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GENTECHNIK/250: Im Vietnamkrieg erprobt - von Agent Orange zu Roundup (SB)


7. Februar 1967

Erster flächendeckender Einsatz von Agent Orange in Vietnam


Heute vor vierzig Jahren setzten die US-Militärs erstmals während des Vietnamkriegs flächendeckend Agent Orange ein. Von diesem und weiteren mit Dioxin belasteten chemischen Kampfstoffen wurden insgesamt rund 70.000 Tonnen versprüht - für die chemische Industrie, aber selbstverständlich nicht nur für sie, hat sich der Krieg gelohnt.

Agent Orange wurde das Entlaubungsmittel wegen der farblichen Markierung der Transporttonnen genannt. Es gab auch Agent White, Pink, Green, Blue und Purple. Letzteres enthielt sogar noch sehr viel mehr des gefährlichen Dioxins TCDD (Tetrachlorodibenzo-para-dioxin), war allerdings nicht so wirksam und wurde deshalb im Verhältnis weniger eingesetzt.

Nach dem Besprühen einer Fläche mit Agent Orange fielen zunächst die Blätter der Pflanzen ab, dann verdorrten diese vollends. Dioxin ist eines der gefährlichsten Gifte, die es gibt, bereits geringste Spuren können zu schweren Nerven- und Organschäden oder sogar zum Tod führen. Schätzungen zufolge hat Agent Orange über 50.000 Geburtsfehler und mehreren hunderttausend Krebsfälle ausgelöst.

Darüber hinaus ist es ausgesprochen langlebig, so daß die besprühten Flächen dauerhaft eine Gesundheitsgefahr darstellen. Es erstaunt deshalb nicht, daß nicht nur die vietnamesischen Kriegsveteranen, sondern auch deren Kindern und wiederum deren Kinder schwerste körperliche Beeinträchtigungen aufgrund der Verseuchung aufwiesen. Diese sind teils genetisch bedingt, teils werden sie aber auch bis in die Gegenwart hinein von den noch immer stark belasteten Gewässern und Böden ausgelöst.

Im Jahr 2002 hieß es in einer Studie der Universität von Colombia in New York, daß 80 Gramm Dioxin, das in das Wasserversorgungssystem einer Großstadt eingebracht würde, 8.000.0000 Einwohner umbringen könnte. Das ist selbstverständlich ein theoretischer Wert, bei dessen Berechnung von einer gleichmäßigen Verteilung der Substanz ausgegangen wird. Dennoch veranschaulicht es die Gefährlichkeit von Dioxin und somit auch von Agent Orange. Im Sinne der obigen Rechnung wurde in Vietnam die 40milliardenfache Menge der für eine Person tödlichen Dosis Dioxin versprüht.

Der Vietnamkrieg endete 1975, und die chemische Industrie (allen voran Monsanto, Dow Chemical, Uniroyal, Diamond, Thompson, Hercules) mußte entweder ihre Produktion an chemischen Kampfstoffen zurückfahren oder aber neue Anwendungsgebiete finden. Nun, allzu lange mußte sie nicht warten, der nächste chemische Krieg wurde zwar nie offiziell erklärt, aber auch bei ihm wurden erhebliche Mengen Entlaubungsmittel versprüht. Diesmal hat es Kolumbien getroffen, genauer gesagt, die Koka-Anbauregionen. Nur drei Jahre nach dem Ende des Vietnamkriegs führten die USA in Zusammenarbeit mit der kolumbianischen Regierung ihren Feldzug gegen Drogen durch. Daß die CIA mit Drogengeld Waffengeschäfte gemacht hat - Stichwort: Iran- Contra-Affäre -, vermochte an der moralischen Überheblichkeit der US- Regierung nicht zu kratzen.

Über fast zweieinhalb Jahrzehnte hinweg wurden die Koka-Anbauflächen der kolumbianischen Kleinbauern mit Entlaubungsmittel besprüht. Das wurde noch immer in großer Menge von Monsanto hergestellt, aber nicht mehr Agent Orange genannt. Denn dieser Name war negativ vorbelastet. Statt dessen trug es den Namen "Roundup".

An dieser Stelle kommt die Grüne Gentechnik ins Spiel. Monsanto, der weltweit führende Agrokonzern auf diesem Gebiet, hat Mais-, Soja-, Baumwolle- und andere Pflanzen mittels mikrobiologischer Züchtungsverfahren auf eine Weise verändert, daß sie ein Besprühen mit Roundup schadlos überstehen. Dementsprechend werden die Saaten "Roundup Ready" genannt.

Alle anderen Pflanzen auf dem Feld verdorren genauso, wie in Vietnam die Pflanzen nach der Behandlung mit Agent Orange verdorrt sind. Damit soll nicht behauptet werden, daß das Entlaubungsmittel lediglich umdeklariert wurde, sich chemisch aber nicht von Roundup unterschiede - wenn es so wäre, würden viele Millionen Menschen erkranken oder sterben, denn Roundup wird auf der ganzen Welt in großen Mengen eingesetzt -, aber so harmlos, wie es der Agrokonzern behauptet, ist das Herbizid keineswegs (siehe GENTECHNIK/249). Die Europäische Union hat die Substanz Glyphosat, die Hauptbestandteil von Roundup ist, als "gefährlich für die Umwelt" und "giftig für Wasserorganismen" eingestuft.

Agent Orange wird zur Zeit nicht mehr flächendeckend versprüht. Das kann man von Glyphosat nicht behaupten. Bislang wurden noch keine langfristigen Gesundheitsschäden durch das Herbizid festgestellt, zumindest nicht offiziell. Wohingegen die kolumbianischen Kokabauern, die in ihren Dörfern oder auf den Feldern rücksichtslos eingenebelt wurden, von einer Zunahme an Fehl- und Mißgeburten, Krebs und anderen Krankheiten zu berichten wissen. Auch aus vermeintlich nicht- kriegerischen Zusammenhängen berichten Bauern, die in unmittelbarer Nähe von Feldern gelebt haben, die mit Roundup besprüht wurden, vom Auftreten merkwürdiger Krankheiten, die verschwanden, sobald eine Person wegzog, und wieder auftraten, als die Person in ihr Dorf zurückkam.

Die Gefährlichkeit des Agent Orange für Leib und Leben der Menschen war Monsanto schon länger bekannt. Das Unternehmen hatte es geheimgehalten, daß bereits Ende der vierziger Jahre Monsanto- Arbeiter regelmäßig erkrankten und Symptome wie Hautausschlag und Gelenk- oder Gliederschmerzen zeigten, nachdem sie mit der chemischen Substanz 2,4,5-T in Berührung kamen. (Das ist neben 2,4-D der zweite Hauptbestandteil von Agent Orange und wird zu dem berüchtigten TCDD abgebaut.)

Angeblich wird Glyphosat innerhalb kurzer Zeit, wenn es dem Sonnenlicht ausgesetzt ist, unschädlich. Nach zwei Wochen können die besprühten Flächen betreten werden. Wenn von der Substanz kurzfristige Gefahren für den Menschen ausgehen würden, so wäre zu erwarten, daß das längst bekannt geworden wäre. Dennoch bleibt eine Restunsicherheit, die nicht nur mit Glyphosat, sondern auch mit dem zu tun hat, wofür es eingesetzt wird.

Was müssen das für wehrhafte Pflanzen sein, die dem Agent-orange- Wirkstoff Widerstand entgegenbringen? Welche langfristigen Folgen hat der Verzehr solcher Pflanzen auf die menschliche Gesundheit? Die Frage ist aus der Sicht Monsantos und der übrigen Agroindustrie eindeutig beantwortet: Das System aus Roundup und Roundup Ready ist unbedenklich.

Diese Ansicht teilt der Sachbuchautor Jeffrey M. Smith nicht. In seinem Buch "Trojanische Saaten" (siehe auch BUCH\SACHBUCH, REZENSION/238), macht er auf den zeitlich parallelen Verlauf der Zunahme des Anbaus und Verzehrs gentechnisch manipulierter Pflanzen seit der ersten Hälfte der neunziger Jahre in den USA und der aus bislang ungeklärten Gründen erfolgten Zunahme an Dickleibigkeit und Diabetes in der US-Bevölkerung aufmerksam. Smith behauptet nicht, daß es einen kausalen Zusammenhang zwischen diesen beiden Entwicklungen gibt, aber er schreibt, daß diese Möglichkeit auch noch gar nicht adäquat erforscht wurde.

7. Februar 2007