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RESSOURCEN/193: Indigene geräumt und verhaftet - Weg frei für North-Dakota-Access-Pipeline (SB)


Protestlager der Indigenen Völker gewaltsam geräumt


Das Oceti Sakowin Camp in North Dakota war ein "historisches Treffen", wie es in dieser Art zuletzt vor 140 Jahren stattfand, so Dave Archambault II, Häuptling des Standing-Rock-Sioux-Stammes. [1] Damals hatten sich die Indigenen Völker versammelt, um in den Krieg gegen die Invasoren zu ziehen. Am 25. Juni 1876 wurde das 7. US-Kavallerie-Regiment unter General Custer in der Schlacht am Little Bighorn vernichtend geschlagen.

Diesmal, so scheint es, ist der Sieg auf seiten der Bleichgesichter. Die Sioux aus dem Standing Rock Reservat, die einen enormen Zuspruch anderer indigener Stämme, der Veteranen und auch von Klima- und Umweltschützern in den USA und weltweit erhalten, wollen verhindern, daß eine 1886 Kilometer lange Pipeline, die Erdöl aus dem Bakken-Fördergebiet von North Dakota bis nach Illinois leiten soll, unmittelbar nördlich ihres Reservats verlegt wird und dabei erstens ihnen heiliges Land verletzt und zweitens unter dem Oahe-See hindurchgeführt wird, aus dem die mehr als 8000 Menschen in dem Reservat fast ihr gesamtes Trinkwasser beziehen.

Bis Mittwoch, den 22. Februar sollten die Indigenen ihr Lager abbrechen. Viele haben sich an die Order des zuständigen Army Corps of Engineers gehalten, viele aber auch nicht. Bei der anschließenden Räumung wurden 46 Personen verhaftet [2], die sich von dem Großaufgebot an Polizei und Nationalgarde nicht einschüchtern ließen.

Die Sioux berufen sich auf den Fort Laramie-Vertrag von 1851, der ihnen das Gebiet zugesprochen hat, durch das die Pipeline nun kraft exekutiver und gerichtlicher Gewalt vorangepeitscht wird. Die in Blut geschriebene Geschichte der indigenen Völker bedürfte eigentlich keiner weiteren Belege, um zu zeigen, daß die mit den weißen Eindringlingen geschlossenen Verträge nur so lange Gültigkeit besitzen, wie es diesem in der Regel mit überlegenen Gewaltmitteln ausgestatteten Vertragspartner gefällt. Werden hingegen, wie in diesem Fall, die Interessen der fossilen Energiewirtschaft berührt, fühlen sich die Weißen nicht daran hindert, Land in Besitz oder Nutzung zu nehmen.

Die Standing-Rock-Sioux fragen sich, warum die Pipeline nicht einen anderen Verlauf nimmt, schließlich sei eine alternative Route außerhalb der angestammten Sioux-Gebiete, die zudem den Mississippi weiter nördlich an einer weniger problematischen Stelle gekreuzt hätte, zumindest noch im Dezember 2014 im Gespräch gewesen. Die Indigenen berufen sich dabei unter anderem auf ein behördliches Gutachten der North Dakota Public Service Commission. [3]

Bei jenem alternativen Streckenverlauf wäre allerdings die Trinkwasserversorgung von Bismarck, der Staatshauptstadt von North Dakota, potentiell gefährdet gewesen. Nun, da die Trasse südlich von Bismarck den Oahe-See, der durch das Aufstauen des Mississippi entstand, quert, bleibt die Stadt verschont. Zwar sprechen auch andere umweltrelevante Gründe gegen jene nördliche Streckenführung [4], das bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, daß deswegen die jetzige Trasse genommen werden müßte.

Wie nicht anders zu erwarten behauptet die Betreiberfirma Energy Transfer Partners (ETP), daß die Pipeline ausreichend geschützt ist, und verweist unter anderem darauf, daß die Rohre mehr als 30 Meter unterhalb des Seegrunds durch den Boden getrieben werden sollen. Diese Maßnahme kann zwar als Schutz angesehen werden, aber gleichzeitig könnte sich die Lösung auch als besonders verhängnisvoll erweisen. Denn bei einer Leckage wäre die Röhre, durch die täglich 470.000 Barrel Öl gepumpt werden soll, nicht zugänglich. Außerdem ist zu erwarten, daß der Boden unterhalb des Sees naturgemäß bis zu einer gewissen Tiefe wasserdurchtränkt ist. Das Wasser bietet jedoch Wege, auf denen eine Ölkontamination stattfinden könnte.

Die 3,8 Milliarden Dollar teure Pipeline könnte schon in weniger als zwei Wochen in Betrieb genommen werden. Die Indigenen versuchen indes noch immer, das Projekt auf gerichtlichem Weg zu stoppen. Der nächste Gerichtstermin ist für den 28. Februar angesetzt. Sie seien noch nicht besiegt, erklärt Joye Braun, eine Frau der Cheyenne River Sioux, die die erste war, die im April 2016 in der Nähe der Pipeline ihr Tipi aufgebaut hat, woraufhin nach und nach ein riesiges Lager entstand. [5]

Im vergangenen Jahr lebten zwischenzeitlich in einem Netzwerk aus inzwischen mehreren Lagern bis zu 14.000 Unterstützerinnen und Unterstützer der Proteste. Auch die 48jährige Tania Aubid hat bislang ihren Protest nicht aufgegeben: Am 31. Januar war sie in den Hungerstreik getreten. Für den 10. März hat die Standing-Rock-Bewegung einen Sternmarsch auf die Bundeshauptstadt Washington angekündigt. Denn eine der ersten Amtshandlungen des neuen US-Präsidenten Donald Trump bestand in der Anweisung, die Dakota-Access- und die Keystone XL-Pipeline weiterzubauen.


Fußnoten:

[1] http://standwithstandingrock.net/oceti-sakowin/

[2] http://bismarcktribune.com/news/state-and-regional/the-latest-tribes-want-judge-to-stop-river-pipeline-work/article_cae91bd6-fdb7-57d9-9edd- 58f4f8609503.html

[3] http://www.psc.nd.gov/database/documents/14-0842/001-030.pdf

[4] http://abcnews.go.com/US/previously-proposed-route-dakota-access-pipeline-rejected/story?id=43274356

[5] https://www.revealnews.org/blog/some-standing-rock-protesters-resolve-to-stay-put-even-as-tribe-shifts-focus/

24. Februar 2017


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