, Fax: 0761/23582
E-Mail: bund.freiburg@bund.net
Internet: www.bund-freiburg.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Dezember 2019

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang