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KLIMA/378: USA vor landwirtschaftlichem Produktionsrückgang (SB)


Neue Studie zum Einfluß des globalen Klimawandels auf die USA

Weitreichende Folgen für die Landwirtschaft


Die landwirtschaftliche Produktivität der Vereinigten Staaten von Amerika wird voraussichtlich aufgrund des Klimawandels zurückgehen. So lautet eine von mehreren wesentlichen Schlußfolgerungen des am 16. Juni von der US-Regierung veröffentlichten Berichts "Global Climate Change Impacts in the United States" [1]. Wie der Titel schon ahnen läßt, handelt es sich um eine umfassende Analyse und Bewertung der bereits stattgefundenen klimatischen Veränderungen, damit daraus Prognosen abgeleitet werden, anhand derer die Bundesregierung in Washington, die einzelnen Staatsregierungen und auch Privatmenschen Maßnahmen ergreifen können, um erstens den menschlichen Anteil an der Erderwärmung zu reduzieren und zweitens ihre Folgen zu kompensieren.

Die zentralen Schlußfolgerungen unter der Rubrik "Agriculture" lauten:
- Viele Nutzpflanzen reagieren positiv auf eine Zunahme von Kohlendioxid und eine geringere Erwärmung, aber eine stärkere Erwärmung wirkt sich meist negativ auf Wachstum und Ertrag aus.
- Extremereignisse wie Starkregen und Dürren werden wahrscheinlich die Erträge verringern, weil ein Überangebot oder ein Mangel an Wasser das Pflanzenwachstum negativ beeinflußt.
- Unkräuter, Krankheiten und Insektenschädlinge profitieren von der Erwärmung, wobei Unkräuter außerdem von einer höheren Kohlendioxidkonzentration begünstigt werden, was den Streß auf die Nutzpflanzen erhöht und eine vermehrte Aufmerksamkeit auf die Schädlings- und Unkrautkontrolle erforderlich macht.
- Die Qualität von Viehfutter auf Wiesen und Weiden nimmt generell mit einer steigenden Kohlendioxidkonzentration ab, weil diese sich auf den Pflanzenstickstoff und Proteingehalt auswirkt. Die Fähigkeit des Lands, angemessenes Viefutter zu liefern, wird reduziert.
- Eine Zunahme der Hitze, Krankheiten und Wetterextreme verringern wahrscheinlich die Produktivität der Viehhaltung.

Die Autoren der Studie rechnen damit, daß die Nachteile für die Landwirtschaft aufgrund des Klimawandels die Vorteile deutlich überwiegen. Die Fähigkeit der Vereinigten Staaten, Nahrung, Viehfutter und Agrosprit zu produzieren, werde einem starken Druck ausgesetzt, heißt es. Höhere Temperaturen verkürzen die Reifung des Getreides "dramatisch", was die Erntemenge verringert. Für Mais, Weizen, Sorghum, Bohnen, Soja, Erdnüsse und Baumwolle gilt das selbst dann, wenn die Temperaturen nur geringfügig steigen.

Einen beträchtlichen Einfluß auf das Pflanzenwachstum haben auch die Nachttemperaturen. Die sind in den letzten Jahrzehnten sogar noch kräftiger gestiegen als die Tagestemperaturen, was den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus der Pflanzen stört, die Verdunstungsrate erhöht und schlußendlich zum Ergebnis hat, daß die Erträge geringer ausfallen. Eine Erderwärmung wird auch die Konzentration des bodennahen Ozons, die in den letzten 50 Jahren in den Landgebieten nicht nur der Vereinigten Staaten zugenommen hat, weiter erhöhen und dadurch das Pflanzenwachstum beeinträchtigen, was die Herausbildung kleinerer Getreidekörner zur Folge hat.

Die jahrzehntelange Statistik über Erntemengen und Klimaereignisse in Nordamerika zeigt klar, daß Dürren und übermäßig starke Regenfälle zu starken Verlusten geführt haben, selbst wenn die klimatischen Extremereignisse nur an wenigen Tagen auftraten. Wenn aber große Hitze oder Nässe ausgerechnet in die Reifeperiode der Früchte fällt, kann dies eine ganze Ernte verderben. Ein weiterer, wenig beachteter Effekt: Herbizide verlieren in einer Umgebung mit einer höheren CO2-Konzentration ihre Wirkung. Das könnte bedeuten, daß auf die Farmer in den nächsten Jahrzehnten allein als Folge dieses einen Effekts bereits enorm hohe Kosten zukommen.

Die Autoren der Studie liefern keine konkreten Prognosen über die zu erwartenden Ernteeinbußen, und so kann man nur zwischen den Zeilen lesen, daß ihnen die Entwicklung einige Sorgen bereitet. Zumal sich die einzelnen Probleme gegenseitig verstärken. Das heißt beispielsweise, daß die ebenfalls vorhergesagte generelle Verknappung der Wasserverfügbarkeit mit den oben beschriebenen Folgen des Klimawandels für die Landwirtschaft korrespondiert.

Voraussagen über die wahrscheinliche politische Entwicklung auch nur für die nächsten zwanzig Jahre zu treffen fällt schwer, wie ein Blick zurück auf das Jahr 1989 verdeutlicht. Wer hätte damals gedacht, daß die Welt im Jahre 2009 so aussehen wird, wie sie heute aussieht?

Dennoch können auf der Grundlage der heute eingeleiteten politischen Entwicklungen generelle Trends für die nächsten ein, zwei Jahrzehnte ausgemacht werden. So dürfte sich in Zeiten des Klimawandels mit all seinen negativen Folgen eine aggressivere, unverhohlen räuberischere Außenpolitik durchsetzen, da sich die Ressourcenlage verengt. Die Überfälle der NATO-Staaten auf Jugoslawien, Afghanistan und Irak liefern einen Vorgeschmack auf die künftigen Versuche, Kontrolle über Lebensräume - verstanden als Sammelbegriff u. a. für Ressourcen wie Erdöl, Erdgas, aber auch für pflanzliche und tierische Ressourcen, Humankapital und Absatzmärkte -, die von Menschen anderer Nationen beansprucht werden und besetzt sind, zu erlangen.

Steht den Menschen das Wasser bis zum Hals, wird nicht die große Solidaritätsbewegung in der Menschheit einsetzen, sondern es wird auf ein Hauen und Stechen um die verbliebenen trockenen Plätze geben. Wie EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner und der EU-Außenbeauftragte Javier Solana im vergangenen Jahr in einem gemeinsamen Papier zum Klimawandel feststellten: Er dient als "Verstärker" bestehender Konflikte.

Anmerkungen:

[1] http://globalchange.gov/publications/reports/scientific-assessments/us-impacts/full-report

18. Juni 2009