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KLIMA/393: Klima-Camp - Aktion vor der Climate Exchange in London (SB)


Aktivisten lehnen Handel mit Kohlenstoffzertifikaten ab


Geschäft bleibt Geschäft, ob es in der Absicht des Klimaschutzes getätigt wird oder nicht. Wenn also Aktivisten eines britischen Klima-Camps in der City of London vor jener Börse, an der mit Verschmutzungsrechten gehandelt wird, lautstark protestieren, dann wenden sie sich nicht gegen Klimaschutz, sondern gegen Geschäftemacherei.

Die Demonstranten hatten sich am Donnerstag vorübergehend im Eingangsbereich des Climate Exchange aufgebaut und eine phantasievolle Aktion, in der sie die Börsenzockerei nachgestellt haben, durchgeführt. Es handelte sich um den Auftakt einer Reihe von Aktionen, die innerhalb von sieben Tagen im Zeichen des Klimaschutzes durchgezogen werden sollen. In diesem Fall richtet sich die Kritik unter anderem gegen den Handel mit Kohlenstoffzertifikaten, die anfangs von den Regierungen der Europäischen Union kostenlos ausgeteilt wurden, ohne daß die Unternehmen genötigt waren, ihre Kohlendioxidemissionen zu reduzieren.

Die Geschäftemacherei auf Regierungsebene läuft wiederum darauf hinaus, daß die CO2-Emissionen nicht notwendigerweise im eigenen Land gesenkt werden müssen, da die Verschmutzungsrechte anderen Staaten, die diese nicht in Anspruch nehmen, abgekauft werden können. Oder aber es werden Energiesparmaßnahmen in Entwicklungs- oder Schwellenländern finanziert und als eigene CO2-Reduzierung angerechnet. Hinter dem Handel mit Klima-Zertifikaten steckt die Vorstellung, daß es dem Klima egal ist, an welchem Ort weniger Treibhausgase produziert werden, wichtig ist nur, daß es geschieht.

Die Klima-Aktivisten protestieren also ausgerechnet vor den Toren einer Einrichtung, die sich dem Klimaschutz verpflichtet hat. Das ist nur dem Anschein nach widersinnig. Denn Climate Exchange ist zugleich eine Einrichtung, die eine Wirtschaftsweise repräsentiert, die den Klimawandel wesentlich mitverursacht hat. Die Börse steht für die Unwertproduktion und Kapitalakkumulation der modernen Industriegesellschaft. Sie ist Teil des Problems, nicht der Lösung.

Dem Klimaschutzprotokoll von Kyoto, das den Handel mit Verschmutzungsrechte gestattet, ist somit eine wichtige Übergangsfunktion zu attestieren. Es bildet die Schnittstelle zwischen der klassischen Industriegesellschaft des 20. Jahrhunderts und der Ressourcenmangelgesellschaft von morgen. Anstatt die Treibhausgase jeweils vor Ort einzusparen, wodurch das ganze System und damit auch die privilegierte Stellung weniger Menschen gegenüber vielen in Frage gestellt worden wäre, können sich dank dem Kyoto-Protokoll die relativ reichen Staaten, die ihre weltweit führende Wirtschaftsposition in den letzten rund 150 Jahren zu Lasten des Klimas ausgebaut haben, von ihrer Verantwortung freikaufen und das bisherige Akkumulationssystem nicht nur in die neue Zeit der Mangelverwaltung hinüberretten, sondern sogar, mit einem grünen Anstrich versehen, ständig weiter qualifizieren.

Mit jeder Öko-Kampagne soll die Verfügungsgewalt des Staates weiter ausgebaut werden. Schon heute lautet die allgemeine Lesart, daß nicht die auf möglichst hohen Verbrauch zielenden Produktionsverhältnisse (und damit deren Nutznießer) den Klimawandel vorangetrieben haben, sondern dicke Menschen und Fleischesser. Sie werden regelrecht zu Sündenböcken erklärt. Vor diesem Hintergrund wird in der City of London passenderweise gegen die Scheinheiligkeit von Klimaschutzmaßnahmen protestiert, die primär das System legitimieren sollen.

28. August 2009