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KLIMA/704: Fracking - subventionierter Scheinkompromiß ... (SB)



Die EU wird in Zukunft sehr viel mehr Flüssiggas aus den USA importieren als bisher. Das Gas wird mit der besonders umweltschädlichen Methode des Frackings gefördert. Das vergiftet die Fördergebiete in den USA und darüber hinaus trägt es erheblich zur globalen Erwärmung bei. Außerdem ist das Fracking-Gas viel teurer als Erdgas aus konventionellen Lagerstätten. Deshalb müssen die EU und einzelne Mitgliedsländer den Gas-Import aus den USA mit Milliarden Euro subventionieren. Hierfür werden sogar Gelder aus dem üppigen Topf für "Projekte gemeinsamen Interesses" (engl. abgekürzt PCI) verwendet. Bei diesen Projekten der Europäischen Union handelt es sich um grenzüberschreitende Infrastrukturen, die eigentlich am Klimaschutz ausgerichtet sein sollten. Erdgas ist zwar in der Regel weniger klimaschädlich als fossile Energieträger wie Erdöl und Kohle, aber nicht so sehr, als daß mit einem Umstieg auf Erdgas die internationalen Klimaschutzziele des Übereinkommens von Paris erfüllbar wären.

Am 25. Juli 2018 war EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nach Washington gereist und hatte mit US-Präsident Donald Trump einen Deal ausgehandelt. Der hat unter anderem zum Ergebnis, daß die Europäische Union in Zukunft mehr Flüssiggas (LNG) aus den USA kaufen wird. Seitdem sind die LNG-Importe der EU um 272 Prozent auf 10,4 Milliarden Kubikmeter gestiegen. Damit haben die USA in den letzten sechs Monaten einen Anteil an den gesamten LNG-Einfuhren der EU von 13,4 Prozent erlangt. Seit der Gemeinsamen Erklärung haben die USA 30 Prozent ihrer LNG-Exporte in die EU ausgeführt, im März und April dieses Jahres waren es schon 35 Prozent.

Trump hatte der EU die Pistole auf die Brust gesetzt und verlangt, daß sie den USA gefälligst mehr LNG abnimmt, ansonsten werde er Zölle auf Ausfuhren der Europäischen Union erheben. Die EU, die sicherlich kein einheitlicher Interessenblock ist, hat Vor- und Nachteile abgewogen und sich zu dem Deal bereit erklärt. Im Ergebnis kam ein doppelter Nachteil für den Klimaschutz und die davon am meisten betroffenen Menschen im Globalen Süden heraus. Denn Autos sind eines der klimaschädlichsten Fortbewegungsmittel, und umgekehrt hat sich auch Erdgas, das per Fracking gewonnen wird, als wesentlich klimaschädlicher erwiesen, als gemeinhin bekannt. Denn in die Klimabilanz fließt nicht nur das Kohlenstoffdioxid ein, das bei der Verbrennung entsteht, sondern auch das Erdgas, das direkt bei der Förderung, später beim Transport durch Pipelines, bei der Verarbeitung und Verflüssigung und aus anderen der zahlreichen Gas-Installationen in die Atmosphäre entweicht. Nach Kohlenstoffdioxid ist Methan das zweitwichtigste anthropogene Treibhausgas.

Beim umstrittenen Fracking wird das Erdgas regelrecht aus der gasführenden Schicht herausgepreßt. Dazu wird Wasser, das mit einem Chemikaliencocktail und Spezialsanden angereichert ist, unter hohem Druck in den Untergrund gepreßt, so daß das Gestein aufbricht und das Gas zusammenströmen kann. Diese hoch umstrittene und beispielsweise in Schleswig-Holstein verbotene Fördermethode ist mit einer Vielzahl von Umweltverschmutzungen verbunden, angefangen von den sogenannten Frackfluiden (zurückgeholte Frackflüssigkeit), die mitunter in Absetzbecken unter freiem Himmel gelagert wird, über die Freisetzung von aus der geologischen Schicht ans Tageslicht gebrachten radioaktiven NORM-Teilchen bis zu den Gasleckagen der Fördereinrichtungen. Dem noch nicht genug, werden bis zu 25 Prozent des Energiegehalts von Gas für seine Abkühlung und Verflüssigung zu LNG verbraucht.

Noch ist der LNG-Import aus den USA gering im Vergleich zum gesamten Erdgasverbrauch der EU in Höhe von 400 Milliarden Kubikmeter pro Jahr, aber die Tendenz ist eindeutig. Zudem haben sich EU-Energiekommissar Miguel Arias Cañete, der früher in der Gasindustrie tätig war, und US-Energieminister Rick Perry am 2. Mai 2019 auf dem EU-US Energy Council High-Level Forum in Brüssel getroffen, um darüber zu beraten, wie der Anteil der USA an den Gasimporten der EU erhöht werden kann.

Die USA verfolgen mit ihrer Energiepolitik drei Anliegen, ein ökonomisches und zwei geostrategische. Zum einen geht es schlicht ums Geschäft. Washington will seine Konkurrenz ausstechen und setzt dafür alle verfügbaren Mittel ein, damit sein teures Fracking-Erdgas gegenüber dem billigeren Pipeline-Erdgas bevorzugt wird. Zum anderen soll der geopolitische Widersacher Rußland, das der wichtigste Gaslieferant der EU ist, geschwächt werden. Drittens wollen die USA nicht tatenlos zusehen, wenn die beiden Kontinentalmächte Europäische Union (Hightech-Standort) und Rußland (Rohstoffe) eine strategische Partnerschaft zum Nutzen beider Seiten eingehen.

Ein nicht unbedeutender Kollateralschaden des Frackings: Die USA nutzen das Gas, um daraus Plastikpellets, einen Rohstoff für die Kunststoffindustrie, herzustellen. Auch die EU will das LNG aus den USA zu diesem Zweck nutzen. Als wenn es noch nicht reichte, die Erde aufgrund der globalen Erwärmung unbewohnbar zu machen, wird auf diesem Weg weiter intensiv daran gearbeitet, die Weltmeere mit Plastik zu verseuchen. Bezeichnenderweise war auf der 4. Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UNEA 4) im März dieses Jahres ein internationales Abkommen zur Begrenzung des Plastikverbrauchs am Widerstand der USA und einer Handvoll anderer Staaten gescheitert.

Ob nun Erdgas über die im Aufbau befindliche, umstrittene Pipeline North Stream 2 von Rußland über die Ostsee nach Deutschland geleitet wird oder ob die USA noch mehr LNG-Flüssiggastanker den Atlantik queren und in Westeuropa anlanden lassen, ist dabei gar nicht so bedeutsam. Wenn man bedenkt, was eigentlich auf den Spiel steht, kann man solche Ränkespiele in beiden Fällen nur als feindlichen Akt gegenüber den vom Klimawandel besonders betroffenen Ländern des Globalen Südens, den flachen Inselstaaten und grundsätzlich den zukünftigen klimawandelgehetzten Generationen bezeichnen. Darüber hinaus werden heute zahlreiche neue Pipelines verlegt und LNG-Terminals gebaut, die morgen schon wieder wertlos sind. Der fossilen Energiewirtschaft in den Rachen geworfenes Geld, für das viele Menschen hart gearbeitet und ihre Physis verbraucht haben. Der Energieträger Erdgas ist kein Zukunftsmodell.

13. Mai 2019


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