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RESSOURCEN/212: Fracking - plastizider Überfluß ... (SB)



Vom Marianengraben bis zum Mount Everest - die Plastikkontamination der Welt hat den tiefsten Punkt des Meeres und den höchsten Gipfel der Erde erreicht. Selbst all der Müll, den Menschen auf dem Mond hinterlassen haben, enthält Plastik. Trotz der vielfältigen Bemühungen, seinen Verbrauch zu reduzieren, könnte er in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Das haben wir der Frackingindustrie zu verdanken.

Ein Paradebeispiel dafür, welche destruktiven Folgen Wachstumslogik und Profitstreben zeitigen, ist die gegenwärtig enorme Steigerung der Produktion von Ethylen und Propylen, den beiden wichtigsten Grundstoffen zur Plastikherstellung. Weil die Frackingunternehmen in den USA mehr Gas fördern, als sie in Form von Energieträgern absetzen können, haben sie sich zusätzlich auf die Herstellung von Ethan und Propan gestürzt. In den nächsten Jahren wird in den USA ein halbes Dutzend Fabriken gebaut, in denen aus dem per Fracking geförderten Gas Kunststoffrohmaterial hergestellt werden soll. Die absehbare Folge: Plastik wird immer billiger und damit einen noch breiteren Absatz finden als bisher. Und das in einer Zeit, in der die wachsenden Mengen an Mikroplastik in Böden, Gewässern, Meeren und deren Bewohnern beklagt werden.

Experten rechnen damit, daß die globale Produktion von Ethylen und Propylen in den nächsten sieben Jahren um ein Drittel wachsen wird. Allein in den USA wurden im vergangenen Jahr drei Ethylenfabriken gebaut, der Neubau weiterer sechs ist für dieses und nächstes Jahr geplant. Sogar im belgischen Antwerpen soll eine neue Fabrik entstehen. Wie Gabriel Levy für die Website THE PENSIVE QUILL [1] unter Berufung auf Zahlen der Energy Information Administration (EIA) der US-Regierung berichtet, wird der Ethanverbrauch in den USA von 2017 (1,2 Mio. Faß pro Tag - bpd - barrel per day) bis 2019 (1,6 Mio. bpd) um voraussichtlich ein Drittel steigen. Im gleichen Zeitraum könnte auch der Export von Ethan, das dann in anderen Ländern verarbeitet würde, um 70 Prozent auf 310.000 bpd zunehmen.

Erdgas zu "fracken" ist eine bedeutende, jedoch nicht die einzige Methode zur Herstellung der Grundsubstanz von Kunststoffen. Auch Kohle und Erdöl werden dafür genutzt. Der gesamte Frackingboom in den USA ist eingebettet in den Vorstoß der fossilen Energiewirtschaft, die nach wie vor fest im Sattel sitzt, aber inzwischen erkannt haben dürfte, daß ihr mit den sogenannten Erneuerbaren ernsthafte Konkurrenz herangewachsen ist. Außerdem sorgt die Divestmentbewegung des internationalen Klimaschutzes dafür, daß Universitäten, Banken, Behörden und andere Einrichtungen sowie Einzelpersonen ihre Gelder nicht mehr in Unternehmen stecken, die in die fossile Energiewirtschaft involviert sind. Das bedeutet, daß diese börsennotierten Unternehmen einen Wertverlust erfahren und unter Umständen aus dem Markt herausfallen - was aus Sicht des Klimaschutzes kein Schaden sein muß.

Wie die Organisation Food and Water Europe [2] berichtet, ist die Europäische Union ebenfalls am Frackingboom beteiligt. So produziert das Unternehmen Ineos in der schottischen Stadt Grangemouth und im norwegischen Rafnes Propylen aus US-amerikanischem Frackinggas. Seit 2012 verfolge die chemische Industrie der Vereinigten Staaten eine "aggressive Expansionspolitik", so Food and Water Europe. Vier Jahre darauf sei erstmals per Fracking gefördertes Gas nach Europa transportiert worden. Die neue Exportroute verbinde die Frackinggebiete im US-Bundesstaat Pennsylvania mit Europa.

Wenn Verbraucherinnen und Verbraucher ihre eigenen Taschen und Tüten zum Einkaufen mitbringen und Geschäfte die kostenlose Vergabe von Plastiktüten abstellen, könnte das dazu beitragen, die Verwendung von Plastik zu reduzieren. Allerdings findet die größte Menge an Verpackungsmaterial gar nicht ihren Weg bis zum unmittelbaren Verkauf eines Produkts, wie das UN-Umweltprogramm berichtete. Das Volumen an Plastik entlang der Lieferkette ist größer als das der vielen Einzelverpackungen. [3]

Wenn der Verbrauch von Plastik von der Überproduktion bzw. den Absatzschwierigkeiten der US-Frackingindustrie abhängig ist, dann zeigt sich darin beispielhaft die grundsätzliche Not eines Wirtschaftssystems, das auf Expansion getrimmt ist. Bereits die Methode der Erdöl- und Erdgasförderung durch Fracking ist in vielerlei Hinsicht umwelt- und gesundheitsschädlich. Die Folgen der Verwendung dieser Rohstoffe sind es nicht minder. Generell heizt das Verbrennen fossiler Energieträger den Klimawandel an, und an der Produktion von billigem Plastik haben die Bewohner der Meere jetzt schon schwer zu schlucken. Von Mikrokügelchen bis zu Makroteilen - in Fischen, Meeressäugern und Schildkröten findet sich das wieder, was Menschen über die Flüsse ins Meer geschwemmt oder direkt über die Bordwand geschmissen haben.

Zwar haben Schweden und das Vereinigte Königreich seit Anfang dieses Jahres die Verwendung von Mikroplastik verboten, und auch andere Länder ziehen nach oder tragen sich mit dem Gedanken, das zu tun, aber weltweit gesehen wird Plastik weiterhin als Bestandteil von Zahncreme, Kosmetika, etc. eingesetzt. Plastik ist in, auf und um uns herum. Und es wird mehr.


Fußnoten:

[1] http://thepensivequill.am/2018/03/still-bigger-mountains-of-plastic-on-way.html

[2] https://www.foodandwaterwatch.org/insight/trans-atlantic-plastics-pipeline-how-pennsylvanias-fracking-boom-crosses-atlantic

[3] https://wedocs.unep.org/rest/bitstreams/16290/retrieve

23. März 2018


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