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KLIMA/648: CO2 - Nimmersatt und Feigenblatt ... (SB)



Nach mehr als zwei Jahrzehnten hat sich die Internationale Seeschiffahrtsorganisation (IMO) dazu durchgerungen, wie im Kyoto-Protokoll gefordert Maßnahmen gegen die globale Erwärmung zu ergreifen und die CO2-Emissionen aus dem Schiffsverkehr zu verringern. Allerdings halst man das Problem im wesentlichen der nächsten Generation auf, denn erst in 32 Jahren soll der CO2-Ausstoß auf die Hälfte verringert werden. Anschließend will man "möglichst rasch" die CO2-Emissionen auf Null zurückfahren.

Der IMO-Beschluß ist so lasch, daß, würden sich alle Branchen ein solches Ziel setzen, die globale Erwärmung weit über das im Klimaschutzabkommen von Paris beschlossene Ziel, die globale Erwärmung auf "deutlich" unter zwei Grad, möglichst nicht mehr als 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit steigen zu lassen, hinausschießen würde.

Schaut man sich das von der IMO ausgesuchte Basisjahr 2008 genauer an, so gewinnt man den Eindruck, daß dessen Wahl kein Zufall ist. Denn in jenem Jahr hat die globale Schiffahrtskrise gerade erst angefangen, so daß der Welthandel aufs ganze Jahr gerechnet noch immer eine Steigerung von rund zwei Prozent erfuhr. Dadurch hat die IMO einen relativ hohen Ausgangswert genommen, der bis 2050 um die Hälfte reduziert werden muß. Hätte die Organisation statt 2008 beispielsweise 2007 oder 2009 als Basisjahr gewählt, hätte sie die CO2-Emissionen stärker reduzieren müssen.

Die Marshallinseln und andere Staaten, die so flach sind, daß sie schon heute vom Meeresspiegelanstieg bedroht werden, wird es möglicherweise in der Mitte dieses Jahrhunderts, wenn der IMO-Beschluß umgesetzt wurde, gar nicht mehr geben. Deshalb haben sie und andere (u.a. die Europäische Union) dafür plädiert, die CO2-Emissionen aus dem Schiffsverkehr bis 2050 um 70 bis 100 Prozent zurückzufahren. Dieser Standpunkt konnte jedoch nicht durchgesetzt werden.

Der globale Schiffsverkehr hat gegenwärtig einen Anteil von 2,2 Prozent aller anthropogenen Treibhausgasemissionen - etwa so hoch wie Deutschland -, wird aber Prognosen zufolge bis 2050 eine Steigerung von 500 Prozent erfahren. Deshalb wird es wichtig sein, die Emissionen aus der Schiffahrt nicht relativ zu verringern, sondern absolut. Bezeichnenderweise hatten Schwellenländer wie Brasilien, Argentinien und Saudi-Arabien bei den IMO-Verhandlungen Anfang April in London dafür plädiert, eine Emissionsminderung pro zurückgelegte Seemeile und transportierte Tonne zu vereinbaren und keine absolute Obergrenze einzuführen.

Ein Teil der Reduzierung von CO2-Emissionen kann durch einen Wechsel des Treibstoffs erreicht werden. Denn dadurch, daß Schiffe ab 2020, wenn das vor zwei Jahren von der IMO beschlossene "Schwefellimit in Kraftstoffen" greift, nicht mehr das besonders emissionsreiche Bunkeröl (Schweröl) verbrennen dürfen - was ihnen heute schon innerhalb von Häfen wie Hamburg und auch auf der Ostsee untersagt ist -, kommt die Schiffahrt ihrem Ziel ein Stückchen näher. Außerdem werden dadurch natürlich Schwefelemissionen in erheblichem Umfang eingespart.

Die Reaktion von Umweltorganisationen auf die IMO-Vereinbarung läßt sich als "verhalten" zusammenfassen. Gelobt wird, daß überhaupt eine Dekarbonisierung eingeleitet wurde, kritisiert wird, daß wesentlich ambitioniertere Ziele hätten vereinbart werden müssen. Der Umweltminister der Marshallinseln, David Paul, der zunächst erklärt hatte, daß er keiner Vereinbarung zustimmen werde, die nicht die Kriterien des Klimaabkommens von Paris erfüllt, bezeichnete schlußendlich die Vereinbarung als fair.

Nach Panama sind die Marshallinseln das zweitgrößte Land der Schiffsregistrierungen. Das heißt, der Inselstaat ist an dem Geschäft des Seehandels beteiligt und damit nicht nur Opfer, sondern auch Profiteur der bestehenden Verhältnisse. Dem widerspricht nicht, daß die Marshallinseln aus nachvollziehbaren Gründen ein vitales Interesse an strengeren Klimaschutzmaßnahmen haben.

Trotz der allgemein gehaltenen Aussage der IMO, einen Pfad hin zu den Pariser Klimazielen beschreiten zu wollen, bleibt der Beschluß bezogen auf das Klimaabkommen ein Rückschritt, da so getan wird, als handele es sich um keinen streng einzuhaltenden Maßstab, sondern eher um ein vage anzupeilendes Ziel.

Zur Erinnerung: Diese hochgelobte Klimaschutzvereinbarung stellt seinerseits einen Rückschritt dar bezogen auf die Notwendigkeit, CO2-Emissionen drastisch einzusparen. Die im Vorwege von Paris abgegebenen nationalen Minderungsziele - so sie denn eingehalten werden - laufen in der Summe auf eine Welt hinaus, die drei bis 3,5 Grad wärmer ist als die der vorindustriellen Zeit. Im Abkommen von Paris wurde kein Mechanismus vereinbart, wie über die nationalen Minderungsabsichten hinaus die Klimaziele eingehalten werden sollen.

Da aber schon der Unterschied zwischen einer 1,5- und einer Zwei-Grad-Welt darin besteht, daß das Meereis im Nordpolarmeer im Sommer verschwindet oder nicht, läßt sich ahnen, wie gravierend die Veränderungen sein werden, auf die die Menschheit im Laufe dieses Jahrhunderts zusteuert, wenn die Pariser Klimaziele um ein ganzes Grad oder noch mehr verfehlt werden.

Außerdem mangelt es im Abkommen von Paris an konkreten Schritten, wie die notwendigen CO2-Reduktionen vorgenommen werden, wer die Einsparungen leistet und was passiert, wenn ein Staat seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. So war es für die Bundesrepublik Deutschland ein leichtes zu erklären, daß sie ihr Ziel, die CO2-Emissionen bis 2020 um 30 Prozent gegenüber 1990 zu verringern, nicht einhalten kann. Die Marshallinseln dagegen, um bei diesem Beispiel zu bleiben, haben keine Wahl. Sie können sich ihre Zukunft nicht aussuchen, sie wird ihnen von anderen aufgezwungen.

16. April 2018


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