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KLIMA/638: Emissionsschutz - Luftverkauf ... (SB)



Der internationale Klimaschutz unter Ägide der Vereinten Nationen krankte von Anfang an daran, daß die dringend gebotenen Maßnahmen gegen die globale Erwärmung mit ökonomischen Interessen verbunden, ja, diesen sogar nachgeordnet wurden. Die Bundesrepublik Deutschland beispielsweise gilt als wirtschaftlich gesund, wird jedoch absehbar nicht nur die selbstgesteckten Klimaschutzziele [1], sondern auch die weniger ambitionierten Ziele der Europäischen Union in Sachen Klimaschutz verfehlen. Und was passiert? Muß Deutschland nun radikale Maßnahmen ergreifen, um den Verpflichtungen bis zum Jahr 2020 doch noch nachzukommen? Wird zu dem Preis entgangener Einnahmen aus dem zur Zeit lukrativen Stromexport eine Reihe von Kohlekraftwerken abgeschaltet, so daß die CO2-Emissionen hierzulande reduziert werden? Wird der Braunkohletagebau gestoppt, weil die Regierung den Klimanotstand erkannt hat und selbstverständlich regulatorisch durchgreift, um seine Ziele noch zu erreichen? Oder werden die besonders PS- und somit emissionsstarken Autos, wie sie für deutsche Autobauer typisch sind, ausgebremst und das Verkehrsaufkommen insgesamt verringert?

Nein, nein und nochmals nein. Deutschland wird für die Jahre 2016 und '17 ein in früheren Jahren angesammeltes Plus an Emissionseinsparungen in Rechnung stellen, darf für 2018 eine Anleihe an die Zukunft machen und Emissionsrechte aus dem nächsten Jahr in Anspruch nehmen, um sich schließlich in den Jahren 2019 und 2020 von seinen gesamten Klimaschulden über den Erwerb von Emissionsrechten freizukaufen. Die sind zur Zeit äußerst preiswert zu haben und werden der Bundesrepublik nicht im mindesten Schmerzen bereiten. So einfach geht Klimaschutz, wenn die Ökonomie das Sagen hat.

So einfach geht Klimaschutz selbstverständlich nicht! Seit Jahren nehmen die globalen CO2-Emissionen mit wachsender Geschwindigkeit zu, und auch die Erderwärmung macht keine Pause, wie im vergangenen Jahrzehnt gelegentlich gemutmaßt worden war, sondern sie fand dort ihre Fortsetzung, wo die Menschen nun mal nicht so viele Thermometer aufgestellt hatten, in den Tiefen der Ozeane. Die Klimaverhältnisse geraten außer Rand und Band. Ein wirkungsvoller Klimaschutz wäre somit dringend geboten. Deutschland als einstiger Vorreiter in dieser Angelegenheit, verspielt mit seinen Buchhaltungsmanövern die Zukunft flacher Inselstaaten, die vom steigenden Meer überspült werden, und ganz allgemein nachfolgender Generationen, die in eine Welt mit häufigeren und schwerwiegenderen Naturkatastrophen hineingeworfen werden.

"Der internationale Klimaschutz wird weitergehen und sich von dieser Entscheidung nicht aufhalten lassen", sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks Anfang Juni 2017 mit Blick auf die Absage von US-Präsident Donald Trump an das Klimaabkommen von Paris. [2] Exakt die gleiche Aussage könnte man jetzt hinsichtlich der Entscheidung Deutschlands treffen, die Klimaschutzziele aufzugeben und die grandiose Fehlleistung durch grünen Ablaßhandel zu kompensieren.

Die Bundesregierung hatte aus eigenen Stücken zugesagt, bis 2020 40 Prozent der CO2-Emissionen gegenüber dem Basisjahr 1990 einzusparen. Die Europäische Union wiederum hat mit der Forderung an Deutschland, 14 Prozent weniger Klimagase bis 2020 (Basisjahr hier ist 2005) zu emittieren, ein ähnliches Ziel. Das wird auf den Gebieten Verkehr, Landwirtschaft und Gebäude krass verfehlt. Wenn es für Deutschland billiger ist, CO2-Zertifikate zu kaufen, als eigene Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen, dann stimmt etwas nicht mit dem System. Diese Option wird zwar meist damit begründet, daß Deutschland angeblich schon ein relativ hohes Niveau an Klimaschutz hat und es von diesem Stand aus zu aufwendig und teuer wäre, weitere CO2-Einsparungen vorzunehmen.

Dennoch, es ist offensichtlich, daß das System nicht so funktionieren kann wie behauptet. Denn nun könnte der Fall eintreten, daß Deutschland seine CO2-Emissionszertifikate ausgerechnet von Polen (oder anderen osteuropäischen Staaten) erwirbt, dessen Energiebedarf größtenteils mittels Kohleverstromung generiert wird, aber bei der Festlegung auf Klimaschutzmaßnahmen noch eine Schonzeit eingeräumt bekommen hat und deshalb voraussichtlich einige Jahre lang überzählige Emissionszertifikate zur Verfügung stellen kann. Der deutsche Klimaschutz ist und bleibt eine Luftnummer.


Fußnoten:

[1] http://schattenblick.de/infopool/umwelt/redakt/umkl-637.html

[2] https://www.bmub.bund.de/pressemitteilung/hendricks-der-klimaschutz-wird-sich-von-trumps-entscheidung-nicht-aufhalten-lassen/

26. Januar 2018


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