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GENTECHNIK/301: Synthetische Biologie - Denn sie wissen nicht, was sie tun (SB)


Aliens im Mikrokosmos

Forscher erschaffen erstmals ein Gentech-Bakterium, das nur Syntho-Nahrung frißt



Ein neuer Ansatz, um die unkontrollierte Ausbreitung gentechnisch modifizierter Organismen (GMOs) zu verhindern, wirkt wie der Versuch, den Teufel mit dem Beelzebub austreiben zu wollen. So bestechend das in "Nature" [1] vorgestellte Konzept auf den ersten Blick auch erscheinen mag, gentechnisch veränderte Bakterien zu züchten, die auf Nährstoffe angewiesen sind, die in der Natur nicht vorkommen, also eigens im Labor hergestellt werden müssen, so groß bleibt am Ende die Unsicherheit darüber, welche Folgen das Inverkehrbringen solcher Organismen in der Natur hätte. Die als Maßnahme zur Biosicherheit ausgewiesene Forschung auf dem Gebiet der synthetischen Biologie könnte ihrerseits einen Risikofaktor für ganz und gar unkontrollierte Entwicklungen darstellen.

Zwei Forschergruppen der Universitäten Harvard und Yale aus den USA haben transgene Varianten von Darmbakterien der Gattung Escherichia coli (E. coli) gezüchtet. Sie werden als RE.coli (R von recoded) oder auch allgemein als GRO (genomically recoded organisms - genomisch recodierte Organismen) bezeichnet. Der Molekularbiologe George Church von der Harvard Medical School in Boston, der an einer der Studien mitgearbeitet und schon früher mit seinen Arbeiten in der Fachwelt für Aufsehen gesorgt hat, berichtete im Deutschlandfunk über ihren umfassenden Eingriff in das Erbgut des Bakteriums:

"Es ist das erste Mal, dass wir bei einem Bakterium Umbauten im gesamten Genom vorgenommen haben, um größere Funktionsänderungen zu erreichen. Die Bakterien besitzen nun einen neuen genetischen Code. Die wichtigste Folge davon ist, dass ihr Überleben von einer synthetischen Aminosäure abhängt, die in der Natur gar nicht vorkommt, sondern nur im Labor." [2]

Churchs ehemaliger Mitarbeiter, Farren Isaacs, der zur Yale University gewechselt ist, aber noch immer eng mit seinem Kollegen zusammenarbeitet und hauptverantwortlich für den zweiten Bericht in "Nature" zeichnet, erklärte den möglichen Nutzen ihrer Forschung:

"Wir können eine Abhängigkeit von künstlich hergestellten, biochemischen Proteinbausteinen erzeugen. Damit bieten wir eine überzeugende Lösung für ein anhaltendes Problem in der Biotechnologie, indem wir der Verbreitung und dem Überleben von genetisch veränderten Organismen in der natürlichen Umwelt einen biologischen Riegel vorschieben."

Aus der Natur sind 20 Standard-Aminosäuren bekannt, die bei der Bildung von Proteinen eine zentrale Rolle spielen und deshalb auch als "proteinogene Aminosäuren" bezeichnet werden. Soweit man weiß, beschränken sich alle natürlich entstandenen Organismen auf diesen Fundus an sogenannten Grundbausteinen des Lebens. Im Labor wurden hingegen schon sehr viel mehr Aminosäuren hergestellt. Church und seine Forscherkollegen schufen die synthetische Aminosäure Biphenylalanine, kurz bipA genannt. Das Team der Yale-Universität hat die synthetische Aminosäure pAzF (4-p-Azido-L-phenylalanine) produziert.

Die "recodierten" Kolibakterien verwenden diese Aminosäuren, um mittels des sogenannten Informationsüberträgers RNA Proteine herzustellen, die gebraucht werden, damit die Organismen Stoffwechsel betreiben können. Ohne jene synthetischen Aminosäuren würden die Proteine Lücken aufweisen, die nicht von anderen Aminosäuren ausgefüllt werden könnten. Beschränkt auf das Nahrungsangebot, das die Natur ihnen bietet, würden die genveränderten E.-coli-Bakterien verhungern. Sollten sie versehentlich aus dem Labor entweichen, könnte man sich sicher sein, daß sie nach kurzer Zeit nicht mehr leben.

Aber könnten die Bakterien nicht ihre Abhängigkeit von "Syntho-Nahrung" abstreifen und lernen, andere Nahrung zu verstoffwechseln? Das sei extrem unwahrscheinlich, behaupten die Forscher und begründen ihre Einschätzung damit, daß sie das Genom an 49 Stellen verändert haben, damit ihr Bakterium die synthetische Aminosäure codieren kann. Eine Mutation ausgerechnet dieser Abschnitte, ohne daß dabei eine für den Mikroorganismus schädliche Mutation entsteht, sei so gut wie ausgeschlossen.

Abgesehen von dieser Besonderheit wurde das synthetische Bakterium zusätzlich unempfindlich gegenüber einem Befall durch Viren gemacht. Diese benötigen eine natürliche DNA, um sich in einen Wirt einzunisten, und können mit der synthetischen DNA nichts anfangen. Diese Eigenschaft zur Virenabwehr hatten Church und Isaacs bereits gemeinsam entwickelt und im Oktober 2013 in einem Fachjournal vorgestellt.


Wer hat ein Interesse an gentechnisch veränderten Bakterien?

Zunächst einmal so viel: Der aus der Sicht der Vertreterinnen und Vertreter der synthetischen Biologie "bahnbrechende Erfolg" der beiden Forschergruppen besteht darin, einen Schutzmechanismus für eine Gefahr entwickelt zu haben, die sie überhaupt erst in die Welt gebracht haben, nämlich für gentechnisch veränderte Organismen. Es bedürfte dieses Schutzes nicht, gäbe es diese Forschungsrichtung nicht.

Allerdings wäre es nicht damit getan, die synthetische Biologie oder allgemein die Mikrobiologie abzuschaffen, ist diese Forschung doch wiederum Resultat eines naturwissenschaftlich-technologischen Weltbilds, das die gesellschaftlichen Produktions- und Reproduktionsbedingungen gleichermaßen bestimmt wie abbildet. Hätte also niemand die Mikrobiologie erfunden, würden vielleicht ganz andere Forschungen betrieben, deren Ergebnisse sogar noch riskanter für Mensch und Umwelt sein könnten.

Dennoch stellt sich die Frage, ob nicht einige der Substanzen, die heute mit Hilfe von Bakterien produziert werden - beispielsweise Treibstoffzusätze, Insulin, Medikamente, Grundsubstanzen für Kunststoffe, Joghurt, Käse etc. - ersetzbar wären. In vielen Fällen dürften rein wirtschaftliche Erwägungen ausschlaggebend für die Entscheidung sein, gentechnisch veränderte Bakterien für sich arbeiten zu lassen, auch wenn damit eine potentielle Gefahrenquelle geschaffen wird.

Das ist auch der Hintergrund für die hier beschriebenen Forschungen zum "Biocontainment", zur Eindämmung von Organismen mittels biologischer Eingriffe. Presseberichten zufolge erklären Church und Isaacs, daß das Motiv für ihre Arbeit auf die Sorge zurückgeht, modifizierte Organismen könnten aus dem Labor entweichen und sich gegenüber natürlichen Arten durchsetzen. Bisher ist noch kein solcher Vorfall bekannt. Dennoch sagt Church, er wolle ja nicht als Alarmist bezeichnet werden, aber es sei doch wohl entscheidend, daß sich diese Organismen verbreiten könnten. [3]

Allerdings verdienen die beiden Forscher "nebenbei" ganz gut an der Sorge um Biosicherheit. Abgesehen von ihren lukrativen Anstellungen im universitären Forschungsbereich - Harvard und Yale zählen zu den führenden Universitäten der USA - ist Church Inhaber Dutzender Patente, von denen einige längst vermarktet werden, beispielsweise durch die von ihm gegründeten Biotechnologiefirmen LS9 in Kalifornien und Joule in Massachusetts; in beiden Firmen, die ihrerseits Ableger haben, produzieren Bakterien den Treibstoffzusatz Alkan. Zudem zählen Church und Isaacs zu den Mitbegründern des Biotechnologieunternehmens enEvolv.

RE.coli ist nur ein Modellbakterium, an dem die Forscher aufgezeigt haben, zu welchen biotechnologischen Eingriffen sie fähig sind. Die besonderen Eigenschaften müßten gegebenenfalls auf andere Organismen übertragen werden. Die Nährstoffabhängigkeit könnte zum Beispiel nützlich sein, wenn man Bakterien in der Natur aussetzen will, damit sie Erdölleckagen und andere Umwelttoxine unschädlich machen. Haben die winzigen Helferlein ihre Aufgabe erfüllt, bräuchte man sie lediglich nicht mehr mit synthetischen Aminosäuren zu füttern, um zu verhindern, daß sie sich vermehren und sich über irgendwelche Treibstofftanks oder Erdöllagerstätten hermachen. (Daß ein solches Bakterium auch militärisch einsetzbar wäre, um die gegnerische Treibstoffversorgung lahmzulegen oder unliebsame erdölexportierende Staaten zu schädigen, versteht sich von selbst ...)

Für die eingezüchtete Virenabwehr gibt es ebenfalls einen ökonomischen Bedarf. Vor sechs Jahren war ein Biotechnologielabor des Unternehmens Genzyme Corp. in Cambridge, US-Bundesstaat Massachusetts, in dem Bakterien für die Herstellung von Medikamenten zur Behandlung der seltenen, genetisch bedingten Krankheiten Morbus Gaucher und Morbus Fabry eingesetzt wurden, von Viren kontaminiert worden. Dadurch wurde die Produktion monatelang lahmgelegt. Der Umsatzausfall belief sich auf über 100 Millionen Dollar.

Andere Wissenschaftler, die nicht unmittelbar an den Forschungen von Church und Isaacs beteiligt sind, aber entweder verwandte Fragestellungen verfolgen oder sich der gleichen Mittel und Methoden bedienen, mithin denselben Interpretationsmustern wie die beiden Genetiker unterliegen, äußern sich sehr positiv über die Produktion der GRO. Um das Risiko zu verringern, daß eine der Mikroben mutiert und ohne die spezifische Nahrung überlebt, hätten die Forscher drei Gene, die für die Produktion der Aminosäuren erforderlich sind, verändert; das füge diesem System "weitere Sicherheitsebenen" hinzu, lobte Tom Ellis, Experte für synthetische Biologie am Imperial College London, das Forschungsergebnis. Keine der beiden Gruppen habe bei den Mikroben jemals eine erfolgreiche Mutation entdeckt. Die Forscher hätten die Tür zu einem völlig neuen Gebiet der Biosicherheit geöffnet, so Markus Schmidt, Experte für Biosicherheit und Technologieberater der Firma Biofaction in Wien. [4]


Horizontaler Gentransfer ausgeschlossen?

Es bleiben dennoch Fragen an die Forscher. E.-coli-Bakterienstämme sind in der Natur bzw. menschlichen Umgebung weit verbreitet. Falls jene gezüchteten Bakterien entweichen, könnte es da nicht zu einem unter Mikroorganismen verbreiteten "horizontalen Gentransfer" kommen und damit zu einer Übertragung von Genen, also letztlich von Eigenschaften, außerhalb der geschlechtlichen Fortpflanzung? Das haben sich die Forscher selbst gefragt, und ihre Untersuchungen zeigten, daß die veränderten Bakterien entweder zu wenig oder zu viel DNA übernommen hätten, wie der Genetiker Daniel Mandell, Hauptautor der Arbeitsgruppe Churchs an der Harvard Medical School, erklärte. [5]

Mit anderen Worten, die Bakterien haben bislang nur noch nicht das richtige Maß getroffen. Ist es ausgeschlossen, daß sie eines Tages einen Volltreffer landen? Und ist es darüber hinaus ausgeschlossen, daß umgekehrt herkömmliche E.-coli-Bakterien bestimmte synthetische Eigenschaften übernehmen und in ihren Genpool einbauen?

Desweiteren ist zu fragen, ob das Risiko vollkommen ausgeschlossen werden kann, daß es irgendwann zu einem Gentransfer zum Beispiel zu Kolibakterien kommt, die wie EHEC (enterohämorrhagische Escherichia coli) Pathogenitätsfaktoren aufweisen, also krankmachen können. Im Jahr 2011 trat im norddeutschen Raum eine schwerwiegende Epidemie mit einem bis dahin unbekannten EHEC-Stamm auf. Es wurden fast 5000 Infektionen gemeldet, 21 Personen sind daran gestorben. Wie würde die menschliche Immunabwehr reagieren, sähe sie sich einem Erreger gegenüber, der aufgrund seiner synthetischen Anteile eben nicht nur "unbekannt", sondern ganz und gar fremdartig wäre, sozusagen ein Alien im Mikrokosmos? Wäre dadurch nicht auch die Medizin völlig überfordert?

Jedenfalls macht Jaydee Hanson, Direktor des International Center for Technology Assessment in San Francisco, auf die Grenzen der beiden Studien aufmerksam. Die ersten Tests hätten in einer traditionellen Laborumgebung stattgefunden. Es wäre aber wichtig, die Technologie unter kontrollierten Umweltbedingungen zu prüfen, sagte der Forscher laut der Zeitung "The Boston Globe". Er hoffe zudem, daß die Experimente als nächstes über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden, damit sichergestellt wird, daß nach zahlreichen Generationen "keine Probleme" auftauchen. [6]

Hanson läßt sich offenbar nicht durch die von den Wissenschaftlern als Beleg für die Zuverlässigkeit ihres Verfahrens angegebene Zahl, daß sie in mehreren Experimenten schätzungsweise eine Billion Zellen produziert haben, die nach zwei Wochen ohne Versorgung mit bipA gestorben waren, beeindrucken.

Auch Church scheint sich der Brisanz seiner Forschungen bis zu einem gewissen Grad bewußt zu sein. Er stimmt dem Forscher Steve Benner, der an der Universität von Florida an der Herstellung synthetischen Lebens arbeitet, zu, daß GMOs gegenwärtig nicht lange in der freien Natur überleben würden, gibt aber zu bedenken, daß das nicht für Bakterien gilt, die gegenüber mehreren Viren resistent wären, an denen wiederum die Industrie sehr interessiert sei. "Wir wollten erst die Sicherheitsmaßnahmen installiert haben, bevor wir den nächsten Schritt auf dem Weg zur vollständigen Resistenz gegenüber allen Viren gehen", sagte er laut der "Washington Post". [7]

Diese Sicherheitsmaßnahme hätte das Bakterium allerdings schon gebraucht, bevor es auch nur gegen ein einziges Virus resistent ist. Offensichtlich würde ausgerechnet diese Wehrhaftigkeit den E.-coli-Bakterien zu einem Konkurrenzvorteil gegenüber anderen Bakterienstämmen verhelfen. Das rückt die Forschungen Churchs und Isaacs' in ein ganz anderes Licht. Ihre vor eineinhalb Jahren erstmals der Öffentlichkeit präsentierten Bakterien dürften auf gar keinen Fall aus irgendeinem Labor entweichen! Denn erst jetzt wurde mit der Methode der synthetischen Nahrungszufuhr, die sich obendrein nur bei kürzeren Laborversuchen bewähren mußte, eine Sicherheitsmaßnahme eingeführt, die das Bakterium eigentlich schon früher gebraucht hätte.

Somit haben Church und seine Kollegen erst die Gefahr in die Welt gebracht und anschließend das Gegenmittel dazu erfunden. Indirekt gibt der Forscher das selbst zu, wenn er jetzt (und nicht schon 2013) sagt:

"Vom taktischen Gesichtspunkt her ist es das erste Mal, daß irgend jemand einen Organismus hat, der sehr widerstandsfähig sein, aber nichtsdestotrotz nicht aus dem Labor entweichen kann." [7]

An dieser Stelle ist es wichtig, nicht aus den Augen zu verlieren, daß die Genetiker Lebensformen in die Welt setzen, deren Gefahrenpotential sie prinzipiell nicht einschätzen können, da sie neuartig sind. Wenn Church eine Recodierung des Erbguts von Pflanzen, das rund neunmal mehr Gene als E. coli enthält, für grundsätzlich machbar hält, so daß diese auf die Versorgung mit synthetischen Aminosäuren zwingend angewiesen sind, und seine Idee eines Tages verwirklicht würde, dann könnten all die hier geschilderten Gefahren regelrecht entufern.


Eine Herausforderung für Viren und Bakterien

In der Welt der Mikroorganismen findet ein ständiges Geben und Nehmen von sogenannten Genen statt, auch über Artgrenzen hinweg. Wenn die Forscher sagen, daß sie während des Untersuchungszeitraums keine dauerhaften Mutationen beobachtet haben, bedeutet das dann, daß die synthetischen E.-coli-Bakterien aufgrund ihres neuen Genoms die Fähigkeit ganz und gar verloren haben, sich mit anderen Mikroorganismen auszutauschen? Dazu sagt Church, daß, wenn nur die Abweichung groß genug ist, der genetische Code eine Barriere wie keine andere, die jemals im Reich des Lebens existiert hat, darstellt. [5]

Doch welche langfristigen Folgen hätte es, wenn die Bakterien dauerhaft vom genetischen Austausch abgeschnitten sind? Werden sie dies als Mangel empfinden und irgendwann zusätzliche Eigenschaften entwickeln, um ihn zu kompensieren, und vielleicht sogar ausgerechnet Eigenschaften annehmen, die es so in der Natur bisher nicht gab, da es auch den von Menschen erzeugten "Mangel" im Genom bzw. die Abweichung von der Natur bisher nicht gab? Werden solche Mikroorganismen dann zum Ausgangspunkt und Katalysator einer ganz neuen Evolution des Lebens innerhalb des Sphäre der Mikroben?

Ist es ausgeschlossen, daß sich andere Bakterien die Virusunempfindlichkeit zu eigen machen oder vielleicht auch nur von der Idee, daß so etwas möglich ist, zu eigenen "Versuch-und-Irrtum-Experimenten" angeregt werden, ohne daß sie damit gleichzeitig die existentielle Abhängigkeit von der synthetischen Nahrungszufuhr übernehmen müßten? Würde so ein Bakterium dann zu einer Art Supersoldat, der gegenüber den ihn bedrohenden Umweltgefahren (zum Beispiel Antibiotika ...) bestens gewappnet ist?

Nochmals weiter gefragt: Wie würden die Viren, die plötzlich auf Wirte stoßen, in die sie nicht mehr eindringen können, reagieren? Werden sie die Herausforderung annehmen, nachrüsten und eines Tages die Grenze überwinden? Inwiefern könnten sich solche sekundären Folgen negativ auf den Menschen auswirken?

Diese Fragen greifen dem Stand der Entwicklung weit voraus, sind aber durchaus schon jetzt relevant, zumal die hier präsentierte Grundlagenforschung von den Medien nahezu kritiklos kolportiert wird. Kommentare und Einlassungen bleiben stets systemimmanent, wie die Aussage von Karmella Haynes, Assistenzprofessorin an der School of Biological and Health Systems Engineering der Staatsuniversität von Arizona, in einer Email an den "Boston Globe" beispielhaft zeigt:

"Das Problem besteht darin, daß wir auf die Schnelle nicht von jedem einzelnen GMO, der produziert wurde, sagen können, ob er für Mensch und Umwelt absolut sicher oder absolut unsicher ist. Es wäre das letzte, was wir wollen, würden wir erst durch eine versehentliche Freilassung feststellen, daß etwas gefährlich ist. Ich habe den Eindruck, daß diese Forschung einen Entwicklungssprung zu einem verläßlichen Schalter zur Kontrolle von GMOs macht." [6]

Es sei denn, daß jene, vor denen man sich mit diesem "Entwicklungssprung" schützen will, selbigen ebenfalls ausführen ... eine Fähigkeit der Mikroorganismen, der aus der Geschichte der Antibiotikaentwicklung hinlänglich vertraut sein sollte. Wie oft schon hat der Mensch irrtümlicherweise angenommen, daß er endlich das ultimative Werkzeug gegen die Bakterien in Stellung gebracht hat!

Interessant an Haynes' Aussage ist auch das, was nicht direkt ausgesprochen wird, sich aber logisch daraus herleiten läßt. Vielleicht kann man den Standpunkt der Forscherin nicht verallgemeinern, aber sie hat erklärt, daß aus ihrer Sicht bisher noch kein zuverlässiger Kontrollmechanismus für gentechnisch veränderte Organismen existiert. Und das aus dem Munde einer Wissenschaftlerin, der man sicher nicht nachsagen kann, daß sie Vorbehalte gegenüber der Gentechnologie hegt.


Konstrukte

Bezeichnungen wie "Code", "Schrift", "Übertragung", "Lesen", "Umprogrammierung", "Genomsequenz", "Baustein", etc. erwecken den Eindruck, als glaubten die Wissenschaftler, sie hätten es mit einem Lego-Baukasten zu tun, in dem alles wohlgeordnet und überschaubar ist und die Variationsmöglichkeiten abzählbar sind. Dabei sind jedoch viele grundsätzliche Fragen an die Plausibilität der Theorie der Genetik, die in der Vergangenheit bestenfalls angedeutet wurden, schon wieder in Vergessenheit geraten, noch bevor sie gestellt wurden, bzw. sich die Forschung ihnen gestellt hat. Sie wurden scheinbar beantwortet, da ja die Praxis angeblich das Gegenteil beweist, denn es wurden und werden Entdeckungen und Erfindungen von Leuten gemacht, die sich auf das Gen-Modell berufen.

Doch so einfach ist das nicht. Der sogenannte genetische Code ist und bleibt eine Konstruktion. Ein Code ist laut dem Wirtschaftslexikon Gabler die "Vorschrift für die eindeutige Zuordnung der Zeichen eines Zeichenvorrats zu denjenigen eines anderen". [8]

Wäre der genetische Code "eindeutig", dürfte es eigentlich keine keine unbekannten Code-Bestandteile und Unsicherheiten bei ihrer Anwendung geben. Wenn beispielsweise zwei Personen per Morse-Alphabet miteinander kommunizieren, darf über die Abfolge der Laute keine Unklarheit vorherrschen. Streng genommen bräuchten die Genetiker überhaupt keine Experimente durchzuführen, wenn sie exakt vorhersagen könnten, welche Auswirkungen die mikrobiologischen Eingriffe am sogenannten Genom hätten. Es dürfte eigentlich keine Überraschungen geben, weil ja alles verstanden ist.

Das ist es natürlich nicht. Deshalb wissen die Forscher nicht, was sie tun, wenn sie etwas in ihren Augen Neues schaffen, das so in der Natur bisher nicht existiert hat. Aber sie wissen sehr wohl, was sie tun, wenn sie diesen Umstand immer wieder ignorieren.


Fußnoten:

[1] http://www.nature.com/nature/journal/vaop/ncurrent/full/nature14121.html
und
http://www.nature.com/nature/journal/vaop/ncurrent/full/nature14095.html

[2] http://www.deutschlandfunk.de/synthetische-biologie-bakterien-mit-wegfahrsperre.676.de.html?dram:article_id=309463

[3] http://www.latimes.com/science/sciencenow/la-sci-sn-gmo-escape-20150121-story.html

[4] http://news.sciencemag.org/biology/2015/01/genetic-firewall-holds-engineered-microbes-captive

[5] http://www.scientificamerican.com/article/new-life-made-with-custom-safeguards/

[6] http://tinyurl.com/mry5geh

[7] http://tinyurl.com/oct28m5

[8] http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/5159/code-v10.html

27. Januar 2015


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