BUND Landesverband Berlin e.V. - Pressemitteilung - Berlin, 16. September 2019
BUND-Statement zur Berliner Machbarkeitsstudie zum Kohleausstieg
Statement von Julia Epp, Sprecherin des BUND-Arbeitskreises Klima & Erneuerbare Energie zur Vorstellung der Ergebnisse der gemeinsamen Machbarkeitsstudie zum Kohleausstieg bis 2030 von Vattenfall und dem Land Berlin am 16.9.2019:
Die Machbarkeitsstudie Kohleausstieg Berlin wurde von Vattenfall und der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz in Auftrag gegeben und soll aufzeigen, wie ein Kohleausstieg in Berlin noch vor dem Jahr 2030 machbar ist.
Der BUND hat sich mit der Erstellung der Studie als Mitglied des Begleitkreises intensiv befasst: Unser Fokus lag dabei insbesondere darauf, wie die untersuchten Maßnahmen insgesamt zum Erreichen der Berliner Klimaziele beitragen. Dabei setzen wir uns dafür ein, dass Berlin, um die Klimaziele des Pariser Abkommens einzuhalten, deutlich vor 2050 klimaneutral sein muss. Zentrale Herausforderungen sind dabei einerseits die Senkung des Wärmeenergiebedarfs, andererseits der Aufbau einer klimaneutralen und damit möglichst zeitnah fossilfreien Energieerzeugung.
Die Machbarkeitsstudie zeigt auf, dass der Kohleausstieg in Berlin bis
2030 technisch umsetzbar ist. Insofern begrüßt der BUND Berlin die
Ergebnisse der Studie als Grundlage für einen zügigen Kohleausstieg
und unterstützt die Forderungen des Landes Berlin an die
Bundesregierung mit Nachdruck.
Zugleich macht die Studie jedoch deutlich, dass die in ihr enthaltenen
Umsetzungsmaßnahmen nicht ausreichen, um tatsächlich die
Klimaschutzziele zu erreichen. Daher müssen das Land Berlin wie auch
die Berliner Energieversorger - einschließlich Vattenfall - noch
deutlich ambitionierter und konsequenter agieren, damit Berlin
tatsächlich klimaneutral wird. Dazu bedarf es auch der Entwicklung
neuer Handlungsstrategien sowie der Entwicklung innovativer
Lösungsansätze.
Klar ist: Berlin, Vattenfall, die Bundespolitik; alle haben den
Klimaschutz zu lange auf die lange Bank geschoben - daher müssen wir
jetzt umso konsequenter handeln.
Zur Studie selbst und ihrer Erstellung drei Anmerkungen:
Erstens: Mit der Machbarkeitsstudie sollte aufgezeigt werden, wie der
Kohleausstieg in Berlin bis 2030 umgesetzt und zudem das Fernwärmenetz
bis 2050 dekarbonisiert werden kann. Ausgangspunkt war die Definition
eines Emissionsbudgets, welches sich am 2-Grad-Ziel orientiert -
bereits dieses Emissionsbudget wird trotz der definierten Maßnahmen
nicht eingehalten. Dabei ist die Begrenzung der Erderwärmung auf
2-Grad bereits zu hoch, um verheerende Auswirkungen des Klimawandels
zu minimieren, das Einhalten von maximal 1,5 Grad muss die Zielsetzung
sein.
Das Emissionsbudget kann insbesondere deshalb nicht eingehalten
werden, da die für die Wärmeerzeugung verwendete Kohle hauptsächlich
durch Gas ersetzt wird. Die Nutzung von fossilem Erdgas kann aber in
Hinblick auf die Berliner Klimaziele nur eine Übergangslösung sein.
Die künftige Umstellung oder Beimischung von synthetischem Gas ist
jedoch erst dann sinnvoll, wenn der Anteil von erneuerbaren
Energieträgern im Stromnetz fast 100 Prozent beträgt. Die Nutzung von
Wasserstoff oder synthetischem Gas ist zudem immer mit hohen
Umwandlungsverlusten verbunden. Auch perspektivisch werden weder
erneuerbarer Strom noch synthetisches Gas unbegrenzt zur Verfügung
stehen, sodass hohe Unsicherheiten hinsichtlich der Rolle von
synthetischem Gas bestehen.
Abfall wird als CO2-neutraler Energieträger betrachtet, dabei bleibt
der Energieaufwand für die Herstellung der zu Abfall gewordenen
Produkte jedoch unberücksichtigt. Insofern ist die intensivere Nutzung
der Kraft-Wärme-Kopplung im Müllheizkraftwerk Ruhleben bei
konsequenter Umsetzung des Zero-Waste-Leitbilds aus Sicht des BUND
Berlin nur als Übergangstechnologie zu betrachten.
Erforderlich ist, die Potentiale der dezentralen erneuerbaren Energien
vollkommen auszuschöpfen.
Energetische Gebäudesanierung
Zweitens, ambitionierter Klimaschutz erfordert mehr als nur einen Brennstoffwechsel im Fernwärmenetz. Wie in der Machbarkeitsstudie ausgeführt, muss zur zügigen Senkung des Wärmeverbrauchs die energetische Gebäudesanierung massiv vorangetrieben werden. Bereits die in der Studie veranschlagte Sanierungsrate von 2,2% pro Jahr ist ehrgeizig (KS 95). Zugleich wird jedoch deutlich, dass eine noch höhere Sanierungsrate erforderlich ist - dringend notwendig ist daher die Entwicklung und Umsetzung einer klimaneutralen Gebäudestrategie für Berlin.
Und so komme ich zu meinem dritten Punkt: Wir begrüßen die Beteiligung von zivilgesellschaftlichen Akteuren an der Politik und dass damit Prozesse transparenter werden. Alle Beteiligten haben bei der Erstellung der Studie viel über die Herausforderungen eines klimaneutralen Berlins hinsichtlich der Wärmeversorgung gelernt. Jedoch war unser Einfluss auf die Studie begrenzt. Die kritischen Punkte der Umweltverbände haben nur teilweise Berücksichtigung in der Erstellung der Studie gefunden. Wichtige Teilstudien waren nicht öffentlich zugänglich und konnten nur vor Ort eingesehen werden, obwohl diese das Ergebnis definiert haben. Insofern ist es eine Studie der Senatsverwaltung und von Vattenfall, die nun von Vattenfall als Grundlage für zielführende Investitionsentscheidungen genutzt werden muss. Zugleich müssen die offenen gebliebenen Fragen konsequent gemeinsam weiter bearbeitet werden, damit Berlin insgesamt den Weg Richtung Klimaneutralität beschreiten kann.
Dazu stehen große Herausforderungen und teilweise auch unangenehme Entscheidungen in der Energie- und Klimapolitik an, insbesondere die Frage der energetischen Gebäudesanierung. Trotzdem müssen wir in die konsequente Umsetzung von Maßnahmen kommen. Wir haben einen Punkt in der Klimadebatte erreicht, in der uns wortwörtlich das Budget ausgeht und wir damit auf den Kosten der zukünftigen Generationen leben. Deshalb fordern wir von den Auftraggebern eine zielgerichtete und ambitionierte Umsetzung des Berliner Kohleausstiegs.
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Quelle:
Presseinformation, 16.09.2019
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.
Landesverband Berlin
Crellestraße 35, D-10827 Berlin
Tel. 030/78 79 00-0, Fax: 030/78 79 00-18
E-Mail: kontakt@bund-berlin.de
Internet: www.bund-berlin.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 18. September 2019
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