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ATOM/437: Havariertes Endlager WIPP in New Mexico soll wieder in Betrieb gehen (SB)


Milliardenverluste durch falsches Katzenstreu?

Selbst noch als Abfall, der "nur" gelagert werden muß, ist Nuklearmaterial brandgefährlich


In einem Pilotstandort für die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle aus der Kernwaffenproduktion der USA haben sich binnen weniger Jahre mehrere gravierende Unfälle ereignet, so daß als Konsequenz daraus eigentlich nur die dauerhafte Schließung der Anlage in Frage kommen sollte. Außerdem läge es nahe, grundsätzlich den Schluß zu ziehen, daß die Nuklearenergie sowohl in ihrer militärischen als auch zivilen Nutzungsvariante nicht zu bändigen ist, sondern umgekehrt der Mensch im Bann der Nuklearenergie steht und er sich immer mehr im Netz der Sachzwänge und Unwägbarkeiten aufgrund der Folgen des atomaren Brands verfängt.

Nach Jahrzehnten der Planung und Vorbereitung wurde am 26. März 1999 erstmals radioaktiver Abfall in die Waste Isolation Pilot Plant (WIPP), 42 Kilometer östlich von Carlsbad, US-Bundesstaat New Mexico, eingebracht. Die komplexe Anlage liegt in rund 600 Meter Tiefe in einer mächtigen Salzformation und soll das radioaktive Material unter anderem aus der jahrzehntelangen Kernwaffenproduktion der USA von der Umwelt isolieren. Allein 25.000 Tonnen transuranischer Abfall aus der Atombombenfabrik Hanford im US-Bundesstaat Washington sollen dorthingefahren und eingelagert werden.

Nachdem vor sechs Jahren in den USA ein anderer Standort, Yucca Mountain, nach Erkundungsinvestitionen und Wartungskosten in Höhe von mehreren Milliarden Dollar aus Sicherheitsgründen nicht mehr weitergebaut wurde, galt WIPP einige Jahre lang als vorbildliches Endlager - bis zum Februar 2014, als gleich zwei Ereignisse den Traum vom sicheren Umgang mit dem Strahlenmüll platzen ließen wie eine Seifenblase.


3 Personen in weißen Overalls und Atemschutzmasken beim Durchschreiten einer provisorischen Plastikfolienabsperrung - Foto: U.S. Department of Energy

Nicht Fukushima, sondern New Mexico - Das Betreten radioaktiv verstrahlter Bereiche schadet der Gesundheit und kann tödlich enden.
(Im April 2014 bricht ein Recoveryteam auf, um im WIPP einen Schadensbereich zu untersuchen.)
Foto: U.S. Department of Energy

Am 5. Februar 2014 brach auf einem unterirdisch eingesetzten Salztransporter ein Feuer aus, die Anlage wurde evakuiert. Sechs Arbeiter mußten wegen Rauchverletzungen behandelt werden. Neun Tage darauf schlugen Strahlenmeßgeräte Alarm. Zu dem Zeitpunkt befand sich niemand unter Tage; in den oberirdischen Anlagen wiesen einige von insgesamt nur dreizehn Angestellten leicht erhöhte Strahlenwerte auf. Untersuchungen haben ergeben, daß ein Atommüllfaß explodiert war, weil es mit der falschen Sorte von Katzenstreu gefüllt worden war. Die zwecks Bindung der Feuchtigkeit verwendete Substanz hätte rein mineralisch sein müssen und nicht organisch, da diese mit den Stickstoffverbindungen in dem eingelagerten Abfall reagiert.

Aufgrund der Explosion verbreiteten sich Transurane sowohl in weiten Teilen der unterirdischen Anlage als auch außerhalb. 21 Arbeiter wurden - angeblich nur geringfügig - verstrahlt. Außerhalb der Anlage konnten noch in mehr als einem halben Kilometer Entfernung erhöhte Strahlenwerte registriert werden. Seitdem steht die milliardenschwere Anlage still. Das gesamte Lüftungssystem ist radioaktiv kontaminiert und muß durch ein neues System ersetzt werden.

Noch in diesem Monat soll WIPP wieder eröffnet werden, sobald die Behörden ihre Zustimmung erteilen. Zuvor müssen 21 Mängel, die eine Inspektion des US-Energieministeriums ergeben hatte, behoben werden. So kam es in letzter Zeit zu mehreren Deckeneinbrüchen, die eine Schließung zumindest bestimmter Betriebsteile erforderten. Der schwerwiegendste Vorfall dieser Art ereignete sich am 3. November dieses Jahres, als eine zwei bis drei Meter mächtige Gesteinsmasse vom Ausmaß fast eines ganzen Fußballfelds im Lagerraum 4 des 7. Seitenarms herabgestürzt ist. [1]

Auch wenn WIPP gebaut wurde, um den Abfall aus der Kernwaffenproduktion zu verbringen, den es in Deutschland nicht gibt, und keine geologische Formation wie die andere ist, zeigt sich an den Vorfällen in diesem unterirdischen Endlager, daß bereits äußerst geringfügig erscheinende Ereignisse schwerwiegende Folgen nach sich ziehen können. Bei allen bisher aufgetretenen größeren Unfällen, ob Three Mile Island, Tschernobyl oder Fukushima, und den zahllosen weniger gravierenden Vorfällen rund um den Globus hatten die jeweiligen Betreiber anschließend erklärt, daß sie damit wirklich nicht gerechnet hätten.

Das werden sie auch beim nächsten Mal wieder erklären, wenn irgendwo auf der Welt abermals ein Größter Anzunehmender Unfall eintritt. Als stellte sich spätestens an dieser Stelle nicht die Grundsatzfrage, wer eigentlich von der militärischen oder zivilen Nuklearenergie profitiert. Die verstrahlten Personen und ihre Angehörigen sowie die Zwangsevakuierten aus den Falloutgebieten jedenfalls nicht. Ihnen werden die Verluste aufgebürdet, die anderen zum Vorteil gereichen.


Aufgeplatztes Faß inmitten von mit Staub und Unrat bedeckten anderen Fässern - Foto: United States Department of Energy

Durch die Explosion zerstörte Tonne im radioaktiven Endlager WIPP, New Mexico, am 15. Mai 2014.
Foto: United States Department of Energy


Fußnote:

[1] https://www.abqjournal.com/904147/doe-to-wipp-dozens-of-issues-to-address-before-reopening.html

9. Dezember 2016


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