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GENTECHNIK/258: Aus der Hüfte geschossen - Impfreis gegen Cholera (SB)


Hybridreis enthält Impfstoff gegen Cholera


Regelmäßig fordern Cholera-Ausbrüche in Entwicklungsländern zahlreiche Menschenleben. In der Regel geht eine Infektion auf unsauberes Trinkwasser zurück. Über zwei Milliarden Menschen haben keinen ausreichenden Zugang zu sauberem Wasser und verfügen über keine adäquaten sanitären Anlagen. Würde in Afrika, Asien und Lateinamerika dafür gesorgt werden, daß den Menschen die gleiche Ver- und Entsorgungsstrukturen zur Verfügung stünden wie im relativ wohlhabenden Europa, so würde sich die Zahl der jährlichen Cholerainfektionen drastisch verringern.

Nun berichten der japanische Wissenschaftler Tomonori Nochi von der Universität Tokio und seine Kollegen in der Online-Ausgabe der "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS), daß sie Reispflanzen mit Hilfe eines gentechnischen Verfahrens dergestalt verändert hätten, daß die Körner einen Cholera-Impfstoff produzieren. Der Reis könne oral eingenommen werden und habe den Vorteil gegenüber herkömmlichen Impfinjektionen, daß auch die Schleimhäute und nicht nur die Blutbahn den Wirkstoff enthalten. Das sei günstig, denn Schleimhäute seien häufig die erste Kontaktstelle für Cholerabakterien, hieß es.

Ein weiterer Vorteil bestehe darin, daß der Impfstoff nicht gekühlt werden müsse - er erwies sich auch nach anderthalb Jahren Lagerung bei Zimmertemperatur noch als wirksam.

Die Forscher hatten Hybridreis gezüchtet, der in seinen Samen ein Teilstück des pathogenen Eiweißes der Cholera-Bakterien produzierte. Am Beispiel von Mäusen demonstrierten die Forscher, daß das Impfeiweiß nicht von der aggressiven Magensäure aufgebrochen und zerstört wird. Als nächstes fütterten die Forscher Mäuse mit ihrem Reis, so daß die Nager Antikörper gegen das Eiweiß bildeten und daraufhin gegen die Durchfallerkrankung geschützt waren.

Die gentechnisch manipulierten Pflanzen produzierten etwa 0,03 Milligramm des Toxinfragments pro Reiskorn; damit macht der Wirkstoff etwas mehr als zwei Prozent des gesamten Eiweißgehalts eines Reiskorns aus.

Auch wenn die Forscher ihr Verfahren als kostengünstig und unaufwendig priesen und damit warben, daß der Impfreis vor allem in Entwicklungsländern und Katastrophengbieten eingesetzt werden könne, gibt es starke Zweifel an der Nützlichkeit des Verfahrens. Beispielsweise konnten die Forscher nur Annäherungswerte für die Impfstoffmenge pro Reiskorn angeben. Das bedeutet, daß der Arzt oder die zu Impfenden in der Unsicherheit leben, ob die verabreichte Menge genügt oder ob nicht schon zu viel Impfstoff gegeben wurde, was womöglich überhaupt erst eine Infektion auslöst.

Zwar hat sich der Reis als stabil erwiesen, so daß der Impfstoff auch nach mehr als 18 Monaten noch existierte, aber es ist aus der Pflanzenzüchtung bekannt, daß sich Eigenschaften im Laufe der Pflanzengenerationen wieder auskreuzen können. Das bekäme ein Arzt, der gewohnt ist, eine bestimmte Impfstoffmenge pro Person (Kind oder Erwachsener) zu verabreichen, gar nicht mit. Es gibt also keine zuverlässige Dosierbarkeit des Impfreises. Ein weiteres Problem dürfte darin bestehen, daß der Reis womöglich verwechselt oder von ahnungslosen Personen als eine schmackhafte Mahlzeit betrachtet und verspeist würde.

Diese Probleme verdeutlichen, daß die beschriebene Methode nicht funktioniert. Anders wäre es, wenn der Wirkstoff aus dem Reiskorn extrahiert und labortechnisch sauber portioniert würde. Doch in dem Fall gibt es effektivere Verfahren der Impfstoffherstellung, als die Substanz ausgerechnet von Reispflanzen generieren zu lassen.

14. Juni 2007