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GENTECHNIK/255: Biopharming in Kansas vorläufig genehmigt (SB)


In den USA wurde Hybridreis mit menschlichen Proteinen entwickelt


Was genau den Rinderwahnsinn BSE in Großbritannien ausgelöst hat, ist nicht bekannt. Experten sind sich jedoch weitgehend einig darüber, daß gemahlenes Tiermehl - hergestellt aus Schafen, die womöglich an Skrapie erkrankt waren - als Futter für die Kühe ein Hauptfaktor für die Ausbreitung gewesen sein dürfte. BSE (Bovine spongiforme Encephalitis) und Skrapie sind verwandt, es handelt sich um Schwammhirnerkrankungen, die auf Strukturveränderungen von Eiweißmolekülen (Prionen) zurückgehen. Menschen können durch Kontakt mit BSE-verseuchtem Rindfleisch infiziert werden und nach einer Inkubationszeit von mehreren Jahren an der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJK) sterben. Als "Variante" wurde diese Form der CJK bezeichnet, weil sie erstmals auch junge, gesunde Menschen heimgesucht hatte. Eine spezifische Form von CJK ist Kuru- Kuru. Diese tödlich endende Krankheit trat bei asiatischen Inselbewohnern auf, die sich von menschlichen Gehirnen ernährten. Offenbar bekommt es den Menschen schlecht, wenn sie längere Zeit von ihren Artgenossen zehren.

Falls dies verallgemeinerbar ist und sich nicht auf den Verzehr von Hirnmasse beschränkt, könnte das ein Grund dafür sein, daß die US- Behörden die Anbaugenehmigung des Unternehmens Ventria Bioscience aus Sacramento in Kalifornien wieder zurücknehmen. Denn Ventria will gentechnisch veränderten Reis, der menschliche Proteine enthält, anbauen und vermarkten. In die Reispflanze wurden sogenannte Gene eingezüchtet, die die menschlichen Proteine Lactoferrin und Lysozym kodieren. Diese Eiweiße sind natürlicherseits in der Muttermilch enthalten.

Ventria Bioscience hatte seinen Reis erstmals im Jahr 2004 in Peru getestet und will dabei festgestellt haben, daß an Durchfall erkrankte Kinder, die zusätzlich zur herkömmlichen Behandlung mit dem Reis ernährt wurden, durchschnittlich nach 3,67 Tagen aus dem Krankenhaus entlassen wurden, während Kinder, die konventionell ernährt und gegen Durchfall behandelt wurden, durchschnittlich 5,21 Tage im Krankenhaus verbringen mußten.

Das Unternehmen verfolgt mit seinem gentechnisch veränderten Reis der Sorte Oryza sativa L. zwei Optionen. Entweder sollen die gewünschten Substanzen aus dem Reis extrahiert werden oder aber der Reis wird unmittelbar zur Bekämpfung von Magen-Darm-Erkrankungen und tropischen Infektionen eingesetzt.

Es gibt bislang keinerlei Hinweise darauf, daß die von Ventria in seinen Reis eingezüchteten menschlichen Proteine eine Gesundheitsgefahr darstellen, und eine Assoziation, wie sie eingangs am Beispiel der Übertragung von BSE vorgebracht wurde, wirkt auf den ersten Blick übertrieben. Es besteht jedoch das Problem, daß derartige Folgen, durch den Hybridreis gar nicht erforscht wurden. Dazu fehlte die Zeit. Bei BSE wird mit einer Inkubationszeit - das ist der Zeitraum zwischen Infektion und Ausbruch der Krankheit - von sechs, sieben, mitunter zehn oder gar zwanzig Jahren gerechnet. Zu dieser Frage gibt es keineswegs einheitliche Vorstellungen in der Wissenschaft. Es bedürfte einer genauen Überprüfung, ob ähnliche langfristige Folgen in Verbindung mit dem Hybridreis ausgeschlossen sind.

Ein zweites Problem ergibt sich durch den Anbau des Hybridreises für die Umwelt und damit letztlich auch wieder für den Menschen, der in dieser Umwelt lebt. Erwartungsgemäß werden sich bestimmte Eigenschaften der Reissorte auskreuzen, Biologen sprechen von einem Gen-Transfer. Pflanzen tauschen ständig Bestandteile aus. Ohne diesen Mechanismus gäbe es nicht die Vielfalt der Pflanzenwelt, sondern dann wäre die Erde noch immer ausschließlich von jenen Einzellern bevölkert, die am Anfang der Evolution gestanden haben.

Die US-amerikanische Organisation Union of concerned Scientists (Union besorgter Wissenschaftler) hat scharfe Kritik an der Erteilung einer vorläufigen Genehmigung des Anbau des Ventria-Reises durch das US- Landwirtschaftsministerium geübt. Das Unternehmen will in diesem Frühjahr in Kansas auf 450 Hektar Hybridreis anpflanzen - ohne Schutz der Umwelt. Zuvor hatte Ventria in Kalifornien, wo Reisfarmer protestieren, und Missouri, wo der große Bierhersteller Anheuser-Busch drohte, keinen Reis mehr in dem Bundesstaat kaufen zu wollen, sollte Ventria dort Fuß fassen, eine Absage erhalten.

Über die Folgen des sogenannten Biopharmings ist wenig bekannt. Niemand vermag zu sagen, was es bedeutet, wenn menschliche Proteine ausgekreuzt werden und sich im Wildwuchs ausbreiten. Ventria und das US-Landwirtschaftsministerium sind für eine Unumkehrbarkeit der Verhältnisse verantwortlich, die niemand überschauen kann. Ob eine Kontamination der Pflanzenwelt mit menschlichen und tierischen Proteinen jemals rückgängig gemacht werden kann, sollte sich herausstellen, daß dabei unliebsame Prozesse freigesetzt werden, ist fraglich.

14. März 2007