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KLIMA/280: Milliarden Menschen von Klimawandel betroffen (SB)


Berufsständisches Interesse und Pseudobetroffenheit

Neuer Klimabericht des UN-Umweltprogramms


Schlag auf Schlag wird die Öffentlichkeit derzeit mit apokalyptisch anmutenden Klimaberichten befeuert. Experten prognostizieren die furchterregendsten Schreckensszenarien und überbieten sich dabei am laufenden Band. So hat das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) in diesem Jahr mehrere Berichte veröffentlicht, denen zufolge noch in diesem Jahrhundert viele Millionen Menschen massiv vom Klimawandel bedroht sein werden. Nun überbietet das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) dessen Angaben und schreibt, daß womöglich "Milliarden" Menschen betroffen sein werden. Ein steigender Meeresspiegel, das Abtauen der Hochgebirgsgletscher und die Verknappung von Trinkwasser werden als zentrale Bedrohungsfaktoren genannt.

"Schätzungsweise 40 Prozent der Weltbevölkerung könnten durch den Verlust an Schnee und Gletschern in den Gebirgen Asiens betroffen sein", heißt es in dem Bericht "Globaler Ausblick für Eis und Schnee", den das UN-Umweltprogramm am Vorabend des gestrigen Weltumwelttags veröffentlicht hat und der im Internet nachzulesen ist. Sechseinhalb Milliarden Menschen auf diesem Planeten hätten ihren Lebensstil in einer bestimmten Realität verwirklicht; diese Realität verändere sich viel schneller als erwartet, erklärte UNEP-Direktor Achim Steiner. Ergänzend dazu warnte die norwegische Umweltministerin Helen Bjoernoey bei der Vorstellung des UNEP-Berichts in der nordnorwegischen Stadt Tromsö, daß jüngere wissenschaftliche Untersuchungen darauf hindeuteten, daß der in diesem Jahr veröffentlichte 4. Zustandsbericht des IPCC über die Geschwindigkeit des Klimawandels sogar noch übertroffen werde.

Die Forscher beschreiben detailreich die möglichen Folgen des Klimawandels im Verlauf dieses Jahrhunderts, aber sagen gleichzeitig, daß ihre Prognosen zum Meeresspiegelanstieg, zur Temperaturentwicklung, zum Verlust der Eis- und Schneedecken und Auftauen der Permafrostböden und Methanemissionen von großer Unsicherheit geprägt sind, weil es zu Rückkopplungseffekten kommen kann.

Die lassen sich nur schwer berechnen. Ein einfaches und immer wieder beliebtes Beispiel für solche sich selbst verstärkenden Wirkungen ist das arktische Meereis. Dessen Ausdehnung ist in den letzten Wintern und Sommern im Vergleich zu zurückliegenden Jahrzehnten deutlich geschrumpft. Die weiße Oberfläche sorgt aber zu einer Reflektion der Sonnenenergie um 70 bis 80 Prozent. Dringt die Wärme hingegen weitgehend ungehindert ins eisfreie Wasser, heizt sich dieses auf und läßt die Meereisfläche schrumpfen, und so weiter.

Das sind Prozesse, die bereits vielfach beschrieben wurden und zweifellos ein düsteres Zukunftsbild entwerfen. Der IPCC warnt. Die UNEP warnt. Auch auf dem G-8-Gipfel in Heiligendamm wird vor den Folgen des Klimawandels gewarnt. Was ist von all diesen Appellen zu halten? Sie erfüllen im wesentlichen zwei Funktionen und damit nur eine. Einerseits wird bei der Öffentlichkeit eine Immunreaktion ausgelöst. Abgesehen von wenigen besonders interessierten Personen werden die meisten Menschen nichts mehr von dem Klimawandel hören wollen. Andererseits wird von den Politikern der Eindruck erweckt, sie besäßen die Fähigkeit, daß mittels der von ihnen beschlossenen Maßnahmen der Klimawandel einzudämmen sei - mehr noch, als ginge es ihnen tatsächlich darum zu verhindern, daß es zu den prognostizierten Verlusten an Menschenleben kommt. Das ist in Frage zu stellen.

Der Klimawandel wird vor allem Menschen in Entwicklungsländern treffen, da sie am wenigsten Mittel haben, sich gegen die negativen Auswirkungen zu schützen. Es sind jedoch keinerlei Anzeichen zu bemerken, daß das Problem "Klimafolgen in Armutsländern" auf der politischen Entscheidungsebene ernsthaft behandelt wird. Statt dessen sieht es so aus, als würde das Klimaproblem ähnlich behandelt wie das Problem des Hungers.

Laut UN-Angaben leiden 854 Millionen Menschen weltweit chronisch an Hunger. Von diesen verenden Jahr für Jahr mehrere Dutzend Millionen mangels Nahrung. Weitere zig Millionen sterben, weil sie unterernährt und dadurch besonders anfällig für Krankheiten sind. Wenn es Politikern und anderen sogenannten Sachverständigen wirklich darum ginge, Menschenleben zu retten, dann bräuchten sie nicht auf den Klimawandel zu warten. Die Not ist bereits da. Und weil sie da ist, und keine wirksamen Maßnahmen zu ihrer Aufhebung ergriffen werden, demaskiert sich ein großer Teil der Klimadebatte als berufsständisches Interesse und Pseudobetroffenheit.

6. Juni 2007