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KLIMA/683: USA - gleichgeschaltet ... (SB)



Die US-Regierung unter Donald Trump hat sämtliche Ministerien und Behörden auf ihren klimapolitischen Kurs eingeschworen, so daß die meisten von ihnen das Thema Klimawandel weitgehend ignorieren. Das gilt inzwischen sogar für die Geheimdienste, die schon vor 15 Jahren den Klimawandel als Gefahr für die nationale Sicherheit bezeichneten. Doch im jüngsten nationalen Bericht zu weltweiten Bedrohungen, der vom Direktor der nationalen Geheimdienste, Daniel R. Coats, verfaßt wurde, werden manche Gefährdungen durch den Klimawandel zwar erwähnt, aber sie tauchen erst in einem Unter-Unterpunkt auf [1].

Eigentlich sagt man den US-Geheimdiensten nach, daß sie ihrer eigenen Agenda folgen und nicht der jeweiligen Regierung, die gerade im Weißen Haus sitzt. Auf den Klimawandel bezogen gilt das offenbar nicht, hier folgen sie entgegen ihres früheren Standpunkts der Trump-Linie, so wie sie zuvor der Einstellung von US-Präsident Barack Obama gefolgt waren.

In dem 42seitigen Dokument WORLDWIDE THREAT ASSESSMENT of the US INTELLIGENCE COMMUNITY vom 29. Januar 2019 wird der Klimawandel auf Seite 21 erstmals erwähnt, aber ausschließlich auf Seite 23 näher behandelt. Dort heißt es, daß "die globale Umwelt- und ökologische Zerstörung sowie der Klimawandel den Wettbewerb um Ressourcen, wirtschaftliche Not und soziale Unzufriedenheit bis 2019 und darüber hinaus verstärken" dürften. "Klimarisiken wie Extremwetterereignisse, höhere Temperaturen, Dürren, Überschwemmungen, Waldbrände, Stürme, Meeresspiegelanstieg, Bodendegradation und versauernde Ozeane verschärfen sich und bedrohen Infrastruktur, Gesundheit sowie Wasser- und Ernährungssicherheit. Unumkehrbare Schäden an Ökosystemen und Lebensräumen werden den wirtschaftlichen Nutzen untergraben, der durch Luft-, Boden-, Wasser- und Meeresverschmutzung noch verstärkt wird." [2]

Hierauf und einige wenige weitere Punkte beziehen sich die Analysten des "Center for Climate & Security" [3], wenn sie eine Kontinuität in den letzten drei World Threat Assessments unter der Trump-Regierung zu Analysen während der Amtszeit von Barack Obama und George W. Bush erkennen wollen. Vordergründig scheint sich wirklich nicht viel geändert zu haben, doch wurde in früheren Publikationen die Bedrohungslage durch den Klimawandel sehr viel deutlicher vor Augen geführt. Das lag sicherlich auch daran, daß es bei einer Reihe von Analysen eigens darum gegangen war, die Risiken durch den Klimawandel auf die Nationale Sicherheit, die Arktis, die staatliche Sicherheit, etc. zu benennen, während der jetzige Geheimdienstbericht von jeher politische Fragen in den Mittelpunkt stellt.

Doch vergleicht man nicht Äpfel mit Birnen, sondern Äpfel mit Äpfeln und untersucht die Unterschiede zwischen dem aktuellen Geheimdienstbericht und seinem Vorläufer, der Anfang März 2018 [4] veröffentlicht wurde, fällt auf, daß in diesem Jahr die Gefahren aus dem Klimawandel lediglich aufgezählt, aber kaum näher beschrieben werden. 2018 hingegen erwähnte Coats "climate change" bereits im Vorwort. Und wenngleich der Geheimdienstchef auch diesmal unterschiedlichste Klimawandelfolgen unter dem Aspekt der staatlichen Sicherheit benennt, hatte er sich 2018 um vieles eindrücklicher Schilderungen bedient, die den Klimawandelleugnern in der Trump-Regierung nicht gefallen haben dürften. Mit Aussagen wie, "die letzten 115 Jahre waren die wärmste Periode in der Geschichte der modernen Zivilisation und die letzten paar Jahre waren die wärmsten seit Aufzeichnungsbeginn" hat Coats kräftig an dem Bild gerüttelt, daß der Klimawandel eine Erfindung der Chinesen ist, wie Donald Trump zu zwitschern beliebte.

Eine enorme Brisanz kommt auch dem Satz aus dem Geheimdienstbericht des vergangenen Jahres zu, wonach Forscher noch keine Hinweise auf "tipping points" in den klimarelevanten Erdsystemen ausfindig gemacht haben, aber von der Möglichkeit eines "plötzlichen" Klimawandels ausgehen. Obgleich eben diese Gefahr seitdem noch deutlicher geworden ist und auch im jüngsten IPCC-Sonderbericht zum 1,5-Grad-Ziel behandelt wird [5], ist davon nicht mehr die Rede. Ein drittes Beispiel betrifft das auch vom Klimawandel forcierte Artensterben: "Jüngsten Schätzungen zufolge übersteigt die Geschwindigkeit des gegenwärtigen Artensterbens die natürliche Geschwindigkeit, mit der Arten sterben, um den Faktor 100 bis 1000", hatte es 2018 geheißen. 2019 erfährt man darüber nichts Konkretes.

Vor einem Jahr wurden in dem Geheimdienstbericht aufrüttelnden Fakten zum Klimawandel genannt, während sich die Beschreibungen in diesem Jahr auf Gemeinplätze beschränken. Es macht einen Unterschied hinsichtlich der Eindrücklichkeit solcher Berichte, ob sie allgemein bleiben oder das Allgemeine mit konkreten Fakten unterfüttern. Mit dem Geheimdienstbericht 2019 kreuzt Coats nicht gegen den Kurs die Trump-Regierung, sondern hat die Segel so gesetzt, daß er den gleichen Kurs hält.

Davon unbenommen bleibt, was sich unter der Oberfläche abspielt. Dort geschehen ganz andere Dinge als die, die auf der Bühne des Politbetriebs inszeniert werden, wenn ein Teil der Regierung mit einem anderen scheinbar im Clinch liegt. Beispielsweise stellt sich selbst die Trump-Regierung auf die globale Erwärmung und ihre Folgen ein. Auch wenn der milliardenschwere Hightech-Grenzzaun, der an der Grenze zu Mexiko gebaut werden soll, vorgeblich das Ziel hat, jene zu Illegalen erklärten Migranten abzuwehren, wird in den entsprechenden Geheimdienstberichten zum Themenkomplex "nationale Sicherheit und Klimawandel" gewarnt, daß einige Regionen Süd- und Mittelamerikas klimatisch unbewohnbar werden könnten und darauf Menschen versuchen würden, in die Vereinigte Staaten zu gelangen. Tatsächlich hat die schwere Dürre im Sommer vergangenen Jahres in Ländern wie Honduras und Guatemala mehr Menschen motiviert, ihr Land zu verlassen. Das heißt, der Klimawandel findet statt, die USA sind das Zielland für Klimaflüchtlinge - wenngleich Klima nicht der einzige Fluchtgrund ist -, und die US-Regierung baut eine Mauer, um Menschen abzuwehren. Trump nimmt den Klimawandel sehr ernst, und die Geheimdienste mit ihm!

Somit erweist sich der Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte nicht als der Klimawandelleugner, als den er sich ausgibt, sondern vielmehr als ein Leugner, daß die von ihm vertretene Klasse von Reichen und Superreichen irgendeine Verantwortung für den Klimawandel trägt. Wenn deshalb Menschen in der Peripherie verelenden oder verrecken, läßt man Mauern errichten, um das Elend nicht zu sehen. Hinter dem hartnäckigen Leugnen des Klimawandels steckt somit nicht Starrsinn oder Dummheit, sondern die Arroganz von Menschen, die sich offenbar einer weißen Herrenrasse zugehörig fühlen und skrupellos dafür sorgen, daß sie und ihresgleichen nicht von den Folgen ihres eigenen, verschwenderischen Lebensstils getroffen werden.


Fußnoten:

[1] https://www.dni.gov/index.php/newsroom/congressional-testimonies/item/1947-statement-for-the-record-worldwide-threat-assessment-of-the-us-intelligence-community

[2] Auf Seite 23 der unter [1] genannten Quelle werden sogar die wirtschaftlichen Vorteile der globalen Erwärmung für die Seewege in der Arktis beschrieben:

"Extreme Wetterereignisse, die sich durch den beschleunigten Anstieg des Meeresspiegels verschärfen, werden vor allem städtische Küstengebiete in Südasien, Südostasien und der westlichen Hemisphäre betreffen. Schäden an der Kommunikations-, Energie- und Verkehrsinfrastruktur können tiefliegende Militärbasen beeinträchtigen, wirtschaftliche Kosten verursachen, Menschen verdrängen und Menschenleben fordern. Veränderungen in der Häufigkeit und Variabilität von Hitzewellen, Dürren und Überschwemmungen, kombiniert mit schlechten Regierungspraktiken, erhöhen die Wasser- und Ernährungsunsicherheit weltweit und steigern das Risiko von sozialen Unruhen, Migration und zwischenstaatlichen Spannungen in Ländern wie Ägypten, Äthiopien, Irak und Jordanien. Das abnehmende arktische Meereis kann den Wettbewerb - insbesondere mit Russland und China - um den Zugang zu Seewegen und natürlichen Ressourcen verstärken. Nichtsdestotrotz haben die arktischen Staaten eine überwiegend positive Zusammenarbeit in der Region durch den Arktischen Rat und andere multilaterale Mechanismen aufrechterhalten, eine Entwicklung, von der wir nicht erwarten, dass sie sich in naher Zukunft ändert. Wärmere Temperaturen und abnehmendes Meereis reduzieren die hohen Kosten und Risiken einiger kommerzieller Aktivitäten und ziehen neue Akteure in die ressourcenreiche Region. Im Jahr 2018 lag die minimale Meereisausdehnung in der Arktis 25 Prozent unter dem 30-Jahresdurchschnitt von 1980 bis 2010."

[3] https://climateandsecurity.org/2019/01/29/climate-risks-in-the-2019-worldwide-threat-assessment-of-the-us-intelligence-community/

[4] https://www.dni.gov/files/documents/Newsroom/Testimonies/Final-2018-ATAUnclassifiedSASC.pdf

[5] Ein SB-Interview mit Prof. Dr. Daniela Jacob, einer der Leitautorinnen des IPCC-Sonderberichts, der Anfang Oktober 2018 veröffentlicht wurde, finden Sie hier: http://schattenblick.de/infopool/umwelt/report/umri0288.html

1. Februar 2019


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