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GENTECHNIK/295: Taktischer Rückzug Monsantos aus Europa (SB)


Millionen marschieren gegen Monsanto

Auch ohne Gentechnik in Europa gute Geschäftsaussichten des US-Agrokonzerns



Derzeit überschlagen sich die Ereignisse im Zusammenhang mit dem Anbau und der Verbreitung gentechnisch veränderter Organismen (GMO). Ein wichtiges Datum ist der 26. März 2013. An dem Tag hat US-Präsident Barack Obama das US-Haushaltsgesetz HR 933 unterzeichnet, das im wesentlichen der Konsolidierung der Ausgaben dient, aber als "Zusatz 735" einen Passus enthält, wonach Klagen wegen Zweifeln an der Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit von Saatgut nicht mehr möglich sind, sofern es bereits vom US-Landwirtschaftsministerium zugelassen wurde.

Diese in der Zivilgesellschaft "Lex Monsanto" genannte Bestimmung hat ihren Namen von dem Agrounternehmen Monsanto erhalten, dem ein beträchtlicher, von finanziellen Zuwendungen begleiteter Einfluß auf den US-Kongreß, respektive Senator Roy Blunt aus dem Bundesstaat Missouri, wo das Unternehmen seinen Hauptsitz hat, nachgesagt wird. HR 933 ist zunächst für ein halbes Jahr gültig, mit einer Verlängerung in der jetzigen Version ist nicht zu rechnen. Das hat nicht zuletzt mit den Protesten gegen den weltweit größten Agrokonzern, der gentechnisch verändertes Saatgut vertreibt, zu tun. Unter dem Motto "March against Monsanto" sind am 25. Mai rund zwei Millionen Menschen in 432 Städten in 52 Ländern auf die Straße gegangen. Allein in Deutschland fanden in sieben Städten Protestumzüge statt. Deren Motto lautete: "Es ist Zeit, die Macht über unser Essen zurückzugewinnen. Es ist Zeit, gegen Monsanto zu marschieren."

Am 31. Mai, knapp eine Woche nach den weltweiten Protesten, gab Monsanto auf seiner Internetseite eine "Stellungnahme zur Vermarktung von gentechnisch verbessertem Saatgut in Europa" ab. Darin heißt es: Im Rahmen eines Dialogs mit den Landwirten "haben wir verstanden und akzeptieren, dass Saatgut mit gentechnisch verbesserten Merkmalen derzeit keine breite Akzeptanz in Landwirtschaft und Öffentlichkeit in Deutschland und Europa findet". [1]

Gegenüber der "tageszeitung" sagte der Sprecher für Monsantos EU-Niederlassung, Brandon Mitchener, sie machten keine Lobbyarbeit mehr für den Anbau in Europa und planten "derzeit" auch nicht, die Zulassung neuer gentechnisch veränderter Pflanzen zu beantragen. Zudem wolle das US-Unternehmen auf neue Feldversuche mit diesem Saatgut verzichten. Die Sprecherin von Monsanto Deutschland, Ursula Lüttmer-Ouazane, erklärte, es sei "kontraproduktiv, gegen Windmühlen zu kämpfen". [2]

"Sieg für Anti-Gentech-Bewegung. Monsanto gibt Europa auf", titelte die taz. "Monsanto knickt vor Europa ein", legt die "Süddeutsche Zeitung" nach. [3] In solchen Aussagen spiegelt sich die Erleichterung derjenigen wider, die gegen die Grüne Gentechnik zu Felde ziehen. Zwar wird aus Kreisen der Gentechnikgegner gewarnt, daß Monsanto wiederkommen werde, doch wie sehr die Stellungnahme des Unternehmens die Gemüter zu beruhigen vermag, zeigt sich an der hier stellvertretend für die gesamte Bewegung gemachten Aussage des Aktivisten Jörg Bergstedt laut taz: "Der überregionale Widerstand gegen Gentechnik wird erstmal pausieren." [1]

Ob das auch für ihn persönlich gilt oder ob er eine Prognose zum Verhalten der Gentechgegner im allgemeinen abgegeben hat, geht aus dem Bericht nicht hervor. Bergstedt dürfte damit aber die Absicht Monsantos mit seiner Stellungnahme gut getroffen haben. Ein taktischer Rückzug als Antwort auf den Widerstand, der am 25. Mai in weltweiten Protesten gipfelte, erlaubt jedoch keine Aussage über die Strategie, die der Konzern verfolgt. Nach wie vor gilt die Europäische Union als potentieller Absatzraum für GMO-Produkte, auch wenn Gentechkonzerne wie BASF und Bayer CropScience, die grüne Gentechnik vertreiben, ihr Engagement in Europa bereits verringert oder eingestellt haben.

Da sich Großbritannien in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre nicht als Brückenkopf für Gentechsaat in der Europäischen Union instrumentalisieren ließ, wie er von Lobbyisten in der US-Regierung und Mitgliedern der britischen Regierung heimlich vorbereitet worden war, und auch in den Jahren danach die Expansion nicht gelang, wird sich Monsanto auf andere Tätigkeitsbereiche konzentrieren. Denn es vertreibt ja auch gentechnisch unveränderte Saat. Außerdem existieren weltweit viele weitere Absatzräume, die bisher noch nicht oder nur partiell "erobert" wurden und um die es sich aus unternehmerischer Sicht zu ringen lohnt.

Monsantos Stellungnahme ist somit kein Ausdruck des Einknickens, sondern der Bündelung seiner Kräfte. Dem Aktienkurs des Unternehmens hat die Rückzugsankündigung nicht geschadet. In den USA stieg der Wert der Anlage leicht, in Europa sank er ein wenig. [4] Die Börsen haben also unaufgeregt reagiert. Ein Grund dafür dürfte darin liegen, daß Monsanto nur rund zwölf Prozent seines Jahresumsatzes von etwa 13,5 Milliarden Dollar in Europa erzielt, und das Gros der hiesigen Geschäfte sowieso mit gentechnisch unverändertem Saatgut gemacht wird. Vielleicht liegt es aber auch daran, daß Monsanto schon seit fast drei Jahren bei den EU-Behörden keinen Zulassungsantrag für ein GM-Produkt mehr gestellt hat. Deshalb kam die Stellungnahme für die Anleger nicht überraschend.

Außerdem sind die Aussichten des Konzerns - auch ohne Gentechnik in der EU - blendend. Dank der weltweit hohen Nachfrage nach Mais hat Monsanto am 29. Mai zum zweiten Mal innerhalb von weniger als zwei Monaten seinen Ausblick für das Geschäftsjahr 2012/13, das am 31. August endet, erhöht. [5] Da die Nachfrage nach Nahrung, Futtermitteln und (Agro-)Treibstoff auch in den kommenden Jahren weltweit steigen dürfte, kommt der Konzern ganz gut ohne gentechnischen Anbau in der EU aus. Im übrigen dürfen Futtermittel wie Mais und Soja auch hierzulande gentechnisch verändert sein, solange sie nur im Trog oder Tank und nicht auf dem Teller landen.

Gute Aussichten verzeichnet die gesamte Grüne-Gentechnik-Industrie auch deshalb, weil die Europäische Union eine Reihe von Freihandelsabkommen mit Ländern abschließen will, die weniger Bedenken haben, ihre Bevölkerung mit einer Nahrung zu versorgen, die im Verdacht steht, zumindest langfristig gesundheitliche Schäden verursachen zu können. Das in öffentlichen Diskussionen häufig von Gentechlobbyisten vorgebrachte Argument, warum sich die Europäer nur so anstellen, die Amerikaner verzehrten doch schon seit Jahren gentechnisch veränderte Produkte, ohne daß sie daran erkrankten, greift insofern nicht, als daß in den USA beispielsweise mit Diabetes mellitus und Adipositas zwei Krankheiten epidemische Ausmaße angenommen haben, deren Entstehung keineswegs zweifelsfrei geklärt ist.

Eines der Freihandelsabkommen der Europäischen Union könnte noch in diesem Jahr mit Kanada abgeschlossen werden. Für ein weiteres mit den USA werden voraussichtlich demnächst die Verhandlungen aufgenommen. Dann stellt sich die Frage, ob die EU-Kommission das europäische GM-Einfuhrverbot gegen den Druck von der anderen Seite des Atlantiks verteidigen wird.


Fußnoten:

[1] http://www.monsanto.com/global/de/news-standpunkte/Pages/vermarktung-von-gentechnisch-verbessertem-saatgut-in-europa.aspx

[2] http://www.taz.de/Sieg-fuer-Anti-Gentech-Bewegung/!117205/

[3] http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/gentechnisch-veraendertes-saatgut-monsanto-knickt-vor-europa-ein-1.1684992

[4] http://www.finanzen.net/aktien/Monsanto-Aktie

[5] http://monsanto.mediaroom.com/

3. Juni 2013