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ATOM/301: USA verkaufen strategischem Konkurrenten China vier Akws (SB)


Administrative Einigkeit

USA und China kooperieren in Energiefragen nicht immer nur als Konkurrenten


Obgleich China ein aufstrebender wirtschaftlicher Konkurrent zu den USA ist und Neocons wie der Weltbankpräsident Paul Wolfowitz davon ausgehen, daß eines Tages eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen den beiden Ländern nicht mehr zu vermeiden sein werde, verstehen sich deren Regierungen in manchen Bereichen gut. Beispielsweise in Energiefragen. Sowohl Washington als auch Peking haben beschlossen, den Anteil des Nuklearstroms an der Gesamtenergieproduktion zu erhöhen.

Am Samstag haben US-Energieminister Samuel W. Bodman und Ma Kai, Chinas Minister der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission, in Peking ein Abkommen über die Lieferung von vier Druckwasserreaktoren der Firma Westinghouse Electric - inzwischen im Besitz Toshibas - an die China National Nuclear Corporation unterzeichnet. Eine so wichtige Kooperation verträgt sich nicht mit der vielfach vorgebrachten Einschätzung sogenannter Experten, deren Analysen zufolge die USA und China immer nur in Konkurrenz zueinander stehend erscheinen. Das gilt zwar für die Sicherung der eigenen Ölversorgung, nicht jedoch für Bereiche wie Kohleverstromung oder Atomkraft.

Es gibt eben auch gemeinsame Interessen, und je mehr sie unter den Tisch fallen, um so wichtiger wird es, sie zu benennen. Beide Staaten werden zentralistisch regiert. In China ist das anhand des Aufbaus der administrativen Strukturen deutlich zu erkennen, aber auch in den USA, in denen die einzelnen Bundesstaaten zahlreiche politische Entscheidungen selber fällen, herrscht letztlich eine zentral organisierte Administration vor. Rein rechtlich besitzen die Bundesstaaten in diesem System sogar sehr weitreichende Kompetenzen, faktisch jedoch ziehen sie meistens am gleichen Strang, so daß man - in Abwandlung eines Mottos der Bundeskanzlerin Merkel - davon sprechen kann, daß in den USA von oben nach unten "durchregiert" wird.

Zwei Parteien, Demokraten und Republikaner, teilen sich die Macht. Dem widerspricht nicht, daß es innerhalb dieses Systems auch Unstimmigkeiten gibt. Der jahrelange Streit zwischen dem Gouverneur von Nevada und dem Energieministerium in Washington über den Bau eines atomaren Endlagers in den Yucca Mountains bildet die berühmte Ausnahme von der Regel.

Die USA und China haben viele Gemeinsamkeiten administrativer Natur, und die Nukleartechnik eignet sich hervorragend, um darüber eine Ordnung zu etablieren, die ihre Unanfechtbarkeit stärken soll. Je mehr Grundfunktionen seiner Existenzsicherung ein Mensch an andere Instanzen abgibt, um so erpreßbarer - also beherrschbarer - wird er. Das läßt sich an einem einfachen Bild verdeutlichen: Wenn Dorfbewohner in Xianjing oder in Wyoming mit eigens geförderter Kohle oder mit Holz aus dem nahen Wald heizen, sind sie schwerer dazu zu bewegen, sich den Anordnungen der Regierung zu fügen, als wenn sie an das öffentliche Stromnetz angeschlossen und zwingend auf den Betrieb eines Atomkraftwerks angewiesen wären.

Zweifellos ist der Strom aus der Steckdose eine Annehmlichkeit, auf die wohl kaum jemand verzichten wollte. Es ist jedoch in Vergessenheit geraten, daß diese Versorgung einen Preis hat, der über das Entrichten eines bloßen Entgelts hinausgeht, mehr noch, der sich kaum als Geldwert ausdrücken läßt. Der Einzelne begibt sich in eine Abhängigkeit und sieht sich genötigt - sofern das Gespür dafür noch nicht verödet ist -, von der Gesellschaft an ihn angetragene Anforderungen zu erfüllen und somit Interessen zu bedienen, die womöglich nicht die eigenen sind.

Von dieser persönlichen Betroffenheit aus kann der Bogen wieder zum Nuklearabkommen zwischen China und den USA geschlagen werden. Trotz der jeweiligen Ressentiments gegenüber der jeweils anderen Seite funktioniert die Zusammenarbeit der beiden flächengroßen Staaten auf administrativen Gebieten, zu denen auch der Handel mit ziviler Nukleartechnologie gehört, gut.

Damit soll nicht geleugnet werden, daß in den USA das brisante Thema, China Nukleartechnologie zu verkaufen, kontrovers diskutiert wird. Laut der "New York Times" (18.12.2006) hat sich Michael R. Wessel, Mitglied der United States-China Economic and Security Review Commission, besorgt über den Nukleartechnologie-Transfer gezeigt. Langfristig seien die Vorteile der USA aus diesem Geschäft begrenzt, doch China würde davon eindeutig profitieren, sagte er. Chinesische Unternehmen hätten im zurückliegenden Jahr mannigfaltige Technologien von westlichen Firmen erworben, angefangen vom Flugzeugbau über Autodesign bis zur Maschinenherstellung, gibt er zu bedenken.

Umgekehrt könnte allerdings auch China reklamieren, daß die USA bei diesem Geschäft im Vorteil seien, da sie China in Abhängigkeit von der Lieferung mit Ersatzteilen brächten. Das heißt, auf wirtschaftlicher Ebene gewinnen beide Seiten Vorteile, und die USA könnten durch den Export von Kernkraftwerken im Wert von schätzungsweise fünf bis acht Milliarden Dollar ihre ungünstige Handelsbilanz mit China aufpolieren.

Völlig ungeklärt ist die Frage der Entsorgung des Nuklearabfalls. Die jahrzehntelange Atombombenproduktion in den USA hat gezeigt, wie sehr sich das Strahlenmaterial in der Umwelt ausbreitet, und in China wird keineswegs stärker auf die Interessen der Bevölkerung an einer strahlenfreien Umwelt Rücksicht genommen.

19. Dezember 2006