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RESSOURCEN/207: "Kajaktivisten" gegen Kanadas Pipelineprojekt (SB)


Rohstoffkonzern Kinder Morgen baut trotz laufenden Gerichtsverfahrens umstrittene Trans-Mountain-Pipeline weiter


So wie in Deutschland gegen die braunkohlefreundliche Politik der Landesregierungen und der Bundesregierung protestiert wird und Menschen mit den Mitteln des zivilen Ungehorsams und beispielsweise einer Baumbesetzung im Hambacher Forst versuchen, weitere Rodungen zu verhindern, finden auch in Kanada seit Jahren Kämpfe gegen die fossile Energiewirtschaft statt. Im Zentrum der Auseinandersetzung stehen erstens der ganze Landschaften vernichtende Teersandabbau in der Provinz Alberta, zweitens die Erdölförderung mittels der umstrittenen Methode des Aufbrechens des Gesteins im Untergrund (Fracking) und drittens der Aufbau einer weitverzweigten Infrastruktur, um Bitumen, Erdöl und Erdgas via Pipelines zu den Stätten der Weiterverarbeitung oder Verschiffung zu befördern.

Kanada wird bereits kreuz und quer von solchen Rohrleitungen durchzogen. Im Jahr 2013 kündigte das Unternehmen Kinder Morgan die Erweiterung eines rund 1000 Kilometer langen Streckenabschnitts für verdünntes Bitumen (Dilbit) zwischen den Städten Edmonton und Burnaby sowie den Bau von zwölf Pumpstationen an. Die Förderkapazität des sogenannten Kinder Morgans Trans Mountain Systems soll von gegenwärtig 300.000 auf 890.000 Barrel pro Tag nahezu verdreifacht werden.

Durch die Erweiterung wächst die Gefahr von Unfällen, zu denen es regelmäßig in der fossilen Energiewirtschaft Kanadas kommt - nicht zuletzt aufgrund der Wechsel von Frost- und Auftauperioden, was die Materialermüdung verstärkt. Darüber hinaus steht die geplante Verdreifachung der Transportkapazitäten im Widerspruch zu der klimapolitischen Erfordernis, 90 Prozent der weltweit bekannten Reserven an fossilen Energieträgern (Kohle, Erdöl, Erdgas) im Boden zu lassen, da deren Verbrennung so viel klimawirksame Gase freisetzen würde, daß sich die globale Durchschnittstemperatur um deutlich mehr als zwei Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit erhöhen würde. Und so wie Deutschland weiterhin große Mengen an Kohle fördert und verfeuert, rückt auch Kanada unter dem liberalen Premierminister Justin Trudeau keinen Deut von seinem eingeschlagenen Kurs ab.

Dagegen wenden sich Mitglieder der First Nations und Umweltschutzorganisationen ebenso wie der örtlichen Politik und der übrigen Bevölkerung. Die Küstenstadt Burnaby in der westlichen kanadischen Provinz British-Columbia ist insofern ein Brennpunkt der Konflikte, als daß mit der Kapazitätserweiterung auch der Tankerverkehr von und zum Verladeterminal zunehmen wird. Das ist in der relativ engen Zufahrt ein nicht zu unterschätzendes Risiko. Würde sich eine Ölkatastrophe wie 1989 bei der Havarie der Exxon Valdez etwas weiter nördlich im US-Bundesstaat Alaska ereignen, wären die ökologischen und ökonomischen Schäden unermeßlich.

Kinder Morgan hat bereits mit dem Pipelinebau beim Terminal in Burnaby, das am Ende eines Fjords liegt, begonnen, doch am 28. Oktober wurde der Wasserweg, den Tanker zu jenem Terminal nehmen, von "Kajaktivisten" auf mehr als 60 miteinander verbundenen Booten gesperrt. Spruchbänder zeugten von der klaren Ablehnung des Projekts.

Die Polizei hat fünf Personen, die sich an ein Schiff von Kinder Morgan gebunden hatten, vorübergehend festgenommen. Die First Nations, die nie gefragt wurden, ob sie mit dem Bau der Dilbit-Pipeline durch ihr Gebiet einverstanden sind, und die übrigen Protestierenden haben angekündigt, daß sie den Widerstand gegen das Projekt auf keinen Fall aufgeben werden. [1]

Die Stadt Vancouver und der Fjord können sich keine Ölverseuchung, wie wir sie bei der Mount Polley Katastrophe erlebt haben, leisten, sagte Kanahus Manuel, eine der Organisatorinnen der Kajak-Protestflotte und Mitglied der Secwepemc Nation. [2]

Am 4. August 1994 war der Damm eines Absetzbeckens der Mount Polley Mine der Imperial Metals Company (IMC) gebrochen, woraufhin sich 4,5 Millionen Kubikmeter giftige Schlämme und 10 Millionen Kubikmeter giftige Abwässer in den Polley Lake ergossen, weiter in den Hazeltine Creek flossen und schließlich auch den Quesnel-See und seine Abflüsse verseuchten. Es handelt sich um die bis dahin schwerwiegendste Umweltkatastrophe British-Columbias. [3]

Gegen den Pipelinebau sind noch Verfahren anhängig, doch entweder geht Kinder Morgan davon aus, daß es sich vor Gericht durchsetzen wird, oder es will vollendete Tatsachen schaffen. Jedenfalls hat das Unternehmen schon mal mit dem Bau der Erweiterungsstrecke begonnen.

1997 hatte der Oberste Gerichtshof Kanadas den First Nations bescheinigt, daß ihnen das Land gehört, das heute British-Columbia genannt wird. Der Bau des Kinder Morgan Trans Mountain System beweist jedoch einmal mehr, daß Recht als Instrument zur Durchsetzung herrschender Interessen eingesetzt wird, und daß dies in Kanada nicht die Interessen der First Nations sind.


Fußnoten:

[1] http://www.cbc.ca/news/canada/british-columbia/kinder-morgan-trans-mountain-pipeline-protest-1.4377352

[2] http://earthfirstjournal.org/newswire/2017/11/02/canada-five-demonstrators-arrested-for-protesting-kinder-morgan/

[3] http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/redakt/umre-160.html

2. November 2011


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