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STELLUNGNAHME/458: Fluglärm - Fremdbestimmte Belastungszunahme (BAW)


BAW Bürgerinitiative für Fluglärmschutz in Hamburg und Schleswig-Holstein (BAW) - Pressemitteilung, 9. Februar 2018

Zum Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD

Fluglärm: Fremdbestimmte Belastungszunahme
BAW: Fluglärmbetroffene sollten den Koalitionsvertrag ablehnen


Der Sprecher der Bürgerinitiativen für Fluglärmschutz in Hamburg und Schleswig-Holstein (BAW), Martin Mosel, kritisiert die Vereinbarungen zum Luftverkehr und Lärmschutz im Entwurf des Koalitionsvertrages von CDU/CSU und SPD.

"Mit der vorliegenden Übereinkunft wird der bestehende gravierende Missstand beim Fluglärmschutz zementiert. Es werden die aktuellen Erkenntnisse der Fluglärm-Folgenforschung in Gänze ignoriert. Das Ganze liest sich wie ein Positionspapier der Luftverkehrslobby", konstatiert Mosel die Aussagen der Koalitionsparteien.

Zu den dringenden Aufgaben der neuen Bundesregierung gehört die ausstehende Evaluierung des Fluglärmschutzgesetzes. "Die Erwartungshaltung der Betroffenen ist eindeutig: konsequente Regelungen für mehr aktiven Fluglärmschutz nach der Maxime vermeiden, vermindern und begrenzen. Die effektivste Maßnahme der Lärmvermeidung ist eine Reduzierung der Anzahl an Flugbewegungen. Die Belastungsspirale von Passagierrekorden und Dumping-Ticketpreisen muss durchbrochen werden. Jeglicher Nachhaltigkeitsansatz bedingt, dass Fliegen einen verursachergerechten Preis hat. Flugpassagiere müssen sich an den durch ihr Konsumverhalten entstandenen Lärm- und Klimakosten angemessen beteiligen. Die Luftverkehrswirtschaft weiter durch Steuerprivilegien und staatlichen Kostenübernahmen über Gebühr zu entlasten, bewirkt jedoch genau das Gegenteil. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gegenüber anderen Verkehrsträgern wird auf diese Weise grob verletzt", so Mosel weiter.

Das Umweltbundesamt hat mit seinem jüngsten Fluglärmbericht dringende Empfehlungen für besseren Schutz der Bevölkerung vor unzumutbarem Fluglärm ausgesprochen und in diesem Zusammenhang die konsequente Umsetzung eines echten Nachtflugverbots von 22 bis 6 Uhr gefordert. "Zwar sollen die bestehenden wenigen Nachtflugverbote bzw. Nachtflugbeschränkungen auch unter der neuen Regierung erhalten bleiben, dieser minimale Schutz reicht nach den heutigen Erkenntnissen jedoch nicht mehr aus. An den großen Flughafenstandorten in Deutschland - so auch in Hamburg - sorgen die systematischen Verstöße gegen die Schutzbestimmungen für immer mehr Flugbewegungen außerhalb der genehmigten Betriebszeiten. Profiteure dieser Regelverstöße sind die Fluggesellschaften und die Flughafenbetreiber. Die bestehenden Entgeltstrukturen entfalten keine hinreichende Schutzwirkung. Außerdem fließen die Mehreinnahmen in die Portemonnaies der kommerziellen Betreibergesellschaften. Unsere Forderung ist daher, dass sich die neue Bundesregierung mit der Umsetzung eines konsequenten Nachtflugverbotes während der gesetzlich besonders geschützten Nachtruhe von 22 Uhr bis 6 Uhr befasst. Wirtschaftliche Partikularinteressen und das bloße Mobilitätsinteresse müssen dem Anspruch der Bevölkerung auf einen gesunden Schlaf in auskömmlicher Dauer nachgeordnet werden", fordert Mosel.

Fliegen ist etwa fünf bis sechs Mal so klimaschädlich, wie die Bahn oder der Bus. Selbst eine Reise mit dem privaten Auto schneidet noch deutlich besser ab. Mit einem einzigen Hin- und Rückflug nach Mallorca verbraucht ein Reisender aus Norddeutschland fast sein gesamtes Jahresbudget an CO2.

"Mit freiwilligen Selbstverpflichtungen und umfassenden Ausnahme- und Übergangsregelungen wird der erforderliche Beitrag des Luftverkehrs zum Klimaschutz stark verwässert. Die Klimavereinbarung CORSIA der Internationalen Zivilluftfahrt Organisation (ICAO) reicht bei Weitem nicht aus, um den immer weiter zunehmenden Anteil des Luftverkehrs am Klimawandel abzubremsen. Insofern ist es vorrangige Aufgabe der Luftverkehrswirtschaft die Entwicklung für klimaverträgliches Fluggerät mit deutlich lärmärmerer Technologie voranzutreiben und dafür große Teile ihrer hohen Milliardengewinne einzusetzen. Die Modernisierung der Flugzeugflotten geht zu langsam voran. Beispielsweise beträgt in Hamburg - dem angeblichen Innovationszentrum der Luftverkehrswirtschaft in Deutschland - der Anteil moderner etwas weniger lauter Flugzeuge wie dem Airbus-Neo oder der Boeing-Max-Generation weniger als 1 Prozent", gibt Mosel zu bedenken.

Die Koalitionsparteien wollen zwar die Bevölkerung durch Dialogprozesse über die Entwicklung und Planung an den Flughafenstandorten informieren. Die echten Beteiligungsrechte der Betroffenen sollen jedoch stark beschnitten werden. Das bestehende Verbandsklagerecht soll beschränkt, die Präklusion wiedereingeführt und zur Verfahrensbeschleunigung das Instrument der einfachen Plangenehmigung zunehmend genutzt werden.

"Bereits im Jahr 2014 hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) in seinem Sondergutachten "Fluglärm reduzieren: Reformbedarf bei der Planung von Flughäfen und Flugrouten" empfohlen, dass für die Festlegung von Flugrouten eine grundsätzliche Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) eingeführt werden sollte. Die Koalitionsparteien lassen außer Acht, dass bereits heute ein Großteil der flughafenseitigen Erweiterungen im Wege der einfachen Plangenehmigungen stattfinden oder stattgefunden haben. Viele der in der Zukunft vorgesehenen Erweiterungen sind sogar in jahrzehntealten Planfeststellungen enthalten, deren Basis ein zwischenzeitlich überholtes Umweltverständnis und veraltetes Umweltrecht ist. So werden zum Beispiel am Hamburger Verkehrsflughafen mittlerweile 20 Jahre alte Planfeststellungen aktuell im Wege der einfachen Baugenehmigung freigegeben und umgesetzt. Dialogprozesse ersetzen nicht die Beteiligungs- und Einwendungsrechte der Bevölkerung", kritisiert Mosel.

"Bereits heute ist der Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm im geltenden Luftverkehrsrecht völlig unzureichend geregelt. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen konstatiert in dem angesprochenen Gutachten zutreffend, dass der "Flugverkehr und Fluglärm vom geltenden Recht in nicht mehr zeitgemäßer Weise privilegiert" werden und die "gesetzliche Regelung der Fluglärmproblematik im Luftverkehrsrecht unterentwickelt" ist. Mit dem nunmehr der Öffentlichkeit vorgelegtem Koalitionsvertrag dokumentieren die Parteien eindrucksvoll, dass CDU/CSU und SPD nicht an einer substanziellen Verbesserung des Fluglärmschutzes interessiert sind. Ich kann daher jedem fluglärmbetroffenen SPD-Mitglied nur dringend empfehlen bei der anstehenden Mitgliederbefragung diesen Koalitionsvertrag abzulehnen", resümiert Mosel.

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Quelle:
Pressemitteilung, 09.02.2018
BAW Bürgerinitiative für Fluglärmschutz
in Hamburg und Schleswig-Holstein
Bilenbarg 21, 22397 Hamburg
E-Mail: presse@baw-fluglärm.de
Internet: www.baw-fluglaerm.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2018

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