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KLIMA/360: Der Zug der Klimaflüchtlinge geht nach Norden (SB)


Lokale Klimakonferenz im Bundesstaat Washington

Vorbereitung auf wachsende Zahl von Klimaflüchtlingen


Die arktischen Regionen gewinnen im Zuge des Klimawandels nicht nur deshalb an Attraktivität, weil sich neue Schiffahrtswege auftun und Lagerstätten für Erze und fossile Energieträger zugänglicher werden, sondern auch, weil sie Lebensraum für Menschen bieten, die vor der unerträglichen Hitze in den Tropen und Subtropen nach Norden fliehen werden. Einerseits zieht zwar das Aufschmelzen des Permafrostbodens in Nordamerika, Sibirien und auf den arktischen Inseln erhebliche Probleme nach sich, da sich der feste Baugrund in Matsch auflöst, andererseits werden die Regionen generell lebensfreundlicher.

Im US-Bundesstaat Washington fand diese Woche eine Konferenz zum Klimawandel statt, auf der sich unter anderem Politiker und Wissenschaftler darüber austauschten, welche Probleme vermutlich künftig auftreten werden, wenn sich die Erde weiter erwärmt. "Klimaflüchtlinge" standen im Mittelpunkt der Diskussion. Feuersbrünste, Hitzewellen und andere Katastrophen werden dafür sorgen, daß immer mehr Klimaflüchtlinge nach Norden ziehen, konstatierten die Konferenzteilnehmer, wie die Zeitung "Seattle Post-Intelligencer" am Donnerstag meldete. [1]

"Wir werden einen Zustrom von Klimaflüchtlingen erleben. Das wird einen enormen Einfluß auf die öffentliche Gesundheit haben", sagte der Epidemiologe Richard Hoskins von der Washingtoner Gesundheitsbehörde auf der "Washington Climate Change Impacts Conference", die in Seattle veranstaltet wurde. Ländliche Regionen seien bereits medizinisch deutlich unterversorgt. Viele Klimaflüchtlinge werden arm sein und die Gesundheitsdienste besonders beanspruchen, so Hoskins. Aus Studien von der ganzen Welt sei bekannt, daß Menschen, die in einer heruntergekommenen Umgebung leben, eher krank werden.

Unter den Konferenzteilnehmern herrschte der Tenor vor, daß sich Washington State dringend auf die zu erwartenden Klimaflüchtlinge vorbereiten muß und daß dies alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens betrifft.

Die Dauer von Hitzewellen im Bundesstaat Washington dürfte sich bis 2025 verdoppeln, nehmen Klimaforscher an. Insbesondere ältere und geschwächte Menschen sind davon betroffen. Man habe gar keine Erfahrungen mit Hitzewellen von künftig vielleicht zehn Tagen, warnte J. Elizabeth Jackson von der Soziologischen Fakultät der Universität von Washington. In Seattle könnte es dann zusätzlich 101 Hitzetote im Jahr geben, warnte die Wissenschaftlerin, die gemeinsam mit Kollegen eine Studie zu dem Thema erstellt hat. Wärme und Bevölkerungswachstum werden die Luftverschmutzung antreiben und zur stärkeren Bildung bodennahen Ozons führen; beides wiederum wird mehr Atemwegserkrankungen und Tote nach sich ziehen, wußten andere Forscher zu berichten.

Wenn die Behördenvertreter in Washington State von "Klimaflüchtlingen" sprechen, dann meinen sie nicht nur die Bewohner lateinamerikanischer Staaten, die illegal über die Grenze in die USA einwandern, sondern auch US-Bürger, denen es in Kalifornien, Texas oder anderen südlichen Bundesstaaten zu heiß wird und die nach Norden ziehen. Es handelt sich um einen schleichenden Zustrom von Menschen, für die das Klima nicht einmal in allein Fällen der einzige oder Hauptgrund sein muß, weswegen sie nach Norden abwandern.

Die Menschen sind nicht die einzige Spezies auf dem Planeten, die im Zuge des Klimawandels den kühleren Norden aufsucht, auch Pflanzen "flüchten" nach Norden oder aber, falls möglich, die Berge hinauf. Und vor kurzem veröffentlichten US-Wissenschaftler eine Studie, derzufolge sich 20 Vogelarten weiter nach Norden ausgebreitet haben, weil die Temperaturen in ihrem angestammten Lebensraum gestiegen sind. Abgesehen von Vögeln wandern auch die Fische in nördlichere Gewässer bzw. Meeresgebiete ab, wie die kanadische Zeitung "The Star" meldete. [2]

Die Forscher William Cheung von der Universität von East Anglia in England und Daniel Pauly von der kanadischen Universität von British Columbia sagten laut dem "Star" kürzlich auf einer Fischkonferenz im englischen Bath, daß viele Fischarten nach Norden ziehen, im Durchschnitt 40 Kilometer pro Dekade, um für sie geeignetere Habitate aufzusuchen. Problematisch werde es jedoch für Fische, die bereits in kälteren Gewässern leben, da sie nicht mehr ausweichen können. Sie werden aussterben, prophezeite Pauly und fügte an: "Wenn wir nicht das Problem der Treibhausgasemissionen lösen, wird es eine weitere Phase eines weitläufigen Artensterbens geben."

Bis jetzt hat es nicht den Anschein, als würde der Mensch das Problem der Treibhausgasemission in den Griff bekommen. So hatten norwegische Forscher im Dezember auf Spitzbergen einen Kohlendioxidanteil in der Atmosphäre von 392 ppm (parts per million) registriert - eine Zunahme um zwei bis drei ppm gegenüber dem Vorjahresmonat, schrieb News24 unter Berufung auf Reuters. [3]

Fische, Vögel und Pflanzen werden es nicht einfach haben, nach Norden zu ziehen, weg von den Hitzezonen, die von den Klimaforschern vorhergesagt werden. Die Menschen aber, die in die kühleren Erdregionen abwandern wollen, werden womöglich von ihrer eigenen Art massiv daran gehindert. Die Anzeichen sind nicht zu übersehen: Die USA errichten einen mehrere Milliarden Dollar teuren Hightech-Zaun an ihrer Südgrenze, und die Europäische Union schottet sich ebenfalls gegenüber Flüchtlingsströmen aus dem Süden ab.


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Anmerkungen:

[1] "State not ready for 'climate refugees'. Scientists warn of migration, sickness", Seattle Post-Intelligencer, 12. Februar 2009.
http://seattlepi.nwsource.com/local/399958_climate13.html?source=rss

[2] "Climate change will force fish to find cold water: Study", The Star, 12. Februar 2009.
http://www.thestar.com/article/586713

[3] "CO2 hits new peaks", 13. Februar 2009.
http://www.news24.com/News24/Technology/News/0,,2-13 -1443_2469037,00.html

13. Februar 2009