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GENTECHNIK/278: Großbritannien fördert Biotechforschung in Afrika (SB)


Britische Regierung finanziert unter dem Titel "Entwicklungshilfe" Pflanzenforschung in Afrika

In Zeiten des Klimawandels braucht auch Europa dürreresistente Nutzpflanzen


Wenn die relativ wohlhabenden Länder ankündigen, daß sie den Entwicklungsländern unter die Arme greifen wollen, dann unterschlagen sie gern, daß ihre Hände allzu häufig weiterwandern bis hinab zu den Taschen, um sich die wenige Habe der Armen auch noch anzueignen. Zu dieser Einschätzung kann man gelangen, wenn man sich die jüngste Initiative der britischen Regierung zur Stärkung der afrikanischen Landwirtschaft anschaut. Laut der Zeitung "The Guardian" vom letzten Sonntag [1] sind dafür in dem neuen "White Paper" der Brown-Regierung 100 Millionen Brit. Pfund (ca. 116 Mio. Euro) über die nächsten fünf Jahre vorgesehen. 80 Prozent dieses Betrags sollen jedoch in die Erforschung gentechnisch veränderter Getreidesorten fließen, davon allein 60 Mio. Pfund in die Züchtung einer dürreresistenten Maissorte in Afrika. Weitere 24 Mio. Pfund entfallen auf den Pflanzenschutz. Darüber hinaus will die britische Regierung die Fördersumme für ein internationales Forschungsnetzwerk zur Grünen Gentechnik, bei dem sie mit Biotechunternehmen zusammenarbeitet, verdoppeln. Ein weiterer Teil der Entwicklungshilfe soll in ein Forschungsprojekt der Firma Syngenta zur Entwicklung eines Reissorte fließen, die gentechnisch verändert wird, damit sie mehr Vitamin A enthält.

In dem White Paper werde die Bezeichnung "gentechnisch verändert" vermieden, aber Experten wüßten, daß ein Großteil der Entwicklungshilfe für gentechnisch veränderte Produkte verwendet werden solle, schrieb der "Guardian". In Großbritannien selbst sei der kommerzielle Anbau jener nun geförderten gentechnisch veränderten Pflanzen verboten.

Tatsächlich erweist sich der Widerstand gegen die Grüne Gentechnik in der britischen Bevölkerung als ausgesprochen groß. Noch vor Deutschland war dort eine breite Anti-Gentechbewegung entstanden, nachdem sich herausgestellt hatte, daß die eigene Regierung in Verbindung mit dem US-Konzern Monsanto Großbritannien als Brückenkopf für den europäischen Markt ausgesucht hatte. Regelmäßig werden Forschungsfelder mit gentechnisch veränderten Pflanzen von Aktivisten zerstört, um dem möglichen Pollenflug zuvorzukommen oder allgemein diese Form der Hybridisierung und Veränderung von Pflanzen zu bekämpfen.

Mit Veröffentlichungen zum Unterschied zwischen konventionell gezüchteten und gentechnisch veränderten Pflanzen können ganze Bibliotheken gefüllt werden, weswegen hier nur auf einige wesentliche Unterschiede verwiesen werden soll: Gentech-Pflanzen können Gifte gegen Schädlinge (beispielsweise gegen den Maiszünsler) enthalten, konventionelle Pflanzen nicht. Angeblich zeigen diese Gifte keine negativen Auswirkungen auf Mensch und Vieh. Gentech-Pflanzen können artfremde oder sogar tierische Anteile enthalten, wobei die Forscher nur wenig über die Wirkung des Zusammenspiels der verschiedenen Faktoren wissen. Konventionelle Pflanzenzüchtung wird zwar ebenfalls mit artfremden Sorten durchgeführt, aber diese sind in der Regel nahe Verwandte der Ursprungspflanze, und die Pflanzen werden auch nicht mit tierischen Substanzen bestückt.

Der Widerstand in Großbritannien und anderen europäischen Staaten gegen gentechnische Veränderungen der Pflanzenzüchtung wird auf mehrfache Weise begründet. Hier nur die Kernargumente:

- Weitgehend unerforschte gesundheitliche Folgen durch den Verzehr von Gentech-Produkten;
- zunehmende Kontamination der Umwelt, so daß irgendwann kein konventioneller Anbau mehr möglich ist;
- negative ökologische Folgen, da von den Toxinen der Gentech-Pflanzen nicht nur Schadinsekten betroffen sind;
- Zwang zur permanenten chemischen "Nachrüstung", da die Ausrichtung auf im wesentlichen ein einziges Unkrautvernichtungsmittel (Glyphosat) in Verbindung mit dem Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen die Resistenzentwicklung fördert;
- Verlust der Artenvielfalt durch den Monokulturanbau und Erhöhung der Gefahr weltweiter Ernteausfälle durch resistente Schädlinge oder Pflanzenkrankheiten;
- Etablierung eines umfassenden Lizenzsystems durch die Biotechkonzerne, so daß die Bauern in eine größere Abhängigkeit von den großen Konzernen gelangen als je zuvor.

Selbstverständlich gilt dies alles auch für Afrika. Der Unterschied zu Europa besteht allerdings darin, daß die Nahrungsnot der Menschen auf unserem Nachbarkontinent ungleich größer ist. Das fördert die Bereitschaft innerhalb der Gesellschaften, die Nachteile und umfassenden Folgewirkungen, die sich daraus ergeben, wenn eine Regierung gentechnologischen Anbau zuläßt, zu akzeptieren. Dennoch beweist die Ablehnung oder nur sehr zögerliche Akzeptanz der Grünen Gentechnik in vielen afrikanischen Ländern trotz vielerorts chronischer Mangelernährung die große Skepsis, die dieser westlichen technologischen "Errungenschaft" nach wie vor entgegengebracht wird.

Die jüngste von der britischen Regierung beschlossene Förderung der Gentechnologie in Afrika reiht sich in eine Vielzahl von früheren Maßnahmen auch anderer Länder, in denen Biotechkonzerne ihren Sitz haben, zur Verbreitung dieser Form von Pflanzenzüchtung ein. Afrika wird zum Testlabor für dürreresistente Pflanzen, die eines Tages, sollten die Erwartungen tatsächlich erfüllt werden, gewiß nicht kostenlos an afrikanische Hungerleider verteilt werden. Die Geschäftsaussichten sehen blendend aus, da der Nahrungsmangel zunehmen wird. Die Zusammenarbeit mit großen Biotechkonzernen wie Syngenta soll die technologische Führerschaft Großbritanniens bzw. der wohlhabenden Länder allgemein sichern.

Sollten sich die Klimazonen aufgrund der allgemeinen Erderwärmung verschieben, wie von Wissenschaftlern für die nächsten Jahrzehnte vorausgesagt, und der europäische Mittelmeerraum in die subtropische Dürrezone fallen, ist es nicht ungünstig, wenn für diesen Fall rechtzeitig Pflanzen in Afrika erforscht wurden, die auch unter solchen extremen Bedingungen gedeihen.

Die afrikanischen Staaten könnten eine Unterstützung ihrer Landwirtschaft gut gebrauchen, so daß die Bauern dort genügend Nahrung produzieren. Eine gute Investition wäre zum Beispiel, die Stütze der meisten Gesellschaften, die Kleinbauern, dahingehend zu fördern, daß sie über ausreichend Saatgut, Dünger und Pflanzenschutzmittel oder Arbeitswerkzeuge und technische Anlagen zur Bewässerung der Felder verfügen. Dringend geboten wäre es sogar, daß die westlichen Staaten im Rahmen der Verhandlungen der Welthandelsorganisation endlich davon Abstand nehmen, von den Entwicklungsländern Subventionsabbau und Aufhebung von Handelsschranken zu verlangen. Denn das öffnet vor allem westlichen Produktionsüberschüssen Tür und Tor, wie vor einigen Jahren der Zusammenbruch von Kameruns Hühnerproduktion aufgrund des EU-Exports von gefrorenen Hühnerresten gezeigt hat, und es bereitet kapitalstarken westlichen Konzernen den Boden für eine neue Runde der Schnäppchenjagd in Afrika.

Es gäbe also viel zu tun, um die afrikanische Landwirtschaft zu fördern - die Weiterentwicklung der Grünen Gentechnik hingegen dient primär den westlichen Staaten, ihre agrartechnologische Führerschaft auszubauen - was keine Nebensache angesichts des Klimawandels und des damit einhergehenden Drucks auf die Nahrungsproduktion ist. 100 Millionen brit. Pfund für den Agrarsektor in Afrika sind kein Geschenk an die Afrikaner, sondern eine Investition zur Sicherung der eigenen Zukunft.


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Anmerkungen:

[1] "UK to spend £100m on supporting GM crops for world's poor", The Guardian, 19. Juli 2009
http://www.guardian.co.uk/environment/2009/jul/19/gm-crops-aid-uk-funding

20. Juli 2009