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KLIMA/327: EU instrumentalisiert Katastrophenhilfe für Myanmar (SB)


Nach dem Wirbelsturm "Nargis"

Myanmar will Kontrolle über Modus der Katastrophenhilfe behalten

EU-Außenbeauftragter Javier Solana und EU-Entwicklungshilfeminister drohen mit Intervention


Die Regierung Myanmars muß nicht nur mit den kaum bewältigbaren Problemen aufgrund des verheerenden Wirbelsturms "Nargis" zurechtkommen, sondern sich auch wachsender militärischer Interventionsabsichten westlicher Staaten erwehren. Die USA und EU mögen noch so viele Hilfsgüter in Aussicht stellen, sie erweisen den notleidenden Menschen in dem asiatischen Land einen Bärendienst, indem sie massiven Druck auf ihre Regierung ausüben und sie zu großer Vorsicht nötigen.

Beispielsweise haben sich die Entwicklungshilfeminister der Europäischen Union am Dienstag auf Einladung des EU-Kommissars Louis Michel zu einer Dringlichkeitssitzung getroffen und in einer schriftlichen Stellungnahme erklärt, daß die EU "jede Initiative, einschließlich die von UN-Einrichtungen, die helfen könnten, die humanitären Bedürfnisse des burmesischen Volkes zu decken," zu unterstützen bereit ist (EU-Observer, 13.5.2008).

Damit senden die EU-Minister ein klares Signal in Richtung Myanmar (Burma), welches zeigt, daß die "Helfer" sich nicht scheuen, die gegenwärtige Schwäche der militärischen Führung des Landes auszunutzen, um unter dem Vorwand, ja nur humanitäre Hilfe leisten zu wollen, in das Land einzumarschieren. Daß dies wahrscheinlich keine großen Kontingente sein werden, spielt keine Rolle, entscheidend ist das Prinzip.

Die burmesischen Behörden sollten der internationalen Hilfe einen "freien und unbehinderten Zugang" einräumen, verlangen die Europäer - eine Forderung, die jeder Staat, der auf seine Souveränität bedacht ist, nur aufs schärfste zurückweisen kann. Oder was hätten die deutschen Behörden wohl geantwortet, wenn sich das Militär Myanmars während des Oder-Hochwassers 1997 angemaßt hätte, freien Zugang nach Deutschland zu verlangen? Selbstverständlich, die heutige Katastrophe in Myanmar ist um Potenzen größer, doch hier geht es um Grundsatzfragen: Welcher Staat darf sagen, daß die Souveränität eines anderen Staates aufgehoben ist? Und nach welchen Kriterien wird sie aufgehoben?

Im übrigen haben die myanmarischen Behörden ausländische Rettungskräfte ins Land gelassen. Es ist kein Zufall, daß sie bei westlicher Hilfe größere Bedenken hegten als bei Hilfe aus asiatischen Ländern, von denen sie weniger zu befürchten haben.

Die Erklärung des EU-Außenbeauftragten und ehemaligen NATO-Generalsekretärs Javier Solana vor Pressevertretern im Vorfeld des EU-Treffens, daß "wir alle Mittel haben, um diesen Menschen zu helfen," und, daß "die Charta der Vereinten Nationen einige Wege eröffnet, falls die Dinge nicht gelöst werden können, damit die humanitäre Hilfe ankommt (...) in einem Land, das eine Katastrophe erlebt - wie in Myanmar, in dem die Führer des Landes nicht eine schnelle und gut organisierte Hilfslieferung zulassen", kann man nur als Bedrohung auffassen.

Solana bestätigte diesen Eindruck, als ein Pressevertreter nachfragte und wissen wollte, ob dies bedeute, daß andere Staaten Gewalt einsetzen sollten, um ohne die Erlaubnis der myanmarischen Behörden Hilfe zu bringen: Die internationale Gemeinschaft sollte tun, "was auch immer notwendig ist, um den notleidenden Menschen zu helfen", erwiderte Solana.

Typischerweise versuchten die EU-Staaten ihre - zur Zeit noch - verbale Aggression hinter wohlfeilen Worten zu verstecken: Die europäische Hilfe sei "neutral, unparteiisch und unabhängig", wurde behauptet, ganz so, als hätte man nicht im gleichen Atemzug dem Interventionismus das Wort geredet. Solana bezog sich, ebenso wie vergangene Woche der französische Außenminister Bernard Kouchner, auf das UN-Prinzip "Responsibility to Protect" (Verantwortung zu schützen), das die Vereinten Nationen im Jahr 2005 angenommen haben und das besagt, daß Kräfte von außerhalb humanitär intervenieren dürfen, wenn ein Staat nicht willens oder unfähig ist, massive Menschenrechtsverletzungen zu verhindern.

Vor diesem Hintergrund unverhohlener interventionistischer Absichten sollte es nicht wundern, wenn die myanmarische Militärregierung das Land nur sehr langsam für die Heerscharen an Rettungshelfern von anderen Kontinenten öffnet und sich auch die Kontrolle über die Verteilung an Hilfsgütern nicht aus der Hand nehmen lassen will. Der Aufmarsch von Kriegsschiffen unter anderem aus den USA und Frankreich vor der Küste Myanmars trägt sicherlich nicht zur Beruhigung der Regierung bei.

Wie aber wäre der Bevölkerung zu helfen, die natürlich so schnell wie möglich Hilfe erhalten soll? Zur Beantwortung dieser Frage müßte eigentlich weit ausgeholt werden, beispielsweise bis in jene Zeit zurück, als westliche Regierungen kein Problem damit hatten, das repressive Regime in Burma zu unterstützen und es sogar mit Waffen zu beliefern, unter anderem aus deutscher Fertigung (german foreign policy, 13.5.2008).

Beschränkt sich dagegen die Analyse auf die aktuelle Notlage, so wäre zunächst einmal seitens der westlichen Regierungen äußerste Zurückhaltung hinsichtlich ihrer sonstigen politischen Ambitionen zu üben. Wer dagegen die myanmarische Regierung unter Druck setzt, instrumentalisiert die Not der Menschen. Wichtig wäre es gewesen, das Vertrauen der Militärs zu gewinnen, indem man Hilfe sein läßt, was sie ist: Hilfe. Sobald sie jedoch an Bedingungen geknüpft wird, handelt es sich um eine Handelsabsicht. Wer aber mit den Machthabern in Myanmar Handel treiben will, muß sich nicht wundern, wenn diesen der Preis für westliche Katastrophenhilfe zu hoch erscheint.

Das gesamte Szenario - Naturkatastrophe in einem Land mit einer vom Westen unerwünschten Regierung und politische Instrumentalisierung der Not durch die EU und USA - liefert einen Vorgeschmack auf kommende Zeiten des Klimawandels, in denen Naturkatastrophen den willkommenen Anlaß für Interventionen jedweder Art liefern.

14. Mai 2008